Ostwall-Museum: Umschwung mit Kirchner

Von Bernd Berke

Dortmund. Spür- und sichtbarer Umschwung im Dortmunder Ostwall-Museum: Nachdem Ex-Museumschef Thiemann ausgeschieden ist, werden unter der Ägide seines kommissarischen Nachfolgers, des neuen Dortmunder Kulturdezernenten Dr. Gerhard Langemeyer, schon einige Wände neu getüncht; ein Ausstellungsraum im ersten Stock ward weihevoll mit weißem Vorhang gedämpft. Außerdem verfügt das Haus nunmehr über Luftbefeuchter – ein Umstand, der womöglich manchen potentiellen Leihgeber davon überzeugen könnte, daß sein Besitz in Dortmund gut aufgehoben ist.

Brandeilig, in nur drei Monaten, hat Langemeyers Team (Sonja-Anna Meseure, Dietmar Elger) seine erste eigene Ausstellung besorgt und lockt gleich mit einem großen Namen: 79 Arbeiten des „Brücke“-Künstlers Ernst Ludwig Kirchner, vorwiegend Aquarelle, Pastelle und Zeichnungen, werden ausgebreitet. Der Anteil des Eigenbesitzes beschränkt sich auf sechs Graphiken und drei Gemälde, die nun gleichsam von den Leihgaben „kommentiert“ werden. Letztere kommen u. a. aus Stuttgart, Hannover und Düsseldorf. Die Präsentation gliedert sich, von unvermeidlichen Überlappungen abgesehen, in vier Bereiche: Stadtlandschaften, natürliche Landschaften (Davos, Fehmarn), Tierdarstellungen und Menschenbilder (vor allem Frauenbilder und bäuerliche Figuren).

Man hat hier – in komprimierter Form – wesentliche Aspekte der Kirchnerschen Entwicklung vor sich. Der Umkreis des frühen Kirchner ist in einer Vorstudie zu seinem berühmten Bild „Die Maler der Dresdner Künstlergruppe Brücke“ präsent. Von Au1fbruchstimmung und Naturbezüglichkeit dieser Gruppe zeugen etwa Aktdarstellungen, die in freier Landschaft entstanden. Gerade anhand der Akte können Steilwandlungen nachvollzogen werden – von den fiebrigem, splittrig-aggressiven Bildern der Berliner Zeit (anonymisierender Bild-Titel: „Personen auf der Straße“) bis zu schwellend-ornamentalen Formen unter dem Einfluß Pablo Picassos. Auch die Beziehungen zu Frauen veränderten jeweils die persönliche und bildnerische Grundstimmung. Großartiges Beispiel dafür, wie Kirchner bereits durch subtile Schwarz-, Grau- und Weißabstufungen eine Tiefenstaffelung im Bildraum erzielt, ist die Arbeit „Nebel in den Bergen“ (1935/36).

21.12.86 bis 15.2. 1987. Täglich außer montags 10-18 Uhr; Heiligabend, 25.12. und Silvester geschlossen; am 26.12. und 1.1. von 10-18 Uhr geöffnet. Katalog 15 DM.

image_pdfPDF öffnen / Open PDFimage_printDrucken / Print
Visited 3 times, 1 visit(s) today

Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.
Dieser Beitrag wurde unter Kunst & Museen abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.