Archiv des Autors: Anke Demirsoy

Charlotte im Puppenheim: „Werther“ von Jules Massenet im Aalto-Theater Essen

Spaziergang auf Kunstrasen: Werther (Abdellah Lasri) und Charlotte (Michaela Selinger) wandeln im Mondschein (Foto: Matthias Jung)

Spaziergang auf Kunstrasen: Werther (Abdellah Lasri) und Charlotte (Michaela Selinger) wandeln im Mondschein (Foto: Matthias Jung)

Ein Baumstamm durchschlägt das Dach des Hauses. Herbstlaub fliegt durchs Fenster herein, Schneeflocken wirbeln durch die Türen. Manchmal schneit auch Werther vorbei, ein Schwärmer und Träumer, der eng mit der Natur im Bunde steht. Seine manische Leidenschaft für die verheiratete Charlotte verwandelt deren trautes Heim nach und nach in ein Trümmerfeld.

Nach diesem simplen Prinzip funktioniert die neue Inszenierung der Oper „Werther“ von Jules Massenet, mit der Carlos Wagner jetzt seinen Einstand im Essener Aalto-Theater gab. Der im venezolanischen Caracas geborene Regisseur setzt seine Gedanken zu dem 1892 uraufgeführten lyrischen Drama mit einer kindlich anmutenden Begeisterung um, die sich nur wenig fragt, ob und … Weiterlesen

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Vom Flug der Seele: „Schwanensee“ als brillantes Kammerspiel in Gelsenkirchen

Fragiles Wesen, ins Herz getroffen: Kusha Alexi als Schwanenprinzessin Odette (Foto: Sebastien Galtier/MiR)

Fragiles Wesen, ins Herz getroffen: Kusha Alexi als Odette (Foto: Sebastien Galtier/MiR)

Der schöne Hals ist grausam verdreht. Der Kopf zuckt krampfhaft, wie in Agonie. Sie ist ein trauriger Anblick, diese hilflose Kreatur, die Odette heißt und zu Beginn des Abends noch ein stolzer weißer Schwan war. Die Zaubermacht, über die sie einst verfügte, die erlösende Kraft der Liebe, hat sich auf tragische Weise gegen sie gekehrt. Da liegt sie nun, zerschmettert, vernichtet.

Es ist fürwahr ein Paukenschlag, mit dem Gelsenkirchens Ballettchefin Bridget Breiner in ihre zweite Spielzeit startet. Hatte sie doch den Mut, sich mit ihrer nur 14-köpfigen Compagnie an „Schwanensee“ zu wagen, den Ballettklassiker schlechthin, märchenhaft, romantisch, opulent. Aus der Not, sprich aus dem Fehlen eines großen Corps … Weiterlesen

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Im Aufzug zur Ewigkeit: Kay Voges beschwört in Dortmund „Das goldene Zeitalter“

Und ewig trommelt der Duracell-Hase: Szene aus „Das goldene Zeitalter“ von Kay Voges und Alexander Kerlin (Foto: Birgit Hupfeld/Theater Dortmund)

Eine monotone Automatenstimme zählt bis Neunundneunzig. Gleichförmig, unerbittlich. Elektronische Instrumente simulieren das Schrittgeräusch der Schauspieler. Einundzwanzig. Tack tack. Zweiundzwanzig. Tack tack.

Alle tragen den gleichen Minirock, die gleichen Riemchenschuhe, die gleiche wasserstoffblonde Lockenperücke. Wie ferngesteuerte Barbiepuppen treten sie einzeln aus einem Aufzug, schreiten roboterhaft zwei Treppen hinab. Unten angekommen, streifen sie die Schuhe mechanisch an einer Fußmatte ab, bevor sie wieder in den Aufzug steigen, diesmal auf dem Weg nach oben.

So geht das hoch und runter, auf und ab, wieder und wieder, wie im Traum oder wie in Trance. So setzen Dortmunds Schauspielintendant Kay Voges und sein Dramaturg Alexander … Weiterlesen

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Besessene Musizierlust: Leonidas Kavakos und Enrico Pace in der Philharmonie Essen

Leonidas Kavakos, geboren 1967 in Athen, zählt zu den gefragtesten Geigern unserer Zeit. (Foto: Decca/Daniel Regan)

Leonidas Kavakos, geboren 1967 in Athen, zählt zu den gefragtesten Geigern unserer Zeit. (Foto: Decca/Daniel Regan)

Kein Glamour, kein Starkult, kein Spektakel. Leonidas Kavakos blickt beinahe ein wenig mürrisch drein, als er die Bühne der Philharmonie Essen betritt. Der berühmte griechische Geiger wirkt wie ein Mönch der Musik.

Über seiner schlichten schwarzen Kleidung hebt sich ein Gesichtsoval ab, das neben Konzentration auch die Skepsis eines Menschen spiegelt, der in der Kunst nach Wahrheit sucht. In der Hand hält er die kostbare „Abergavenny“-Stradivari, erbaut im Jahr 1724, benannt nach einem walisischen Örtchen, dessen Domherr einer der Vorbesitzer des Instruments war.

Seit drei Jahren lebt und arbeitet Kavakos mit dieser Violine. Auf ihr hat er die Gesamtaufnahme von Beethovens Violinsonaten eingespielt, für … Weiterlesen

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Ein Requiem zum 200. Geburtstag: Giuseppe Verdis Totenmesse erklingt in Essen

Giuseppe Verdi schrieb sein "Requiem" in der langen Pause zwischen "Aida" und "Otello"

Giuseppe Verdi schrieb sein „Requiem“ in der langen Pause zwischen „Aida“ und „Otello“

Am Beginn steht die Bitte um ewige Ruhe. Aber der Text der katholischen Totenmesse schildert auch die Schrecken der Apokalypse: den Tag des Jüngsten Gerichts, der alle Kreatur vor dem Urteil des Schöpfers zittern lässt.

Im 1791 komponierten Requiem von Wolfgang Amadeus Mozart strömt der Schall der letzten Posaune noch in balsamischer, letztlich tröstlicher Wehmut dahin. Nichts davon 83 Jahre später in der Vertonung von Giuseppe Verdi. Wenn ferne Trompeten von der Ankunft des höchsten Richters künden, steigern sich die Fanfaren alsbald zu einem beharrlichen Blechblas-Geschmetter, das durch Mark und Bein geht. Der Jüngste Tag („Dies irae“), schon bei Mozart ein Sturm des Schreckens, hämmert uns bei … Weiterlesen

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Flügellahmer Firlefanz: Rossinis „Italienerin“ landet in Gelsenkirchen im Regenwald

Ab nach Hause: Die Italiener haben die Nase voll vom Dschungel (Foto: Pedro Malinowski)

Ab nach Hause: Die Italiener haben die Nase voll vom Dschungel (Foto: Pedro Malinowski)

Die Stärken von Gioacchino Rossinis komischen Opern verkehren sich im heutigen Theaterbetrieb leicht in ihr Gegenteil. Wo der erfindungsreiche Bonvivant aus Pesaro einst mühelos unterhielt, wo er mit geschliffener Ironie und funkelnder Spottlust zu Felde zog, holpern und stolpern Neuproduktionen oft mühsam zwischen lahmen Gags, derben Schenkelklopfern und platten Aktualisierungsversuchen. Dann wird aus turbulenter Komik eine bunte Klamotte, aus geistreichem Vergnügen eine alberne Farce.

So ist es jetzt im Gelsenkirchener Musiktheater geschehen, das für die temporeiche Komödie „Die Italienerin in Algier“ eines der aufwändigsten Bühnenbilder hat aufbauen lassen, die es je an diesem Hause gab. Der zerborstene Flugzeugrumpf, dessen Teile in einem dichten Regenwald liegen, wanderte … Weiterlesen

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Stahlgewitter der Stimmen: Giuseppe Verdis „Don Carlo“ am Theater Dortmund

Susanne Braunsteffer als Elisabeth von Valois (Foto: Thomas M. Jauk, Stage Picture)

Susanne Braunsteffer als Elisabeth von Valois (Foto: Thomas M. Jauk, Stage Picture)

Zwei Männer versichern einander ewige Freundschaft: Don Carlo, Infant von Spanien, und der Marquis von Posa, ein Freigeist und Schwärmer, der Flandern vom Joch der spanischen Herrschaft befreien möchte. Ihr Schwur hat Giuseppe Verdi zu einem seiner hinreißendsten Duette inspiriert. Kernig im Ton, kraftvoll im Schwung und glühend in der Emphase, haftet es schon nach dem ersten Hören für immer in Herz und Sinn.

Hier aber, im Theater Dortmund, setzt jetzt das Stahlgewitter der Stimmen ein. Angeführt vom frankokanadischen Tenor Luc Robert, der in der Titelpartie sein Deutschland-Debüt gibt, schaukelt sich die vom Nationaltheater Mannheim übernommene Premiere zu einem Wettstreit der Phonstärken hoch. Luc Robert (Carlos) und Gerardo … Weiterlesen

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Die Selfmade-Sopranistin: Anne Schwanewilms singt Liederabend in Essen

Hochgewachsene Diva: Die Sopranistin Anne Schwanewilms (Foto: Javier del Real)

Hochgewachsene Diva: Die Sopranistin Anne Schwanewilms (Foto: Javier del Real)

„Alle dachten, ich spinne, und viele waren auch sauer.“ Als Anne Schwanewilms um das Jahr 2001 herum beschloss, sich vom schweren Wagner-Fach zu lösen und in einen Strauss-Sopran zu verwandeln, muss sich diese Entscheidung ziemlich einsam angefühlt haben. Dabei strebte die Stimme der gebürtigen Gelsenkirchenerin über die Jahre immer weiter nach oben.

Ihr Studium begann sie als Kontra-Alt, dann fühlte sie sich als Alt heimisch. Mitte der 90er Jahre war sie bereits ein hoher Mezzo, und ihr Lehrer Hans Sotin meinte, so solle es bleiben. Aber Anne Schwanewilms arbeitete weiter. Entdeckte neue Resonanzräume im Kopf, die plötzlich mitschwangen. Schlug Top-Angebote als Brünnhilde und Elektra an großen Opernhäusern aus, wechselte den … Weiterlesen

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Alpiner Kraftakt: Gabriel Feltz gibt seinen Einstand als neuer Dortmunder GMD

Die Alpen (Foto: Demirsoy)

Die Alpen (Foto: Demirsoy)

Kaum ein Dirigent habe länger als fünf Jahre in Dortmund gearbeitet: So behauptete Jörg Stüdemann, Kulturdezernent der Stadt, kurz nachdem er Generalmusikdirektor Jac van Steen in einem 15-Minuten-Gespräch hinausgeworfen hatte. Was der Politiker trotzig zur Normalität erklärte, ist freilich eher Teil eines spezifisch Dortmunder Problems. Seit den Dekaden von Rolf Agop und Wilhelm Schüchter sahen die städtischen Philharmoniker ihre Chefs in rascher Folge kommen und gehen, während die Dirigenten der Nachbarstädte kontinuierliche Aufbauarbeit leisteten.

Nunmehr sind Fakten geschaffen: Gabriel Feltz ist erwählt, an die kurzatmige Kette derer anzuknüpfen, die sich um das Musikleben der Stadt verdient machten. Sein Einstand in Dortmund steht im Zeichen von Naturgewalten. Wie schon 2004 bei seinem Antritt in Stuttgart, beginnt der … Weiterlesen

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Fieberträume im Opiumrausch: Auftakt zur neuen Saison im Konzerthaus Dortmund

Janine Jansen interpretierte Sergej Prokofjews 2. Violinkonzert voller Intensität (Copyright: Pascal Rest)

Janine Jansen interpretierte Sergej Prokofjews 2. Violinkonzert voller Intensität (Foto: Pascal Rest)

Jetzt fährt sie die Krallen aus. Fetzt dissonante Akkorde in die Saiten, zum scharfen Klappern der Kastagnetten. Wirft sich mit ruppigem Schwung in den derben Bauerntanz, in den Prokofjews 2. Violinkonzert mündet. Verflogen ist die grüblerische Stimmung des Beginns, vorüber sind die traumverlorenen Melodiebögen des Andante assai, in dem die Geigerin Janine Jansen ihren eleganten Violinton bis in himmlische Höhen schimmern und blühen lässt.

Hier, im Konzerthaus Dortmund, musiziert die groß gewachsene Niederländerin jetzt mit aller Vehemenz. Ihr beinahe sportives Spiel, das ihre aus dem Gesicht gebundenen Haare immer wieder nach vorne fliegen lässt, verliert selbst bei äußerstem Bogendruck auf der G-Saite nicht seine durchscheinende Qualität.

Und doch … Weiterlesen

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Entdecker gesucht: Die Ruhrtriennale 2013 beginnt mit Musik von Harry Partch

Heiner Goebbels, Komponist und Intendant der Ruhrtriennale (Foto: Wonge Bergmann)

Heiner Goebbels, Komponist und Intendant der Ruhrtriennale (Foto: Wonge Bergmann)

Heiner Goebbels hält seine Emotionen zurück. Zehn Tage vor Beginn der diesjährigen Ruhrtriennale, die vom 23. August bis 6. Oktober mehr als 800 international gefragte Künstlerinnen und Künstler und 43 Produktionen präsentiert, zeigt der Festival-Intendant kaum Spuren von Aufregung oder Anspannung. Ganz auf Inhalte konzentriert, berichtet er bei der Auftakt-Pressekonferenz in Bochum von Proben, von letzten Vorbereitungen und vom reichhaltigen Eröffnungsprogramm der ersten zehn Tage.

Aber dann ergreift es den zurückhaltenden 61-Jährigen plötzlich doch. Was er in den letzten Tagen entstehen sah, hat sichtlich tiefen Eindruck hinterlassen. Zum Beispiel der Aufbau einer Installation mit 400 Pendeln im Museum Folkwang, die der Choreograph William Forsythe in „Nowhere and everywhere“ zum Geschicklichkeitsparcours … Weiterlesen

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Morgenröte der Moderne: Wiener Philharmoniker spielen Bruckners 8. in Essen

Zubin Mehta und die Wiener Philharmoniker in Essen (Foto: Sven Lorenz)

Zubin Mehta und die Wiener Philharmoniker in Essen (Foto: Sven Lorenz)

„Es ist nicht unmöglich, dass diesem traumverwirrten Katzenjammerstil die Zukunft gehört“, konstatierte Wiens Kritikerpapst Eduard Hanslick einst verdrossen über die 8. Sinfonie von Anton Bruckner. Er beklagte die vielen Wagner-Reminiszenzen des Werks, seinen scheinbar ordnungslosen Aufbau und seine „grausame Länge“ von rund 80 Minuten.

Die Zukunftsmusik hatte Hanslick indes richtig erkannt: Bruckners harmonische Abenteuer trieben die Loslösung von der Grundtonart voran, deren Absicherung Gustav Mahler und nach ihm Arnold Schönberg schließlich ganz aufgaben.

Die Zumutungen als wegweisend zu deuten und das Werk trotz sperriger Zerklüftungen zu erschließen, scheint kaum ein Orchester berufener als die Wiener Philharmoniker. Nach seinem Gastspiel im Kulturhauptstadtjahr 2010 kehrte das weltberühmte Orchester jetzt nach Essen … Weiterlesen

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Kühle Noblesse, inneres Glühen: Julia Fischer spielt Dvořák im Konzerthaus Dortmund

Julia Fischers neue CD mit Violinkonzerten von Antonín Dvořák und Max Bruch erscheint am 15. März (Copyright: DECCA/Uwe Arens)

Julia Fischers neue CD mit Violinkonzerten von Antonín Dvořák und Max Bruch erscheint am 15. März 2013 (Copyright: DECCA/Uwe Arens)

„Wollen Sie mir ein Violinkonzert schreiben? Recht originell, kantilenenreich und für gute Geiger? Bitte ein Wort!“, schrieb der deutsche Musikverleger Fritz Simrock 1879 an den tschechischen Komponisten Antonín Dvořák. Dieser Auftrag wurde prompt übererfüllt. Dvořák schuf ein weithin leuchtendes Meisterwerk der Gattung: kraftvoll symphonisch, sehnsuchtsvoll lyrisch, spieltechnisch brillant und überströmend reich an Melodien.

Verzichtet hat der Komponist auf eine Solo-Kadenz und die damit verbundene Zurschaustellung von Virtuosität. Vielleicht ist dies einer der Gründe, warum sein Werk im Konzertsaal ungleich seltener zu erleben ist als die Violinkonzerte von Beethoven, Brahms, Mendelssohn, Sibelius und Tschaikowsky.

Eine Geigerin wie Julia Fischer kann ihre … Weiterlesen

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Die Stradivari als Flachbrett: Ray Chen im Konzerthaus Dortmund

Ray Chen 3(c)Chris Dunlop

Ray Chen (24) wurde in Taiwan geboren, wuchs in Australien auf und lebt heute in Amerika (Foto: Chris Dunlop)

Achtung, bitte anschnallen, gleich geht es los. Der zweite Satz von César Francks Violinsonate A-Dur steht bevor. Wild wird es im Konzertflügel brodeln, bevor die Violinstimme hinzu tritt: überstürzt lospreschend wie jemand, der immer gleich zwei oder drei Stufen auf einmal nimmt. Vor Leidenschaft schier taumelnd, wird sich ihr Thema vehement in die dunkelsten Farben der G-Saite wühlen.

Für den Geiger Ray Chen ist damit die Gelegenheit gekommen, als der „Junge Wilde“ hervor zu treten, als den das Konzerthaus Dortmund ihn jetzt präsentiert. Der gleichnamigen Nachwuchsreihe, der er drei Spielzeiten lang verbunden bleiben wird, kann er nun seine Reverenz erweisen.

Erwartungsgemäß … Weiterlesen

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Wagner als Schenkelklopfer: „Mnozil Brass“ im Konzerthaus Dortmund

Kinderüberraschung: "Mnozil Brass" feiert den 200. Geburtstag von Richard Wagner mit dem humoristischen Programm "Hojotoho!" (Foto: Mnozil Brass/Cartsten Bunnemann)

Kinder Überraschung: „Mnozil Brass“ feiert den 200. Geburtstag von Richard Wagner mit dem humoristischen Programm „Hojotoho!“ (Foto: Mnozil Brass/Carsten Bunnemann)

Wagalaweia, wer schnappt sich die Wurst? Das Waldvögelein wird flugs zur diebischen Elster. Auch andere Tiere entwickeln mächtig Appetit ob der Leckerbissen, die Siegfried aus seinem Wanderrucksack kramt. Zum Glück braucht es nicht viel, um den tumben Trottel abzulenken.

So wild Siegfried auch mit dem Holzschwert fuchtelt: Eine Wurst nach der anderen wird ihm gemopst. Viermal staunt er hierüber Bauklötze, dann kratzt er sich vor Verlegenheit mit dem Schwert den Rücken. Aber ach, er gerät dabei an das Eichenblatt, das Wotan ihm zuvor aufs Schulterblatt gepappt hat. Da liegt er denn tot, der traute Tor. Und das Publikum johlt vor … Weiterlesen

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Geschundenes Teufelsweib: Schostakowitschs „Lady Macbeth“ in Gelsenkirchen

Katerina Ismailowa (Yamina Maamar) wird von ihrem tyrannischen Schwiegervater unterdrückt (Tomas Möwes, Foto: Karl Forster)

Katerina Ismailowa (Yamina Maamar) wird von ihrem tyrannischen Schwiegervater unterdrückt (Tomas Möwes, Foto: Karl Forster)

26 Jahre alt war Dmitri Schostakowitsch, als er es wagte, Stalins Sowjetunion erneut den Spiegel vorzuhalten. Mit den Mitteln der Groteske wirft seine Oper „Lady Macbeth von Mzensk“ grelle Schlaglichter auf brutale Herrschaftsstrukturen und den viehisch verrohten Menschenschlag, den sie hervor bringen. Das Gelsenkirchener Musiktheater zeigt das tollkühne Meisterwerk jetzt in der Fassung, die Hausherr Michael Schulz vor anderthalb Jahren für die Bühne des Staatstheaters Kassel erarbeitete.

Die Schwärze der menschlichen Abgründe, in die Schostakowitsch uns blicken lässt, hebt sich trefflich von Dirk Beckers weißer Bühne ab, in der ein paar junge Birken Natur andeuten. Im Schlussbild senkt sich die Decke herab: Ihre kreisrunde Öffnung … Weiterlesen

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Hilflos im Hahnenkampf: „Der Troubadour“ am Theater Dortmund

Das Zigeunerleben hat seine Härten: Azucena (Hermine Mey) und Manrico (Stefano La Colla) in der Dortmunder "Troubadour"-Inszenierung (Copyright: Fotografie Bjoern Hickmann)

Das Zigeunerleben hat seine Härten: Azucena (Hermine May) und Manrico (Stefano La Colla) in der Dortmunder „Troubadour“-Inszenierung (Copyright: Fotografie Bjoern Hickmann)

Das ist nun so eine richtige Männergeschichte. Nicht wissend, dass sie Brüder sind, bekämpfen sich Graf Luna und Manrico bis aufs Messer. Das Schicksal hat sie zu politischen Gegnern gemacht, und als wäre dies nicht genug, buhlen beide auch noch um die Gunst der gleichen Frau.

Auf der Opernbühne gibt dies Anlass genug für schluchzende tenorale Liebesständchen, zorndurchbebte Racheschwüre und wuchtige Ensembleszenen, wie Giuseppe Verdi sie in seinem Meisterwerk „Il Trovatore“ zu einer wahren Glanzparade von Ohrwürmern reiht. Um das Verdi-Jahr 2013 zu feiern, hat das Theater Dortmund jetzt seine Hausregisseurin Katharina Thoma mit einer Neuinszenierung der populären Oper … Weiterlesen

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Blutiger Unernst: Einige Gedanken zu Quentin Tarantinos „Django Unchained“

Den Job des Kopfgeldjägers erlernt Django (Jamie Foxx, rechts) von Dr. King Schultz (Christoph Waltz. Copyright: Sony Pictures Releasing GmbH)

Den Job des Kopfgeldjägers erlernt Django (Jamie Foxx, rechts) von Dr. King Schultz (Christoph Waltz. Copyright: Sony Pictures Releasing GmbH)

Wie grausam und menschenverachtend die Sklaverei war, weiß heutzutage wahrscheinlich jeder. Es gab Harriet Beecher Stowes Roman „Onkel Toms Hütte“, es gab in den späten 1970er Jahren die Fernsehserie „Roots“, deren Held Kunta Kinte vielen im Gedächtnis geblieben sein dürfte. Wem also sollte es neu sein, dass brutale Auspeitschungen einst eine gängige Praxis waren und manch weißer Farmer nicht zögerte, einen geflohenen Sklaven von seinen Hunden zerreißen zu lassen?

Trotzdem ist alles etwas anders, wenn der US-amerikanische Regisseur Quentin Tarantino uns das jetzt im Kino zeigt. Das Unrecht, das uns in seinem neuen Film „Django Unchained“ entgegen tritt, ist expliziter, … Weiterlesen

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Schnee statt Feuer: Die Csárdásfürstin am Theater Dortmund

Heike Susanne Daum als Csárdásfürstin mit Peter Bording als Edwin, Sohn des Fürsten zu Lippert-Weylersheim (Foto: Thomas M. Jauk)

Heike Susanne Daum als Csárdásfürstin mit Peter Bording als Edwin, Sohn des Fürsten zu Lippert-Weylersheim (Foto: Thomas M. Jauk)

Das Regieteam ist längst in alle Winde zerstreut. Angereist sind dafür die Kostüme und das Bühnenbild: Vom Staatstheater Nürnberg wurden sie für die Premiere der Operette „Die Csárdásfürstin“ zum Theater Dortmund gebracht. Hier erhält der Besucher statt eines Programmhefts nur mehr ein mageres Faltblatt. Das sind die Folgen von Sparmaßnahmen, die das Haus in seinem Kampf um größeren Publikumszuspruch verzweifelt auszugleichen versucht.

Nach Kräften müht sich das Dortmunder Ensemble, der in Nürnberg abgespielten Produktion neues Leben einzuhauchen. Aber so viel die Akteure auch auf dem Tisch tanzen mögen: Die Inszenierung der Berliner Choreographin und Regisseurin Ricarda Regina Ludigkeit, die sich auf … Weiterlesen

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Unter dem Brennglas: „Don Carlos“ am Musiktheater Gelsenkirchen

Frankreichs weiße Lilie: Elisabeth (Petra Schmidt) wird bald nach ihrer Ankunft im Escorial in ein steifes schwarzes Kleid gezwängt (Foto: Pedro Malinowski/ MiR)

Frankreichs weiße Lilie: Elisabeth (Petra Schmidt) wird bald nach ihrer Ankunft im Escorial in ein steifes schwarzes Kleid gezwängt (Foto: Pedro Malinowski/ MiR)

Gott, welch Dunkel hier. Alle tragen schwarze Kleidung, als seien sie fortwährend in Trauer. Der Escorial, von Philipp II. als Schloss- und Klosteranlage erbaut, gleicht einer fensterlosen Gruft, einem Gefängnis mit nackten Wänden.

In dieser düsteren Szene zeigt Regisseur Stephan Märki wie unter einem Brennglas, was die Figuren in Giuseppe Verdis Oper „Don Carlos“ umtreibt. Seine Neufassung am Gelsenkirchener Musiktheater erreicht dabei schneidende Intensität.

In schlichter, aber höchst wirkungsvoller Schwarz-Weiß-Ästhetik zeigt Märki einen elementaren Kampf: Unschuld, Liebe und Hoffnung gegen Gewalt, Furcht und Depression. Die stufenweise ansteigende Spielfläche ist niederschmetternd kahl (Bühne: Sascha Gross). Hier umkreisen sich … Weiterlesen

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Die Eleganz der Grande Dame: Massenets „Manon“ am Theater Dortmund

Mädchenhafter Liebreiz: Eleonore Marguerre als Massenets "Manon" (Foto: Anke Sundermeier/Stage Picture)

Mädchenhafter Liebreiz: Eleonore Marguerre als Massenets „Manon“ (Foto: Anke Sundermeier/Stage Picture)

Selten dürfte eine Opernpremiere so unter Wert verkauft worden sein. Nahezu verschämt hatte das Theater Dortmund eine konzertante Fassung der „Manon“ von Jules Massenet angekündigt, seltsamerweise mit nur einem Folgetermin. So sah im Vorfeld nach Murks aus, was mit Fug und Recht als genussreiches Extra hätte beworben werden können, als kleine, aber feine Gala der Stimmen, gekrönt von einer fabelhaft besetzten Titelpartie.

Zu berichten ist von einem Abend der glücklichen Enttäuschungen, der unerwarteten Entdeckungen und versäumten Gelegenheiten. Beginnen wir mit Kyungho Kim als Chevalier Des Grieux, der seine Leidenschaft für die bezaubernde Manon auch stimmlich zu großer Vehemenz steigert. Der Koreaner wächst dabei über sich selbst hinaus. Er beginnt … Weiterlesen

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Zwittergestalt: „Ariadne auf Naxos“ im Aalto-Theater

"Musik ist eine heilige Kunst": Michaela Selinger als Komponist in der Essener Neuinszenierung der "Ariadne auf Naxos" (Foto: Matthias Jung)

Glühend bekundet der Regisseur Michael Sturminger im Programmheft seine Liebe zur Oper „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss. Viel von dieser Zuneigung ist im Essener Aalto-Theater zu spüren. Dort nahm sich Sturminger nach einer Produktion für das Petersburger Mariinski-Theater erneut des Zwitter-Werks an, das zwischen Tragödie und Harlekinade irrlichtert und mit ironischem Biss von seiner eigenen Entstehungsgeschichte erzählt.

Mit Hilfe der Drehbühne lässt Sturminger uns die Perspektive wechseln: Der Zuschauerraum des Aalto-Theaters leuchtet als Filmprojektion im Bühnen-Hintergrund auf, während wir Zeugen der komisch-dramatischen Ereignisse bei den Proben werden. Das mythologische Personal der „Ariadne“ trifft dabei auf Vertreter einer sehr gegenwärtigen … Weiterlesen

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Auf hohem (Preis-)Niveau: Anna Netrebko als „Jolanthe“ in der Philharmonie Essen

Anna Netrebko sang in Essen die Titelpartie aus Tschaikowskys letzter Oper "Jolanthe" (Foto:Ester Haase)

Die Erkenntnis trifft den Grafen Vaudemont wie ein Blitz. Eben noch bat er die Königstochter Jolanthe um eine rote Rose als Zeichen ihrer Zuneigung. Aber die rätselhafte Schöne reicht ihm aus dem bunten Strauß eine weiße Rose. Als der Graf insistiert, reagiert die junge Frau immer ängstlicher und verwirrter. Endlich begreift der Graf: Die Geliebte ist blind. Der Vater schirmte sie so sehr von der Außenwelt ab, dass sie selbst nichts von ihrer Blindheit weiß.

Dies ist die Schlüsselszene aus Peter Tschaikowskys letzter Oper, dem Einakter „Jolanthe“, der die Titelheldin auf dem schmerzlichen Weg vom unwissenden Kind zur liebenden Frau begleitet. Inspiriert vom Drama „König Renés … Weiterlesen

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Die Violine als Wundervogel: Carolin Widmann ist Residenzkünstlerin in Duisburg

Carolin Widmann (Foto: Marco Borggreve)

Ein musisch derart hochbegabtes Geschwisterpaar wie Jörg und Carolin Widmann hat es in Deutschland wahrscheinlich seit Felix und Fanny Mendelssohn nicht mehr gegeben.

Seit Bruder und Schwester in ihrem Münchner Kinderzimmer große Opern von Mozart und Puccini mit Stofftieren nachspielten, entwickelten sie sich zu leuchtenden Exponenten des modernen Musiklebens: Jörg zum überragenden Klarinettisten und vielfach ausgezeichneten Komponisten, dessen Werke in aller Welt gespielt werden, Carolin zur nicht minder gefragten Violin-Virtuosin, deren CD-Einspielungen mit Kritikerlob und Preisen nachgerade überschüttet wurden.

Was diese Geigerin so ungewöhnlich, ja einzigartig macht, ist in der aktuellen Konzertsaison in Duisburg zu erleben. Als Residenzkünstlerin der Duisburger Philharmoniker ist Carolin Widmann bis zum 9. Juni 2013 in insgesamt vier Konzerten zu erleben. … Weiterlesen

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Ein Mensch zerbricht: Alban Bergs „Wozzeck“ im Konzerthaus Dortmund

Johan Reuter als "Wozzeck" (Foto: Petra Coddington/Konzerthaus Dortmund)

Mit versteinertem Gesicht steht er da: Ein Bär von einem Mann, bebend, die Hände an der Hosennaht. Sichtlich gequält, aber wehrlos. Ein gefesselter Gigant, ein Vulkan kurz vor der Eruption.

Das ist Johann Christian Woyzeck, in der Oper von Alban Berg schlicht „Wozzeck“ genannt. Ein armer Soldat, der sich für ein wenig Geld krumm macht, der von seinen Vorgesetzten schikaniert und von seinen Mitmenschen mitleidlos ausgenutzt wird. Eine Kreatur wie ein geprügelter Hund.

Es hat ihn um 1800 wirklich gegeben, den Sohn eines Leipziger Perückenmachers, der aus Eifersucht zum Mörder wurde. Sein Schicksal befeuerte Georg Büchner zu seinem berühmten Dramenfragment und Alban Berg zu seiner bahnbrechenden Oper. Die Alban Berg gewidmete „Zeitinsel“ … Weiterlesen

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Kleine Ulknudel, großer Star: „Funny Girl“ am Theater Dortmund

Fanny Brice im Hochzeitsglück (Katharine Mehrling, rechts. Foto: Thomas M. Jauk/Theater Dortmund)

Hand aufs Herz: Wer hat schon eine Schwiegermutter, deren Leben Stoff für einen glamourösen Film oder ein Musical böte? Der amerikanische Filmproduzent Ray Stark, 2004 in Westhollywood verstorben, war in dieser Hinsicht ein Sonderfall.

Die Mutter seiner Frau, eine gewisse Fanny Brice, kämpfte sich mit eisernem Willen von der kleinen jüdischen Komödiantin zum großen Broadway-Star hoch. Ihr wechselvolles Leben, das manchen privaten Tiefpunkt kannte, vertonte der Komponist Jule Styne in dem Musical „Funny Girl“, dessen New Yorker Uraufführung die blutjunge Barbra Streisand 1964 über Nacht berühmt machte.

Das Theater Dortmund, das einen verlässlichen Publikumsrenner dringend benötigt, reaktivierte jetzt das Produktionsteam von „Evita“, um „Funny Girl“ wirkungsvoll in Szene … Weiterlesen

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Schwungvoller Start: Gelsenkirchens neue Ballettchefin im „Ersten Gang“

Wenn Drei um Eine buhlen: Szenenfoto aus Bridget Breiners Choreographie „Sirs“ (Copyright: Costin Radu)

33 Jahre lang stand der Name von Bernd Schindowski für den Tanz in Gelsenkirchen. Nun ist der Wechsel da: Die gebürtige US-Amerikanerin Bridget Breiner wirkt fortan als Ballettdirektorin am Musiktheater im Revier (MiR). Sie arbeitet mit einer zwölfköpfigen Compagnie und mit Gästen, die als Residenzkünstler an das Haus gebunden sind.

Von vielen neuen Gesichtern ist daher zu berichten, von frischem Schwung und von einem vielversprechenden Anfang. Der erste Tanzabend, mit dem Breiner und ihre Compagnie sich jetzt vorstellen, bietet unter dem Titel „Der erste Gang!“ nicht weniger als zehn verschiedene Choreographien. Ein „bunter Strauss“, wie von Intendant Michael Schulz angekündigt, wurde zum Glück nicht daraus. Vielmehr … Weiterlesen

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Sternstunde des Strauss-Gesangs: Anja Harteros im Konzerthaus Dortmund

Anja Harteros erntete als Strauss-Interpretin Ovationen (Foto: Pascal Amos Rest/Konzerthaus Dortmund)

Manch gefeierte Gesangsstimme unserer Tage gleicht ja einem Stück Haute Couture: Das Material ist luxuriös, die Verarbeitung aufwändig und der Zuschnitt perfekt. Es gibt aber auch Stimmen, die trotz aller Gesangstechnik im Kern natürlich geblieben sind. Stets gefährdet und gerade dadurch kostbar, lassen sie den durchgestylten Gala-Glanz mühelos erblassen.

Eine solche Stimme besitzt Anja Harteros, die jüngst im Konzerthaus Dortmund mit Liedern von Richard Strauss zu erleben war. Begleitet wurde die Sopranistin vom Concertgebouw-Orchester Amsterdam, das aufgrund einer Erkrankung seines Chefdirigenten Mariss Jansons unter der Leitung des 27-jährigen Franzosen Alexandre Bloch spielte.

Für die Tournee mit den „Königlichen“ hat die Sängerin sechs Lieder mit melancholischem Grundton ausgewählt. So beschwören … Weiterlesen

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Misstöne und orchestrale Pracht – Die Jubiläumsgala der Dortmunder Philharmoniker

Generalmusikdirektor Jac van Steen (Foto: Dortmunder Philharmoniker)

Selten dürfte einem Festredner weniger zu seinem Thema eingefallen sein. Ullrich Sierau, Oberbürgermeister der Stadt Dortmund, schien das heimische Philharmonische Orchester fremder als der Mond, als er die Jubiläumsgala im Konzerthaus mit einem Grußwort eröffnete.

Dabei hätte es zum 125-jährigen Bestehen dieses Klangkörpers viel zu sagen gegeben. Sierau hätte über die Bedeutung der Philharmoniker für die Stadt sprechen können, hätte würdigen können, wie viel die Profimusiker auch abseits von Operngraben und Konzerthausbühne leisten und wie viele von ihnen bereitwillig Schulen besuchen, an denen kaum mehr Musikunterricht stattfindet. Er hätte Auslandsreisen des Orchesters erwähnen können und dessen Funktion als kulturelle Visitenkarte der Stadt. Er hätte auch der Frage nachgehen können, warum Musik und Kunst … Weiterlesen

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Von der Last der Macht: „Boris Godunow“ im Dortmunder Opernhaus

Dimitry Ivashchenko als "Boris Godunow" in der gleichnamigen Oper von Modest Mussorgsky (Foto: M.Jauk/Stage Picture)

Diese Insignien der Macht übersteigen jedes menschliche Maß. Drei Männer braucht es, um das pelzgefütterte Prunkgewand des frisch gekrönten Zaren zu tragen. Tonnen scheint auch die mit Juwelen besetzte Mütze des Monomach zu wiegen.

Zwei Männer halten sie an Stangen in die Luft. Doch darunter ist kein Kopf. Auch der Mantel entpuppt sich als leere Hülle. Den zum Jubel abkommandierten Untertanen ist’s freilich egal. Für sie ändert sich ohnehin nur der Name der Knute, der sie sich beugen.

Solch klare und sinnfällige Bilder findet Katharina Thoma, Hausregisseurin an der Dortmunder Oper, die in ihrer Neufassung von Modest Mussorgskys „Boris Godunow“ die Schwere von Schuld und … Weiterlesen

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Entstelltes Genie: Kurt Weills „Street Scene“ am Musiktheater in Gelsenkirchen

Leben in einer schäbigen Mietskaserne: Das Ehepaar Maurrant (l. Joachim Gabriel Maaß und Noriko Ogawa-Yatake) und Tochter Rose (Dorin Rahardja, r. Foto: MiR/Pedro Malinowski)

Den Blick für das Leid der Unterprivilegierten, Unterdrückten und Verfolgten verlor der Komponist Kurt Weill auch nach seiner Flucht aus Nazi-Deutschland nicht. In den USA musste der Schöpfer der „Dreigroschenoper“ sich freilich anpassen, um Erfolg zu haben.

Nach intensiven Studien amerikanischer Folksongs und der Jazzmusik unternahm der Einwanderer das Wagnis, eine originär „Amerikanische Oper“ schaffen zu wollen, die für ihn nur aus der populären Musik des Landes hervorgehen konnte.

Mit größter Energie arbeitete Kurt Weill an „Street Scene“, inspiriert vom gleichnamigen Drama von Elmer L. Rice, das 1929 den Pulitzer Preis erhielt. Die Handlung, Mitte der … Weiterlesen

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Vom Fluch frühen Ruhms: Der Pianist Jan Lisiecki im Konzerthaus Dortmund

Jan Lisiecki (17) gab im Konzerthaus Dortmund seinen Einstand in der Nachwuchsreihe "Junge Wilde" (Copyright: DG/Mathias Bothor)

Scheu vor seinem Publikum kennt Jan Lisiecki offenbar nicht. Mit volltönender Stimme, die im Konzerthaus Dortmund auch ohne Mikrofon bis in die letzten Reihen dringt, erläutert der 17-jährige Pianist kurz sein Programm, bevor er sich an den Flügel setzt. Das wirkt souverän und weckt Sympathien, die der Blondschopf als neuer Nachwuchskünstler in der Reihe „Junge Wilde“ ohnehin auf seiner Seite haben dürfte.

Ein Kinderspiel ist Lisieckis Auftritt deshalb noch lange nicht. Denn er stellt sich im gleichen Moment übergroßen Erwartungen, geweckt von der künstlich aufgeregten Werbekampagne einer Plattenindustrie, die den im kanadischen Calgary geborenen Sohn polnischer Eltern so hartnäckig wie bedenkenlos als „Wunderkind“ … Weiterlesen

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Wortmusik: Robert Wilson liest John Cage bei der Ruhrtriennale

Komponist, Zen-Buddhist, passionierter Pilzsammler: John Cage wäre am 5. September 100 Jahre alt geworden (Copyright: Rex Rystedt)

Die Sehnsucht nach vollkommener Stille, die der amerikanische Komponist John Cage im schalltoten Raum der Harvard-Universität suchte und aufgrund körpereigener Geräusche doch nicht fand, führte 1952 zu seinem epochalen Werk 4’33’’, in dem nicht ein einziger Ton erklingt. Zwei Jahre vor der Uraufführung durch den Pianisten David Tudor hatte Cage die Grundzüge seines Denkens und Schaffens in seinem „Vortrag über nichts“ skizziert.

Der Sprachduktus folgt dabei einem strengen rhythmischen Muster: Cage schrieb eine Wortmusik, ein Duett zwischen Stimme und Stille, in dem es um nichts geht, oder wahlweise um alles. Tiefgründig Philosophisches trifft auf clowneske Alberei, zen-buddhistische Gelassenheit auf das nachgerade zwanghafte Aufzählen … Weiterlesen

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Selbstbestimmte Erdbeeren: Meine erste dOCUMENTA

Weltgeschichte auf Schilfgras: Für den "Zeitstrahl" von Geoffrey Farmer bilden sich auf der dOCUMENTA Warteschlangen (Copyright: Anders Sune Berg)

Spottet nur, ihr Daheimgebliebenen. Fragt ruhig ironisch, ob schon ein paar selbstbestimmte Erdbeeren oder herrschaftsfreie Hunde aufgetaucht seien, die von der dOCUMENTA-Chefin Carolyn Christov-Bakargiev als Beispiele für einen Themenschwerpunkt der diesjährigen Ausstellung genannt wurden – was prompt einen kleinen Medienwirbel verursachte. Eure Häme kümmert mich nicht. Mich treibt das dringende Bedürfnis nach intellektueller Herausforderung nach Kassel.

Den vorgefertigten Meinungen vieler Medien, die ihre Leser zunehmend für dumm verkaufen, will ich mich lustvoll widersetzen. Ich will mich Neuem öffnen, und wenn dies dazu gehört, gerne auch ratlos vor Installationen stehen, deren Bedeutung sich mir nicht erschließt. Ich will mich wehren gegen das … Weiterlesen

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Kleine Nixe mit großer Sehnsucht – Dvořáks Märchenoper „Rusalka“ in Gelsenkirchen

Wasser ist ihr Element: Petra Schmidt als Nixe "Rusalka" in der gleichnamigen Märchenoper von Antonin Dvorak. (Copyright: Pedro Malinowski/MiR)

Wasser ist ihr Element: Petra Schmidt als Nixe „Rusalka“ in der gleichnamigen Märchenoper von Antonin Dvorak. (Copyright: Pedro Malinowski/MiR)

Worte eines ewig Unbehausten komponierte Franz Schubert einst seinem „Wanderer“ in die Kehle. „Die Sonne dünkt mich hier so kalt / die Blüte welk, das Leben alt / Und was sie reden, leerer Schall / Ich bin ein Fremdling überall.“

Ähnlich sieht Elisabeth Stöppler die Titelheldin aus Antonín Dvořáks Märchenoper „Rusalka“. Die Regisseurin, viel gerühmt für ihre Britten-Deutungen am Gelsenkirchener Musiktheater, nimmt sich dort jetzt der kleinen Nixe mit der großen Sehnsucht nach der Menschenwelt an. Wie diese Welt aus der Perspektive eines Naturwesens aussieht, zeigt Stöppler in einem verstörenden, zunehmend düsteren und blutigen Bilderbogen. Rusalka sucht Glück und erfährt Leid, … Weiterlesen

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Schubert-Abend von Tzimon Barto in Essen: Exerzitien der Stille

Tzimon Barto spricht fünf Sprachen fließend, lernt Mandarin und schreibt an seinem literarischen Riesenwerk "The Stelae". Der Pianist, der den Tod zweier Söhne verkraften musste, lebt auf einer Ranch in Florida. (Foto: Eric Brissaud)

Ein einsamer Lichtstrahl schneidet den Konzertflügel aus der Dunkelheit heraus. Die Tür zur Bühne öffnet sich. Herein schreitet ein hünenhaft großer, vom jahrzehntelangen Bodybuilding gestählter Amerikaner.

Tzimon Barto, seit den 1980er Jahren quasi ständiges Mitglied im Kreis der internationalen Pianisten-Elite, geht langsam zum Instrument. Die Zeichen stehen auf Kontemplation. Barto ist im Begriff, seinen Beitrag zur Schubert-Reihe der Philharmonie Essen zu leisten.

Dafür lässt er sich Zeit. Viel Zeit. Eine Stunde und fünfzehn Minuten benötigt er für drei „Moments musicaux“ und die Sonate G-Dur D 894. … Weiterlesen

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Hollywoods vergangener Charme

George Valentin (Jean Dujardin) kann noch nicht ahnen, dass Peppy Miller (Bérénice Bejo) ihm schon bald den Rang ablaufen wird. Das kesse Groupie steigt zur Diva des neuen Tonfilms auf. (Copyright: Delphi Filmverleih)

Einen Stummfilm über einen Stummfilm-Star zu drehen, der sich im Hollywood der ausgehenden 1920er Jahre dem Übergang zum Tonfilm verweigert, klingt in Zeiten computeranimierter Fantasy-Epen und fortschreitender 3D-Experimente fürwahr nach einem tollkühnen Unterfangen.

Der französische Regisseur Michel Hazanavicius hat genau dies im Jahr 2011 gewagt. Und Wunder über Wunder: Der 100 Minuten lange Schwarzweiß-Streifen, der fast ohne Geräusche auskommt und Sprache nur als kurze Zwischentitel einblendet, erhielt seither mehr als 30 internationale Auszeichnungen, darunter drei Golden Globe Awards, und ist bei der Oscar-Verleihung am 26. Februar in … Weiterlesen

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„Così fan tutte“ in Dortmund: Eine Tragödie voller Heiterkeit

Zarte Blüten der Zuneigung entdeckt Fiordiligi (Eleonore Marguerre) für Ferrando (Lucian Krasznec. Foto: Thomas M. Jauk/Stage Picture)

Von einem bösen Menschenexperiment erzählt Mozarts Oper „Così fan tutte“, in der ein zynischer Philosoph zwei verliebte junge Männer in eine perfide Wette um die Treue ihrer Freundinnen treibt. Im Theater Dortmund schwebt das zweiaktige „Dramma giocoso“ jetzt licht und anmutig über mephistophelische Abgründe. Intendant Jens-Daniel Herzog hat seine vor acht Jahren am Nationaltheater Mannheim erarbeitete Fassung erfolgreich für Dortmund aufpoliert.

Auf dem Drahtseil zwischen Posse und Tragödie hält die Produktion sicher die Balance. Sie neigt zuweilen dem Klamauk zu, gleitet aber nie vollends in die Klamotte ab. Lieber hält sie sich an Mozarts heitere Liebenswürdigkeit, die alle Figuren gelten lässt und niemals … Weiterlesen

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Großstadt-Triptychon in Gelsenkirchen: Glanz und Elend der Zwanziger Jahre

Menschen auf engem Raum: Szene aus „Leben in dieser Zeit“ von Edmund Nick auf Texte von Erich Kästner (Foto: MiR/Pedro Malinowski)

So geht es den Trägern berühmter Namen: Was einerseits Türen öffnen kann, weckt andererseits Erwartungen, die nicht selten zur hohen Messlatte werden. Im Gelsenkirchener Musiktheater stand jetzt das Großstadt-Triptychon des Malers Otto Dix Pate für einen gleichnamigen Abend, der drei Opern-Einakter verschiedener Komponisten mit Hilfe des Tanzes zu einem Panorama der goldenen Zwanziger Jahre verbinden sollte.

Dabei haben „Zeus und Elida“ von Stefan Wolpe, „Leben in dieser Zeit“ von Edmund Nick und das „Mahagonny-Songspiel“ von Kurt Weill kaum mehr gemein als die Entstehungszeit. Stefan Wolpes 1928 uraufgeführtes Werk ist eine Groteske, in der Zeus auf der Suche nach Europa … Weiterlesen

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„La Traviata“ in Gelsenkirchen: Von der Unbarmherzigkeit der Menschen

Am Boden: Die Kurtisane Violetta Valéry (Alexandra Lubchansky), Titelheldin aus Verdis Meisterwerk "La Traviata" (Foto: MiR/Karl Forster)

Wie vor einer Aussätzigen wechselten die Menschen die Straßenseite, wenn Giuseppina Strepponi durch das norditalienische Städtchen Busseto ging. Niemand sprach mit ihr, aber alle über sie: Über die Sängerin mit diversen Affären und drei unehelichen Kindern, die an Schwindsucht litt und ohne Trauschein mit dem Komponisten Giuseppe Verdi zusammen lebte. Vielleicht war sie „die wahre Traviata“, wie Gaia Servadio in seiner gleichnamigen Biographie behauptet. Die unbarmherzige Härte der bürgerlichen Gesellschaft bekam die Strepponi jedenfalls zu spüren.

Um diese Grausamkeit geht es Gelsenkirchens Opernintendant Michael Schulz, der die Titelheldin aus Verdis „La Traviata“ in seiner jüngsten Inszenierung gleichsam von Schuld freispricht. Fragwürdig erscheint ihm … Weiterlesen

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