Spukhafte Schraffuren – Werkschau über Paul Flora in Münster

Von Bernd Berke

Münster. Als Karikaturist der Wochenzeitung „Die Zeit“, auf deren Titelseite er von 1957 bis 1971 präsent war, ist er weithin bekannt geworden. In welchen kunstgeschichtlichen Zusammenhhängen Paul Flora (63) und seine filigranen Federzeichnungen stehen, macht jetzt eine Retrospektive im Westfälischen Landesmuseum Münster mit über 200 Exponaten deutlich (ab Sonntag, bis 18. August, Katalog 18 DM).

Schon die skurrilen Erfindungen der frühen Jahre – gezeigt werden Arbeiten ab 1940 – verdanken sich jener johen Kunst des Weglassens und dem lakonisch-souveränen Spiel mit Form und Linie, über die Flora später fast nach Belieben verfügte. Manche Blätter führen auf die Spur eines gewichtigen künstlerischen Ahnherrn: Paul Klee. Den Blick fürs abseitig-groteske Detail und immerwährende Todedrohung schärfte der Österreicher Flora eingestandenermaßen bei Alfred Kubin.

Aus gespinstartigen Schraffuren, deren mal akkurates, mal mal wirres Geflecht außerordentlich differenzierte Schattierungen ergibt, schichtet Flora ganze Bilder auf. Die hauchfeinen Linienkaskaden verdichten sich zu präzisen Augenblicks- und Zustands-Schilderungen. Auch wenig greifbare Phänomene wie Nebelschwaden nehmen so spukhafte Gestalt an. Und die verhaßten Militärs erscheinen da auch schon mal als pflanzlich-ornamentale Strukturen.

Floras makabre Ader tritt u. a. in seiner „Dracula“-Serie hervor, aber auch in zielsicher hingeworfenen Chaos-Studien wie dem „Eisenbahnattentat“ (1958) oder dem „Unhold als Menschenschlächter“.

Flora schritt nicht den ganzen Themenkreis der Kunst aus, sondern wählte enge Bezirke, deren bildnerische Möglichkeiten er (zuweilen obsessiv) in allen Nebenverästelungen ausschöpfte. Beispiele dafür sind eine subtile Serie über Könige, die in Sänften getragen werden, sowie sein düsteres „Markenzeichen“: der Rabe, der in ungezählten Variationen auftaucht, auch als Schnabelmaske mittelalterlicher „Pestärzte“.

Ein großer Teil der Ausstellung widmet sich natürlich den politischen Karikaturen für „Die Zeit“, deren tagesaktuelle Anlässe zwar verblaßt sind, deren formale Grundlagen und Qualitäten aber hier, im Kontext des Gesamtwerks, erst recht verblüffen.

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Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
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