Monatsarchive: Januar 1989

„DGB muß der Kultur mehr Stellenwert geben“ – WR-Gespräch mit dem scheidenden Geschäftsführer der Ruhrfestspiele

Von Bernd Berke

Recklinghausen. „Der Deutsehe Gewerkschaftsbund muß der Kultur endlich mehr Stellenwert einräumen als bisher.“ Das forderte gestern, in einem Gespräch mit der Westfälischen Rundschau, der scheidende DGB-Geschäftsführer der Ruhrfestspiele, Dr. Fred Eckhardt.

Mit seiner Forderung benennt Eckhard, der nach zwölf Jahren in Recklinghausen um Lösung seines Vertrags bat (WR berichtete), zugleich einen Hauptpunkt, der ihn zu diesem Schritt bewogen hat. Seine Entscheidung, so Eckhard, habe subjektive und objektive Gründe. Subjektiv: Als künftiger Leiter einer Berufsfachschule für Theatertanz und Theaterpädagogik könne er in seine alte Heimatstadt Hamburg zurückkehren und endlich wieder vorwiegend künstlerisch tätig sein.

Doch nicht nur persönliche Interessen sind der Grund für den Wechsei. Eckhard: „Die Sparzwänge bei den Ruhrfestspielen sind in den letzten Jahren immer mehr … Weiterlesen

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Der dumpfe Untergrund bürgerlicher Spießigkeit – Kotzebues „Die deutschen Kleinstädter“ in Wuppertal

Von Bernd Berke

Wuppertal. Goethe, in Weimar auch Theaterdirektor, wußte, warum er mehr Stücke von August von Kotzebue als etwa von Schiller spielen ließ. Weil, so befand Goethe, Kotzebue uns Mittel „in die Hand gegeben hat, die Zuschauer zu unterhalten und der Kasse zu nutzen“.

Das Kassen-Argument wird auch in Wuppertal eine Rolle gespielt haben. Dies ist legitim, aber ist es auch hinreichend, um Kotzebue (1761-1819) heute noch mit Zipfelmützen und Schlafröcken zu spielen, ganz so, als müsse es uns lediglich um „Die deutschen Kleinstädter“ (Stücktitel) von Anno 1800 gehen?

Titelsucht, Prinzipienreiterei, Engstirnigkeit, Kleinigkeitskrämerei, lachhafter (Lokal)-Patriotismus und eine „christliche“ Moral, die man festtags wie eine Monstranz vor sich herträgt, während man alltags als Prozeßhansel um Nichtigkeiten streitet – das alles … Weiterlesen

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Was Künstler aus Würfeln machen können – Hagener Ausstellung mit spielerischen Akzenten

Von Bernd Berke

Hagen. Der eine Würfel kann aufgeklappt werden, bis sich nur noch eine hölzerne Linie über den Fußboden erstreckt, ein zweiter blockiert bedrohlich einen Treppenaufgang, ein dritter hat fensterartige Öffnungen und wird so zum Würfelhaus, im vierten leuchtet ein Gedicht-Text als geisterhaftes Hologramm.

Der Würfel ist, das erfährt man jetzt in einer sehenswerten Ausstellung des Hagener Osthaus-Museums, kein simples und einförmiges Ding. Rund 60 Arbeiten von 37 Künstlern (darunter so hoch gehandelte wie Sol Lewitt und Tony Smith) belegen die Wandelbarkeit des scheinbar profanen Urthemas.

Für die Schau „Aus dem Würfelmuseum“ wurden ausschließlich Künstler geholt, die sich ausführlich mit Kubus-Themen befaßt haben. Daß sie über diese Formen lange nachgedacht haben, merkt man vielen Arbeiten auf den ersten Blick … Weiterlesen

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Wanderer zwischen den Malstilen – Bilder von Hans Platschek in Essen

Von Bernd Berke

Essen. Vom vielbeschworenen „Zeitgeist“ hat sich der Maler Hans Platschek zwar anregen, nie aber vereinnahmen lassen. In Kunsttheorie (und funkelnder Kunstpolemik) viel zu beschlagen, um neuesten Stimmungen leichtfertig nachzugeben, hat er seit Beginn der 50er Jahre eine vordergründig schlüssige Werk-Entwicklung gleichsam „verweigert“ und sich in vielerlei Stilen umgetan.

Wie jetzt eine Ausstellung des Essener Folkwang-Museums belegt, gab es immer einen „roten Faden“ in Platscheks Werk: Stets spielte Figürlichkeit eine Rolle, sogar in der produktivsten Phase ab der Mitte der 50er Jahre, in der Platschek (damals documenta- und Biennale-Teilnehmer) mit dem – bei anderen Kütistlern völlig gegenstandsabstinenten – Informel experimentierte. Selbst diese scheinbar „wilden“ und spontanen Bilder sind bei Platschek keine chaotischen Mal-Orgien; der Anfangs-Impuls wird eingefaßt in … Weiterlesen

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Malen am Abgrund der Seele – Zum Tod von Salvador Dalí

Ich selbst weiß nicht, was meine Bilder bedeuten“, soll er einmal bekannt haben. Und in Anspielung auf seine exzentrischen Eskapaden:„Gäbe es 200 Dalís, wäre das Leben auf der Erde unmöglich.“ Salvador Dali, am 11. Mai 1904 in Figueras bei Barcelona geboren, eine der Leitfiguren des Surrealismus, ist tot.

Er war so bekannt wie unter den Malern dieses Jahrhunderts allenfalls noch sein Landsmann Pablo Picasso. Das Inventar seiner Bilder – brennende Giraffen, zerfließende Uhren, endlos weite Sandflächen, Menschen mit bizarren Krücken und Schubladen im Körper – ist visuelles Allgemeingut geworden; genau wie sein Erkennungszeichen, die „Antennen zum Außerirdischen“ (Dalí), also die hochgezwirbelten Schnurrbartspitzen.

Seine Person beschäftigte Befürworter und Gegner meist mehr als seine Kunst. Ob der Mann nicht eher ins „Irrenhaus“ … Weiterlesen

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„Denkmalschutz“ für das Sauerländer Platt – Wörterbuch-Autoren zu Besuch bei der Rundschau

Eigener Bericht

Arnsberg/Dortmund. (bke) „Roter Hund, raus!“ – ein Testsatz, der es in sich hat. Auf Sauerländisch Platt lautet er: „Räoe Ruie riut!“ Wer die halsbrecherische Folge kehliger R’s und die Diphtonge (Zwielaute wie „äo“ oder „iu“) nicht einwandfrei hinbekommt, der kann auch kein „Platt“ – zumindest nicht die kurkölnisch-sauerländischen Variante, wie sie im Hochsauerlandkreis und im Kreis Olpe „gekuiert“ (gesprochen) wird.

So richtig können es ja eigentlich nur noch die Alteingesessenen. Vor allem ältere Mitarbeiter waren es auch, die, auf Anregung des Sauerländischen Heimatbundes, von 1982 bis 1988 die Fleißarbeit für ein „Plattdeutsches Wörterbuch für das kurkölnische Sauerland“ leisteten. Das Ende 1988 erschienene Buch (Strobel-Verlag, Arnsberg, 272 Seiten; 24,80 DM) hat Erfolg. Die Startauflage von 1500 Stück war im … Weiterlesen

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Bilder einer vernetzten Welt – Arbeiten Gustav Deppes aus Wittener Eigenbesitz

Von Bernd Berke

Witten. Der Himmel ist vernetzt und verbaut. Riesige Hafenkräne, die Röhren einer Raffinerie und immer wieder turmhohe Strommasten – der Horizont ist voller Lineaturen, Kreuz- und Querverstrebungen.

Diese Linien verselbständigen sich, ihre Verflechtungen werden – das bietet sich bei diesem Motiv einfach an – bis zur Grenze der Abstraktion vorangetrieben. Was einst, gleich nach 1945, vielleicht auch als Verheißung einer technisch bestimmten Ästhetik und als Bekräftigung des allgemeinen Aufbauwillen gedacht war, ist heute zur Not auch als Zeichensystem der Bedrohung „lesbar“. So betrachtet, haben die damaligen Bilder Gustav Deppes auch heute noch ihre Aussagequalität.

77 Arbeiten Deppes aus den Jahren 1936-1961, den gesamten Eigenbesitz, zeigt jetzt (bis 5. März, Katalog 20 DM) erstmals das Märkische Museum der … Weiterlesen

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Ein Mann spielt um sein Leben – Tankred Dorsts „Ich, Feuerbach“ am WLT

Von Bernd Berke

Schäbige Theaterwelt: Wie Gemmpel türmen sich die Requisiten, alles wirkt wie „von gestern“, als sei die Farbe abgeblättert. Aus Schweigen und Finsternis – wie am ersten Schöpfungstag – taucht einer auf, der hierher paßt: schlecht sitzender Anzug, abgetragene Schuhe, loser Schlips — eine leicht „verrutschte“ Figur, umgeben von einem Hauch der Verwahrlosung.

Der Mann heißt Feuerbach, ist Schauspieler und zum Vorsprechen geladen. Doch der Regisseur, ein gewisser Lettau, läßt – fast wie Becketts „Godot“ – auf sich warten, nur sein Assistent ist da. Daraus entwickelt sich in Tankred Dorsts Stück „Ich, Feuerbach“, das jetzt im Studio des Westfälischen Landestheaters (WLT) Premiere hatte, ein Quasi-Monolog.

Feuerbach spielt – zwei Stunden ohne Pause – um sein Leben. Sogar vor … Weiterlesen

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Mit Mathematik zum Mythos – Bilder von Johannes Itten im Essener Folkwang-Museum

Von Bernd Berke

Essen. Eine Komposition in doppelter Hinsicht: Das Bild „Der Bachsänger“ (1916) scheint – wie ein Musikstück des Meisters – aus Akkorden, Intervallen und Kontrapunkten gefügt zu sein; doch es erklingen hier nicht Töne, sondern Farben und Formen. Johannes Itten (1888-1967) hat, wie kaum ein anderer Künstler, seine Mittel systematisch, ja mit geradezu mathematischer Genauigkeit entwickelt.

Bis heute ist Itten vor allem als Kunstlehrer und Theoretiker bekannt. Daß er auch ein passionierter Künstler gewesen sei, will jetzt das Essener Folkwang-Museum mit einer Ausstellung ins Gedächtnis zurückrufen, die sich auf Ittens Jahre in Stuttgart, Wien und am Bauhaus in Weimar (insgesamt: 1913-23) konzentriert.

Nicht nur Gemälde und Zeichnungen sehen, sondern auch zahlreiche Tagebuchseiten und Briefe, aus denen die Genese … Weiterlesen

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