Von Bernd Berke
Wuppertal. Der „Kleinen Musikantin“ wächst das Instrument schier aus dem Körper heraus. Ihr Arm formt sich zum Rahmen einer Leier, deren Saiten wie Haare aus dem Mädchenkopf sprießen. So sinnlich, ganz in ihre Körperlichkeit eingesponnen und ohne alle intellektuelle Überformung, erscheinen die Skulpturen des Henri Laurens.
Laurens (1885-1954), an dessen Werk jetzt mit einer beachtlichen Retrospektive im Wuppertaler Von der Heydt-Museum erinnert wird, gehört zu den ganz Großen in der Bildhauerei dieses Jahrhunderts. So unaufdringlich wie seine Skulpturen war er jedoch auch selbst: Der Arbeitersohn, der nach einer Dekorateurslehre als Steinmetz arbeitete, blieb klaglos im Schatten seiner berühmten Freunde, darunter Pablo Picasso, Juan Gris und Georges Braque. Von diesem „Dreigestirn des Kubismus nahm er natürlich Anregungen auf. Zunächst zeichnerisch, dann in Reliefs und Plastiken bildet er die aufgesplitterte Perspektive der Kubisten nach. Das ganze „Inventar“ kubistischer Bilder ist da versammelt, freilich immer mit einem – mitunter beinahe leichtfertigen – Zug ins Spielerische.
Sehr bald löste sich Laurens denn auch von seinen Vorbildern. Seine Figuren gewinnen zunehmend an Fülle und Rundung, sie schwellen gleichsam lustbetont an. Vor allem mit seinen zahlreichen Frauengestalten gelingt es Laurens, die unterschiedlichsten Stimmungslagen als Körperausdruck hervortreten zu lassen. Die voluminöse „Große Badende“ (1947) vermittelt mit herbem Charme das Behagen eines Sommertages, „Die Woge“ (1932) ist gleichermaßen Studie über Meeresbewegung und Frauengestalt.
In Wuppertal ist nachzuvollziehen, wie Laurens seine formalen Erfindungen immer wieder überprüft hat, indem er viele Motive als Zeichnung, als kleine und als große Plastik (rund 50 Skulpturen, vornehmlich Bronzen und Terrakotten, sind zu sehen) variierte.
Museumsleiterin Dr. Sabine Fehlemann hat die Ausstellung, die schon in Hannover gezeigt wurde, unter finanziellen Mühen nach Wuppertal geholt und um einige Akzente verändert. Sie legt großes Gewicht aufs zeichnerische und graphische Werk von Laurens. Interessant sind vor allem die (beharrlich auf antike, nicht aber auf christliehe Themen zurückgreifenden) Buchillustrationen, etwa zu Homers „Odyssee“. Viele Zeichnungen, oft traumhaft zielsicher in wenigen Schwüngen „hingeworfen“, streifen lustvoll die Grenze zur Karikatur.
Henri Laurens, Von der Heydt-Museum Wuppertal, bis 22.9. (mi-so 10-17 Uhr, di 10-21 Uhr), Katalog 38 DM.