Archiv der Kategorie: Musik & Konzert

Deklamationen am Rande der Kohlenhalle – Johan Simons inszeniert in Marl „Die Fremden“

Kamel Daoud, György Ligeti, Mauricio Kagel, Reinbert de Leeuw, Johan Simons, Aernout Mik: Die Fremden/ Ruhrtriennale 2016

Sandra Hüller (rechts), weitere Mitwirkende (Foto: JU/Ruhrtriennale)

In seinem Roman „Der Fremde“ läßt Albert Camus den Franzosen Meursault in Algerien einen einheimischen Mann ermorden, der namenlos bleibt. Für den Gang der Geschichte ist das sinnvoll, aber etwas kränkend für die arabische Seele war es offenbar auch. Vor wenigen Jahren – auf Deutsch erschien das Buch im Februar – hat der algerische Schriftsteller Kamel Daoud seine Version der Camus-Geschichte verfaßt: „Der Fall Meursault – eine Gegendarstellung“.

Daoud erzählt den Plot aus der Perspektive der Familie des Opfers, das hier den Namen Moussa trägt. Sein Bruder, ein alter Mann mittlerweile, erinnert sich, und Camus’ Geschichte über einen vorgeblich zufälligen Mord wird zu einem Lehrstück über Kolonialismus, Rassismus, Identität, über Verhältnisse kurzum, deren … Weiterlesen

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Endlich Dortmund: Ruhrtriennale-Konzert in der Jugendstilhalle der Zeche Zollern

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MusicAeterna aus Perm beim Auftritt in der Dortmunder Jugenstil-Halle (Foto: Martin Steffen/Ruhrtriennale)

Es hat wirklich lange gedauert. 2002 fand die erste Ruhrtriennale statt, die Anfänge des Westfälischen Industriemuseums reichen in die 80er Jahre zurück. Doch erst in diesem Jahr haben die beiden kulturellen Großprojekte des Reviers intensive Berührung miteinander.

Das wohl berühmteste Gebäude des Museums, die jüngst renovierte Jugendstilhalle der Zeche Zollern in Dortmund-Bövinghausen, wurde zum Aufführungsort für ein bewegendes Konzert von „MusicAeterna“ aus Rußland. Neben viel Bochumer Jahrhunderthalle und Duisburger Landschaftspark und etlichen weiteren, vorwiegend im westlichen Ruhrgebiet gelegenen Spielstätten (was sämtlich nicht zu kritisieren ist) nun also endlich auch Dortmund. Und einmal mehr ist man geneigt, dem Intendanten des Festivals Johan Simons dafür zu danken, daß er keinen … Weiterlesen

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Mit Glucks „Alceste“ und Theater in der Moschee: Ruhrtriennale startet am 12. August

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Pressegespräch in karger Halle. Intendant Johan Simons sitzt in der Mitte. (Foto: Pfeiffer)

„Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ hat Johan Simons auf seine Programmhefte geschrieben, „Alle Menschen werden Brüder“ zitiert er Schiller in seiner Ansprache an das (Abonnenten)-Volk, und auch die Zeile „Seid umschlungen, Millionen“ aus desselben Dichters Feder findet Eingang in seinen Zitatenschatz.

Wenn unsereiner bei diesen Worten möglicherweise eher an die Panzerknackerbande aus den Mickymausheften der 60er Jahre und deren geniale Texterin Dr. Erika Fuchs denkt, die Disneys Mäusen und (mehr noch) Enten deutsche Klassik in die Sprechblasen schrieb, so ist dies ein anderes Thema.

Aufklärung und Humanismus

Johan Simons jedenfalls, nunmehr im zweiten Jahr Intendant der Ruhrtriennale, wähnt sich in seiner Programmgestaltung der Aufklärung und dem Humanismus verpflichtet, aber … Weiterlesen

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Ohne Schock-Orange – Programmheft der Dortmunder Philharmoniker in dezenter Optik

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Dunkel der Gesamtspielplan des Theaters Dortmund, weiß der der Philharmoniker. (Foto: rp)

Kurz bevor sich Dortmunds Theaterbetrieb in die Sommerpause verabschiedete, lag noch ein Spielplanheft der Philharmoniker im Briefkasten. Der Anlaß für die Herausgabe dieses Heftes erschließt sich automatisch nicht, scheint doch das Programm unverändert geblieben zu sein. Gedruckt liegt es also schon seit der letzten Spielplan-Präsentation vor, als der dicke Gesamtplan verteilt (und hernach verschickt) wurde, der die Aktivitäten aller Sparten auflistet, neben den Konzerten also Schauspiel, Oper, Ballett und Kinder- und Jugendtheater.

Leistungsbeweis

Weil sie in der Pressestelle jetzt ja alle in Urlaub sind, bleibt für den Erkenntnisgewinn nur die Spekulation. Spekulation eins: Der Spielpan der Philharmoniker soll gezielt das Konzertpublikum ansprechen. Falls dem so ist, muß man … Weiterlesen

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„Grenzen soll man überschreiten“ – Gespräch mit „Klangvokal“-Chef Torsten Mosgraber

Mit dem 8. „Fest der Chöre“ steuert das Dortmunder Musikfestival Klangvokal an diesem Samstag (4. Juni) auf seinen besonders publikumswirksamen Gipfel zu. 140 Chöre mit rund 4000 Sängerinnen und Sängern treten in der gesamten Dortmunder Innenstadt auf. Hier ein Gespräch mit dem Klangvokal-Direktor Torsten Mosgraber über Konzept und Zukunftspläne des Festivals, das vor allem Grenzbereiche zwischen verschiedenen Musikrichtungen auslotet:

Klangvokal-Direktor Torsten Mosgraber (© Jan Schürmann)

Klangvokal-Direktor Torsten Mosgraber (© Jan Schürmann)

Revierpassagen: Denkt man ans Konzerthaus, an die Oper, die Chorakademie, das Orchesterzentrum und nicht zuletzt an Ihr Festival, so muss man Dortmund inzwischen wohl als Musikstadt bezeichnen, oder?

Torsten Mosgraber: Auf jeden Fall. Hinzu kommen domicil, FZW, künftig die neue Pop-Halle auf dem Phoenix-Gelände, Veranstaltungen wie Juicy Beats und Mayday. Es ist sehr wichtig für … Weiterlesen

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Aufbruch ins Ungewisse – eine Nachlese zum Moers Festival 2016

„Das Moers Festival, das steht für Risiko, für neue Klänge, für ungewöhnliche Klänge, für phantastische Musiker und Musikerinnen und für ein phantastisches Publikum“, sagte vor ihrem Auftritt Carolin Pook, die gegenwärtig als Improviser in Residence in Moers zu Gast ist. „Das moers festival bleibt der musikalische Gegenentwurf zu einer Welt, in der Menschen dabei sind, wieder Grenzzäune hochzuziehen, und es kann vielleicht einen kleinen Beitrag leisten und zeigen, dass Zukunft nur ohne Grenzen lebenswert ist“ – so der künstlerische Leiter Reiner Michalke im Vorwort seines Programms. Zwei Statements vorweg, die die Besonderheit auch des diesjährigen Pfingstereignisses in Moers auf den Punkt bringen.

In diesem Jahr schien das Festival weniger auf die großen Namen der jüngeren Jazzgeschichte abzuheben als – noch … Weiterlesen

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Ab 2018: Stefanie Carp und Christoph Marthaler sollen die RuhrTriennale leiten

Ab 2018 für die RuhrTriennale verantwortlich: Stefanie Carp und Christoph Marthaler beim Pressetermin in der Bochumer Jahrhunderthalle. (Foto: Bernd Berke)

Ab 2018 für die RuhrTriennale verantwortlich: Stefanie Carp und Christoph Marthaler beim Pressetermin in der Bochumer Jahrhunderthalle. (Foto: Bernd Berke)

Für die Kulturszene, zumal im Ruhrgebiet, ist dies eine Nachricht von größerem Kaliber: Von 2018 bis 2020 werden die Dramaturgin Stefanie Carp (Jahrgang 1956) und der Schweizer Theatermacher Christoph Marthaler (64) an der Spitze der RuhrTriennale stehen. Zwei hochkarätige Namen, fürwahr.

Die Entscheidung war gestern noch ziemlich frisch. Man hatte sie, so gut es eben ging, geheim gehalten. Und so konnte NRW-Kulturministerin Christina Kampmann in der Bochumer Jahrhunderthalle tatsächlich den allermeisten Medien eine Neuigkeit verkünden. Der zum Scherzen aufgelegte Christoph Marthaler flunkerte gar, ihm selbst sei das alles auch neu. Die Einladung nach Bochum hätte er demnach einfach mal so … Weiterlesen

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Der Sound des Aufbruchs im Revier: Ruhr Museum zeigt 60 Jahre „Rock & Pop im Pott“

Plakat zum Auftritt der Rolling Stones in der Dortmunder Westfalenhalle, 1967 (Ruhr Museum)

Plakat zum Auftritt der Rolling Stones in der Dortmunder Westfalenhalle, 1967 (Ruhr Museum)

Essens Kulturdezernent Andreas Bomheuer erinnert sich: Essener Songtage 1968, ein singuläres Ereignis in der neueren Musikgeschichte des Ruhrgebiets. Der legendäre Frank Zappa entstieg auf der Bühne einem Sarg und fragte das Publikum schlankweg: „How do you feel?“ Dann legte er los. – Bomheuer ist heute noch ergriffen von dem Moment: „So etwas vergisst man nie.“

Just in Essen, im Ruhr Museum auf dem Gelände des Weltkulturerbes Zeche Zollverein, schickt sich jetzt eine Ausstellung an, derlei kostbare Erinnerungen en gros zu wecken: „Rock & Pop im Pott“ erzählt die Geschichte der populären Musik im Revier über 60 Jahre hinweg. Dazu bietet man die immense Fülle von rund … Weiterlesen

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Vom Florentiner Hut bis zum Tristan: Das MiR Gelsenkirchen stellt sein Programm vor

Das Musiktheater im Revier (Foto: Pedro Malinowski)

Das Musiktheater im Revier gehört zu den bedeutendsten Theaterbauten der Nachkriegszeit. Am 15. Dezember 1959 wurde der neugebaute Komplex nach den Entwürfen des federführenden Architekten Prof. Werner Ruhnau eröffnet. (Foto: Pedro Malinowski)

Es ist eigentlich ein ganz einfacher Satz. Aber welchem anderen Stadtoberhaupt in der Region käme er jemals über die Lippen? Frank Baranowski, amtierender Oberbürgermeister von Gelsenkirchen, eröffnet die Pressekonferenz im Opernhaus der Stadt mit einem klaren Bekenntnis zum Theater.

Kurz zählt er die Fördermittel auf, 13 Millionen Euro für das Musiktheater, 4 Millionen für die Neue Philharmonie Westfalen. Gelder, um die es in Gelsenkirchen zum Glück keine Konkurrenz gebe, wie der OB sagt. Dann fügt er mit großer Selbstverständlichkeit hinzu „Ich bin davon überzeugt, dass dieses Geld gut … Weiterlesen

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Mit Glanz und Gloria: Gabriel Feltz, Johannes Moser und die Dortmunder Philharmoniker

Die Dortmunder Philharmoniker. Foto: Magdalena Spinn

Die Dortmunder Philharmoniker. Foto: Magdalena Spinn

Carl Maria von Weber vermerkte einmal, das Anschauen einer Gegend sei ihm wie die Aufführung eines Musikstücks. „Ich erfühle das Ganze, ohne mich bei den es hervorbringenden Einzelheiten aufzuhalten …“ Dortmunds Generalmusikdirektor Gabriel Feltz hat diese ästhetische Äußerung Webers wohl etwas zu wörtlich genommen: Die Konzertouvertüre „Der Beherrscher der Geister“ rauscht zu Beginn des Achten Philharmonischen Konzerts in angemessenem Presto vorüber, entbehrt aber jeglicher Binnengestaltung.

Carl Maria von Weber auf einer Darstellung des 19. Jahrhunderts.

Carl Maria von Weber auf einer Darstellung des 19. Jahrhunderts.

In den Tutti denunziert Feltz Webers Orchester als bloßen Lärm, das spannungsvoll tremolierende Crescendo verpufft ohne Wirkung, die Oboe singt, aber schwingt nicht und der abschließende majestätische Choral der Blechbläser bleibt steif. Nicht toll, dieser Konzerteinstieg der Dortmunder Philharmoniker … Weiterlesen

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Vieles von allem: Das Theater Dortmund präsentiert sein Programm für 2016/2017

Schauspielhaus Dortmund

Hier wird derzeit renoviert – und alle hoffen, daß es pünktlich sein Ende hat: Das Theater Dortmund (Foto: Laura Sander/Theater Dortmund)

Die längste Theaterveranstaltung in der kommenden Spielzeit ist ein „54 Stunden Night Club“ im Megastore. Beginnend Freitag, 21. Oktober, und endend am Sonntag, 23. Oktober, will das Dortmunder Schauspiel – hoffentlich! hoffentlich! – Abschied nehmen von seiner provisorischen Spielstätte im Gewerbegebiet an der Nortkirchenstraße.

Das setzt natürlich voraus, daß dann die Renovierungsarbeiten im Großen Haus beendet sind. Dort, im Großen Haus, soll sich erstmalig wieder am 10. Dezember der Vorhang für Bert Brechts „Furcht und Elend des Dritten Reiches“ heben, Regie führt der 1967 geborene Sascha Hawemann, von dem in Dortmund bereits als Regiearbeit das Familiendrama „Eine Familie (August: … Weiterlesen

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„Carmen“ auf dem Akkordeon: Ksenija Sidorova mag’s unterhaltsam im Konzerthaus Dortmund

Flinke Finger auf dem Akkordeon: Ksenija Sidorova ist "Junge Wilde" im Konzerthaus Dortmund. Foto: Phil Tragen

Flinke Finger auf dem Akkordeon: Ksenija Sidorova ist „Junge Wilde“ im Konzerthaus Dortmund. Foto: Phil Tragen

Ksenija Sidorova ist eine Virtuosin auf ihrem Instrument. Die flinken Finger finden sicher ihren Weg – technisches Können paart sich mit großer Leidenschaft. Hinzu kommt ein untrügliches Gespür für eindrucksvolles Klangfarbenspiel. Die Passion der lettischen Solistin gilt dem Akkordeon.

Im Konzerthaus Dortmund hat sie nun als „Junge Wilde“ virtuos für dieses Instrument Partei ergriffen – einerseits, denn andererseits sind die „Carmen“-Arrangements, die sie mit einem fünfköpfigen Ensemble offeriert, heftig ins seichte Unterhaltungsfach abgerutscht. Zu wenig ist das für ein ernst gemeintes „Projekt“, wie sie dieses Konzert selbst beschreibt.

„Junge Wilde“: Das Format, 2006 von Intendant Benedikt Stampa ins Leben gerufen, ist längst zu Publikums … Weiterlesen

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Start mit Gluck – Intendant Johan Simons stellt das Programm der RuhrTriennale 2016 vor

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Auf Zeche Zollern erklingt zumindest an einem Abend Triennale-Musik – allerdings nicht im abgebildeten Verwaltungsgebäude, sondern in der (unsichtbar) dahinter liegenden berühmten und frisch renovierten Jugendstil-Maschinenhalle (Foto: Ruhrtriennale/LWL Hudemann)

Christoph Willibald Gluck macht den Anfang, es folgen Albert Camus, Emile Zola und viele andere. Johan Simons hat das Programm seiner zweiten Ruhrtriennale (12. August bis 24. September 2016) vorgestellt, die an etlichen ehemaligen (oder noch aktiven) Industriestandorten des Ruhrgebiets stattfinden soll. Nach langer Pause ist auch Dortmund wieder mit Spielstätten vertreten, dem Hafen und (endlich!) der renovierten Maschinenhalle von Zeche Zollern in Bövinghausen. Hier ein paar Fakten:

Beginn in der Jahrhunderthalle

Große Auftakt-Produktion ist Glucks Reformoper „Alceste“ in der Bochumer Jahrhunderthalle. Simons hat sie, wie wir den sorgfältig zusammengestellten Presseunterlagen … Weiterlesen

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Gleißende Hysterie: George Benjamins Oper „Written on skin“ im Konzerthaus Dortmund

Konzerthaus Dortmund. Written on Skin. Von und mit George Benjamin. © Pascal Amos Rest

„Written on Skin“ – der britische Komponist George Benjamin dirigiert das fulminante Mahler Chamber Orchestra. Foto: Pascal Amos Rest

Das Beste kommt zum Schluss. Ein Musikdrama, das uns wie ein wirbelnder Strudel verschlingt. Mit erstklassigen Sängern, die vor keiner emotionalen Entäußerung zurückschrecken. „Written on skin“ – George Benjamins Oper entpuppt sich als ein Stück gleißender Hysterie, als Schwester der „Elektra“ oder des „Wozzeck“. Die Aufführung im Konzerthaus Dortmund ist eine Herausforderung fürs Publikum – und wird mit Jubel belohnt.

Der Brite Benjamin steht selbst am Pult des höchst intensiv spielenden Mahler Chamber Orchestra, dirigiert gewissermaßen mit körperlichem Understatement, gleichwohl ungeheuer präzise. Er ist charmanter Vertreter einer neuen Musik, deren stetiger Fluss uns bannt, weil nichts dahinplätschert. Zuweilen rütteln eruptive Klangballungen … Weiterlesen

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„Der Klang sucht mich, nicht ich suche den Klang“ – zum 80. Geburtstag des Komponisten Aribert Reimann

Aribert Reimann. Foto: Schott Promotion, Gaby Gerster

Aribert Reimann. Foto: Schott Promotion, Gaby Gerster

Als ich Aribert Reimann aus Anlass der dritten Inszenierung seines „Lear“ 1981 in Mannheim zum ersten Mal traf, erzählte er mir im Interview, wie die Szene des verzweifelten, verstoßenen alten Königs in ihm einen Reichtum an Musik hervorgerufen hat, dem er sich nicht entziehen konnte. Das einzige Stück Shakespeares, in dem er Musik gefunden hat, sei diese Geschichte eines Menschen gewesen, der von heute auf morgen nichts mehr hat als sich selbst. Ein Verstoßener unter Menschen, die nicht mehr miteinander reden, sondern nur noch lügen.

Ein Thema, das Reimann in den siebziger Jahren, als der „Lear“ entstand, als hochaktuell einschätzte: „Ausgesetztsein, Enteignung, Terror – alles Dinge, die sich heute pausenlos auf der Welt … Weiterlesen

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Atem seliger Liebe: Daniel Harding und das Mahler Chamber Orchestra in Essen

Daniel Harding. Foto: Julian Hargreaves

Daniel Harding. Foto: Julian Hargreaves

Beim Leipziger Mahler-Fest vor fünf Jahren hinterließ Daniel Harding mit dem Mahler Chamber Orchestra nicht eben den besten Eindruck: Er ebnete die schroffen Gegensätze, das Verstörende und das Heitere der Vierten Symphonie in einer gekonnt brillanten Darstellung ein. Anders nun in Essen: In der „Auferstehungssymphonie“ in der Philharmonie kam ihm der Blick auf die Einheit der Musik entgegen.

Denn Mahlers Zweite vereinigt zwar die heterogenen Formen der musikalischen Traditionen ihrer Zeit. Rudolf Stephan nennt in seiner Analyse „hohe“ und „niedere“ Musik, Instrumentales und Vokales, Sonate und Volkslied, Choral und Ländler. Aber die Symphonie, und das macht Daniel Harding in seiner schlüssig-geschlossenen Darbietung deutlich, schöpft ihre Wirkung weniger aus grellen Gegensätzen, sondern aus dem Sog, der … Weiterlesen

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Im Bann der Moderne: Kurt Weill Fest in Dessau eröffnet

Kurt Weill Fest Dessau 2016 LogoWer sich mit der Moderne befasst, kommt um Dessau nicht herum. Das Bekenntnis zur klassischen Moderne in der mitteldeutschen Stadt singt Michael Kaufmann, Intendant des Kurt Weill Festes Dessau, bei jeder sich bietenden Gelegenheit.

In diesem Jahr richtet das Festival seinen Blick neben seinem Namensgeber auf den Österreicher Ernst Krenek. Vor 25 Jahren starb dieser Protagonist der musikalischen Moderne. Für das Kurt Weill Fest ein Anlass, gemeinsame Sache mit der Ernst Krenek Institut Privatstiftung in Krems zu machen. Deren Vorsitzender Ernst Kovacic ist auch Geiger – und eröffnete die Folge der nahezu 60 Konzerte mit dem ersten Violinkonzert von Ernst Krenek, ein Werk, das 1925 in Dessau uraufgeführt wurde.

Kovacic wird sich in zwei Konzerten mit der Anhaltischen Philharmonie am … Weiterlesen

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Von vier Liebhabern umworben: Händels seltene Oper „Partenope“ begeistert in Essen

„Partenope“ gehört zu jenen lang vergessenen Opern Georg Friedrich Händels, die erst in den letzten Jahren Bühne und Tonträger erobert haben. Fünf Mal ist sie inzwischen eingespielt worden. In der Essener Philharmonie war nun die lyrisch-heitere Oper mit der Besetzung der jüngsten CD, erschienen im November 2015, zu hören – mit zwei Ausnahmen: Philippe Jaroussky und der Dirigent Riccardo Minasi mussten absagen. Traurigerweise haben beide ihre Väter durch den Tod verloren.

Ein nobler Zug: Der französische Counter hat sich in einer persönlichen Botschaft beim Essener Publikum, verlesen vor dem Konzert von Intendant Hein Mulders, eigens entschuldigt. Mit seinen guten Erinnerungen an vergangene Auftritte in Essen verbindet er die Hoffnung, bald wiederzukommen. Lawrence Zazzo war für Jaroussky eingesprungen; das Orchester … Weiterlesen

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Ohne Gedünst: Philippe Herreweghe versachlicht in Essen Bruckners Fünfte

Der Residenz-Künstler der Philharmonie Essen: Philippe Herreweghe. Foto: Bert Hulselmans

Der Residenz-Künstler der Philharmonie Essen: Philippe Herreweghe. Foto: Bert Hulselmans

Die Bruckner-Kritik bedient sich seit etwa einer Generation gerne bestimmter Begriffe, um einen neuen Zugang zu den schwer erklimmbaren Gipfeln des Spätromantikers zu markieren: Bruckner müsse man, so heißt es, vom „Weihrauch“ befreien, seine Klangmassen entschlacken, Pomp und Prunk seiner monumentalen Setzungen aufbrechen, ihn gar entmythisieren oder entkatholisieren.

Da ist was dran; Michael Gielen etwa hat es in seinen Aufnahmen exemplarisch und manchmal verstörend nüchtern gezeigt. Aber der Verdacht, mit solchem bilderstürmerischen Elan von einer in die andere Ideologie zu driften, lässt sich nicht ausräumen. Beispiel „Pomp“: Was soll man davon halten, wenn Bruckner im Finale seiner Fünften Symphonie für den Blechbläserchoral fortissimo bis zum Ende vorschreibt? Damit will er … Weiterlesen

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Über alle Gegensätze hinweg – Andreas Maiers Huldigung „Mein Jahr ohne Udo Jürgens“

Da schreibt ein viel beachteter Belletrist im hochrenommierten Suhrkamp-Verlag ein ganzes Buch über – Udo Jürgens. Ja, ist der Schlagermann denn überhaupt literarisch themenwürdig?

Das fragt sich Andreas Maier (zuletzt: „Die Straße“, „Der Ort“) auch selbst unentwegt, der gelinde Zweifel ist konstitutiver Bestandteil des Buches „Mein Jahr ohne Udo Jürgens“. Doch zugleich erfahren wir von einer Art – nun, nennen wir es ruhig beherzt „Erweckung“, die den am 21. Dezember 2014 gestorbenen Musiker mehr und mehr als quasi überzeitliches, dem Alltag enthobenes Phänomen wahrnimmt, in dem gleichsam alle Gegensätze aufgehoben sind… Nanu?

42519Als Kind hatte Andreas Maier noch Jürgens’ Erfolgslied „Siebzehn Jahr, blondes Haar“ vernommen. Dann setzte eine langjährige Pause ein, in der derlei Klänge nur noch peinlich waren. Die … Weiterlesen

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Wenn’s beim Lesen nicht mehr raschelt – meine Erfahrungen mit dem E-Paper

Glaube niemand, ich hätte das alles einfach so gemacht. Nein, ich habe mich rundum abgesichert. Bevor ich mein Print-Abo einer überregionalen Tageszeitung in ein tägliches E-Paper umgewandelt habe, habe ich mir jederzeitige Rückkehrmöglichkeit zusagen lassen. Wenn ich wollte, könnte ich schon morgen wieder Druckerschwärze an den Fingern haben…

Außerdem liegen nach wie vor zwei andere Blätter morgens papieren auf dem Tisch, so dass der Entzug ohnehin nicht total ist.

Nun habe ich schon eine etwas längere Geschichte mit dem bedruckten Zeitungspapier. In meinen journalistischen Berufsanfängen habe ich noch Mettage und Bleisatz kennen gelernt, habe noch etliche Jahre auf herkömmlichen Schreibmaschinen gehackt, bevor dann nach und nach all die technischen Neuerungen Einzug hielten. Anfangs kamen einem selbst Faxe vor, als stammten … Weiterlesen

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Aus Westfalen in die große Opernwelt: Bariton Eike Wilm Schulte feiert 50. Bühnenjubiläum

Eike Wilm Schulte in Wagners "Meistersingern" in Wien. Foto: privat

Eike Wilm Schulte in Wagners „Meistersingern“ in Wien. Foto: privat

An einem mangelt es der internationalen Opernszene nicht: an Stimmwundern. Zumindest, wenn man den Plattenfirmen und PR-Agenturen Glauben schenkt. Da ist oft von „vielversprechenden Talenten“ die Rede, die aus den Opernstudios direkt zu umjubelten „Weltkarrieren“ aufbrechen.

Die Wirklichkeit indes sieht anders aus. Junge Sängerinnen und Sänger, von ersten Erfolgen geblendet, lassen sich von Agenten oder Intendanten hoffnungslos verheizen. Ein souveräner Tamino wird bald als Tristan gebucht; die Soubrette scheint innerhalb weniger Jahre zum dramatischen Sopran gereift. So mancher strahlender Star entpuppt sich dann als rasch verglühende Sternschnuppe.

Doch es gibt auch echte Stimmwunder. Sie überdauern viele Jahre wie Fixsterne, deren Glanz nicht blendet, sondern beständig ist und Orientierung schafft. Zu … Weiterlesen

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Aus dem Geist der Stille: Maria João Pires und das London Symphony Orchestra in Dortmund

Maria João Pires versenkt sich tief in die Musik (Foto: Petra Coddington/Konzerthaus Dortmund)

Maria João Pires versenkt sich tief in die Musik (Foto: Petra Coddington/Konzerthaus Dortmund)

Im Largo schlägt ihre große Stunde. Mit Haut und Haar versenkt sich die portugiesische Pianistin Maria João Pires in die Sphäre äußerster Ruhe und Erhabenheit, die Ludwig van Beethoven im Mittelsatz seines 3. Klavierkonzerts erreicht. Mit der ihr eigenen Zurückgenommenheit formt sie die Introduktion zum stillen Zwiegespräch, zu einer Insel in E-Dur, allem Weltlichen weit entrückt.

Erstmals trat die 1944 in Lissabon geborene Künstlerin jetzt im Konzerthaus Dortmund auf, gemeinsam mit dem London Symphony Orchestra und dem britischen Dirigenten Daniel Harding. Wofür die kleine, charismatische Pianistin verehrt wird, wurde an diesem Abend erneut deutlich: Es ist die Wahrhaftigkeit ihres Spiels, ihre künstlerische Integrität, die Hand in Hand … Weiterlesen

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Erfrischend neu: Philippe Herreweghe eröffnet Beethoven-Zyklus in der Essener Philharmonie

Der Residenz-Künstler der Philharmonie Essen: Philippe Herreweghe. Foto: Bert Hulselmans

Der Residenz-Künstler der Philharmonie Essen: Philippe Herreweghe. Foto: Bert Hulselmans

Ein Beethoven-Zyklus. Wieder einer. Muss man das haben? Nein. Heerscharen von Dirigenten haben sich an Beethoven abgearbeitet, mehr als ein Dutzend Zyklen sind auf dem Tonträgermarkt verfügbar. Kaum ein Orchester kommt in seiner Spielzeit ohne Beethoven aus. Lesarten von Furtwängler bis Harnoncourt erschließen jeden denkbaren Zugang zur musikalischen Welt dieses Titanen – der diesen mythischen Titel wirklich verdient, weil er in seiner Zeit und noch ein Jahrhundert danach weltumwälzend gewirkt hat.

Also, was soll die Aneinanderreihung der neun Symphonien in den nächsten beiden Jahren in der Essener Philharmonie? Wäre es nicht aufschlussreicher gewesen, Beethoven mit der Symphonik seiner Zeit über Haydn und Mozart hinaus zu konfrontieren, um den revolutionären Zug … Weiterlesen

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Neuer „principal conductor“ Adam Fischer tritt in Düsseldorf an: Haydn-Mahler-Zyklus eröffnet

Neuer "principal conductor" der Düsseldorfer Symphoniker ist Adam Fischer. Foto: Tonhalle, Susanne Diesner

Neuer „principal conductor“ der Düsseldorfer Symphoniker ist Adam Fischer. Foto: Tonhalle, Susanne Diesner

Düsseldorf hat einen neuen „principal conductor“. So wird Adam Fischer jedenfalls vor Beginn seines Antrittskonzerts bei den Symphonikern vorgestellt. Nein, nicht „Erster Konzertdirigent“ oder so ähnlich. Das könnte zu bieder rheinisch klingen.

Aber ein „principal conductor“, das ist etwas Internationales. Und da wollen die Düsseldorfer Symphoniker offenbar hin. Raus aus der oberen Mittelklasse, in der sie sich in den letzten Jahren wohl nicht ganz freiwillig eingenistet hatten. Der erste Schritt: Mit Adam Fischer entsteht ein Haydn-Mahler-Zyklus, der bis 2020 auch auf Tonträger gebannt werden soll.

Die Voraussetzungen stehen nicht schlecht: Zum ersten Mahler-Konzert mit der Siebten, eingeleitet von Joseph Haydns Symphonie Numero 88, federt der freundliche Herr … Weiterlesen

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Entdeckung in Bochum: Die Symphoniker präsentieren Mahlers Inspirator Hans Rott

Der junge Mann hat eine tragische Geschichte, seine Symphonie auch: Hans Rott starb 1884 mit 25 Jahren in der Niederösterreichischen Landes-Irrenanstalt in Wien an Tuberkulose. Seine erste und einzige vollendete Symphonie lag über 100 Jahre unbeachtet in einem Nachlass, bis sie 1989 uraufgeführt und sogleich als ein wegweisendes Werk der anbrechenden Moderne erkannt wurde.

Seither sind Enthusiasten für Hans Rott entflammt – von dem Gustav Mahler gesagt hat, er sei der „Begründer der neuen Symphonie“. Andere gestehen zwar zu, Rott könne das „missing link“ zu Mahler sein, halten aber sein unausgegorenes Jugendwerk für überschätzt. In Bochum kann man sich nun selbst ein Bild vom Geniestreich des Zwanzigjährigen machen.

Im Dritten Symphoniekonzert präsentieren die Bochumer Symphoniker im Audimax der Ruhr-Universität ein … Weiterlesen

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Glanzvoll und ohne Verstörung: Toshiyuki Kamioka triumphiert in Wuppertal mit Mahler

Toshiyuki Kamioka. Foto: Andreas Fischer

Toshiyuki Kamioka. Foto: Andreas Fischer

Man möchte Gustav Mahler widersprechen: Doch, doch, das Beste in der Musik steht in den Noten, wenn sie jemand wie Toshiyuki Kamioka zum Klingen bringt. Als Opernintendant so ärgerlich gescheitert, triumphiert er nach wie vor als Dirigent: Das Wuppertaler Publikum liebt und feiert ihn, wie jetzt nach dem Konzert mit Mahlers Dritter Symphonie in der Historischen Stadthalle. Und das nicht ohne Grund: Was in den Noten steht, erfährt unter Kamiokas temperamentvoller, aber stets bewusst auf den Punkt geführter Leitung eine glanzvolle Wiedergabe.

Bei einer oft als „monströs“ beschriebenen Riesen-Symphonie wie Mahlers Dritter braucht es eine klare Linienführung und eine deutlich konturierte Klang-Disposition, soll nicht die formal disparate Anlage in ein lärmendes Chaos münden. Kamioka hält … Weiterlesen

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Die 40. Tage Alter Musik: Frühe Kult-Oper „Camilla“ und mehr beim Festival in Herne

Das Ensemble "Vox Werdensis" bei seinem Konzert in der Kreuzkirche in Herne. Foto: Thomas Kost/WDR

Das Ensemble „Vox Werdensis“ bei seinem Konzert in der Kreuzkirche in Herne. Foto: Thomas Kost/WDR

Vor 40 Jahren war das schon ein bisschen irre: Als der damalige Kulturdezernent der Stadt Herne, Joachim Hengelhaupt, 1976 die Idee umsetzte, Instrumente für Alte Musik auszustellen und einige kleine, feine Konzerte zu veranstalten, konnte er noch nicht auf eine vielfältige „Szene“ in diesem Sektor bauen. Und der Westdeutsche Rundfunk, der sich mit Herne zusammentat, leistete echte Pionierarbeit in einem Feld, das heute „Kult“ ist: Festivals, Ensembles, aber auch Musikwissenschaft und Musizierpraxis haben sich seither rasant weiterentwickelt.

Die Festival-Macher seit 1976. Von links: Klaus L Neumann (ehemaliger künstlerischer Leiter), Joachim Hengelhaupt (Kulturdezernent a.D. und Festivalgründer), Richard Lorber (künstlerischer Leiter). Foto: Thomas Kost/WDR

Die Festival-Macher seit 1976. Von links: Klaus L Neumann (ehemaliger künstlerischer Leiter), Joachim Hengelhaupt (Kulturdezernent a.D. und Festivalgründer), Richard Lorber (künstlerischer Leiter). Foto: Thomas Kost/WDR

Zur Erinnerung: Die … Weiterlesen

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Magierin am Schlagzeug – Evelyn Glennie und die Dortmunder Philharmoniker retten Alberich

Evelyn Glennie, Schlagzeugerin von Gnaden, gastierte bei den Dortmunder Philharmoniker. Foto: Jim Callaghan

Evelyn Glennie, Schlagzeugerin von Gnaden, gab sich die Ehre bei  den Dortmunder Philharmonikern. Foto: Jim Callaghan

Am Ende von Richard Wagners „Götterdämmerung“, die den vierteiligen „Ring des Nibelungen“ beschließt, ist eben jener Nibelung, Alberich, mit dem alles begann, verschwunden. „Er ist entmachtet – schlimmer: er scheint vergessen“, schreibt der Wagnerexeget Peter Wapnewski. Und in der Tat: Alberichs letzter Auftritt, eine düster somnambule Begegnung mit dem Sohn Hagen inmitten der „Götterdämmerung“, ist zugleich sein gespenstischer Abschied aus dem Zyklus.

Wagners Opernmythos im Allgemeinen, besonders aber das geheimnisvolle Abtauchen des Auslösers dieses Strudels aus Fluch, Verrat und Mord, endend erst im reinigenden Weltenbrand, inspirierte den Amerikaner Christopher Rouse zur Komposition des Stücks „Der gerettete Alberich“.

Es soll offenbar eine Art Ehrenrettung sein. … Weiterlesen

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Zwischen Talkshow und Happening – die Triennale auf musikhistorischer Lesereise

Blick auf die skandalträchtige Uraufführungschoreographie von Strawinskys "Sacre". Foto: Christoph Sebastian

Blick auf die skandalträchtige Uraufführungschoreographie des  „Sacre“. Foto: Christoph Sebastian

Ach Du lieber Gott! Da hopsen und tanzen seltsame Hutzelmännchen, mit Vollbart verziert und Bärenfell behangen, wie Indianer auf dem Kriegspfad umeinander, und das zu Igor Strawinskys archaischer, brutaler, rhythmusgesättigter „Sacre“-Musik.

Es sei gestattet, ein wenig zu lachen, auch wenn hier, als filmisches Dokument, die Rekonstruktion der Uraufführungschoreographie gezeigt wird (1913 in Paris, von Waslaw Nijinsky), die immerhin einen der größten Theaterskandale des beginnenden 20. Jahrhunderts ausgelöst hat. Sodass die Musik im tumultuösen Lärm des erhitzten Publikums beinahe unterging.

Nicht zuletzt auf Eklats dieser Art hat der amerikanische Musikkritiker Alex Ross wohl bei der Titelgebung seines Buches geblickt: „The Rest is Noise“ erzählt eine Geschichte von der tönenden Moderne, die … Weiterlesen

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Jugendjahre eines Genies: Yefim Bronfman spielt das frühe Klavierwerk von Prokofjew

Yefim Bronfman (57), Grammy-Preisträger, gilt hierzulande noch immer als Geheimtipp (Foto: Dario Acosta)

Yefim Bronfman (57), Grammy-Preisträger, gilt hierzulande noch immer als Geheimtipp (Foto: Dario Acosta)

Es gibt Konzerte, die längst begonnen haben, bevor auch nur der erste Ton erklingt. Der Blick auf das angekündigte Programm lässt stutzen. Wie in aller Welt passen Werke von Sergej Prokofjew und Robert Schumann zueinander?

Was hat das russische „Enfant terrible“ mit dem zentralen Exponenten der deutschen Romantik zu tun? Was mag dabei herauskommen, wenn ein Pianist sich anschickt, Klavierwerke dieser scheinbar grundverschiedenen Komponisten miteinander zu verschränken?

Yefim Bronfman gibt uns die Antwort. Der amerikanisch-israelische Pianist, 1958 in Usbekistans Hauptstadt Taschkent geboren, beglückt uns im Konzerthaus Dortmund mit einem jener Recitals, aus denen man klüger wieder herauskommt, als man hineingegangen ist. Denn wer Prokofjew vor allem als … Weiterlesen

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Klangfarbenrausch in kühler Perfektion – das Cleveland Orchestra im Konzerthaus Dortmund

Petra Coddington Fotografenmeisterin

Seid ausgebreitet, ihr Klänge! Franz Welser-Möst dirigiert das Cleveland Orchestra. Foto: Petra Coddington

Boston, New York, Philadelphia, Chicago und Cleveland – aus diesen Städten kommen, so sagen es jedenfalls ehrfurchtsvoll viele Musikfreunde, die fünf besten Orchester zumindest der Vereinigten Staaten, wenn nicht sogar der Welt. Nun sind solcherart Platzierungen, vorgenommen unter ästhetischen Gesichtspunkten, immer mit Vorsicht zu genießen. Doch ohne Zweifel sind diese „Big Five“ in Sachen technischer Präzision, Klangbild oder Musikalität ziemlich weit oben anzusiedeln.

Was nicht heißen soll, dass die Berliner oder Wiener Philharmoniker, das Concertgebouw Orkest Amsterdam oder das London Philharmonic hintenan stehen. Erstaunlich aber ist, dass sich über viele Jahrzehnte eine deutliche Differenz des Klangbilds im europäisch-amerikanischen Vergleich entwickelt und gefestigt hat. Hier die wärmeren Farben, … Weiterlesen

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Wie die Neue Philharmonie Westfalen finanziell gerettet werden soll

Musikalisch ist die Neue Philharmonie Westfalen (NPW) längst erfolgreich, finanziell soll es das größte Landesorchester wieder werden. Den Weg dafür machte der Kreistag Unna frei: Er verzichtete auf sein Recht, den bestehenden Fusionsvertrag bis einschließlich 2021 zu kündigen.

Damit ist das notwendige zeitliche Fenster zur Umsetzung eines mittelfristig tragbaren Finanzierungskonzeptes geschaffen. Was genau geleistet werden soll und muss, hatte Landrat Michael Makiolla in seiner Funktion als Vorstandsmitglied im Trägerverein des Orchesters schon im Juni beschrieben.

Damals hatte Michael Makiolla nicht nur über den Abschluss eines lange verhandelten Haustarifvertrages (mit unterm Strich finanziellen Einbußen bei den Musikern) berichtet, sondern alle Eckpunkte erläutert.

Makiolla war es auch, der bereits in der Mitte der 1990er Jahre darum gerungen hatte, dass die Fusion des … Weiterlesen

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44.000 Tickets – Intendant Johan Simons zieht positive Bilanz seiner ersten Ruhrtriennale

Pressekonferenz anlässlich der Programmvorstellung der diesjährigen Ruhrtriennale durch die Kultur Ruhr GmbH Intendant Johan Simons Bild: Stephan Glagla | pottMEDIA

Triennale-Intendant Johan Simons hat Bilanz gezogen. (Foto: Stephan Glagla/pottMEDIA/Ruhrtriennale)

Die Ruhrtriennale nähert sich ihrem Ende. Deshalb zog Intendant Johan Simons jetzt eine erste Bilanz. Wie nicht anders zu erwarten, war das Festival sehr erfolgreich, alles in allem wurden 44.000 Eintrittskarten verkauft.

Es gibt der Zahlen etliche mehr; genannt sein sollen noch die Verkäufe für Simons’ großformatige eigene Regiearbeiten „Accattone“ (6500 Karten) und „Das Rheingold“ (6020 Karten). Bemerkenswert ist die kurzfristige Vermehrung der Zeit-„Slots“ bei „Orfeo“ in der Kokerei Zollverein von 400 auf 460. Zur Erläuterung: Pro Zeitslot wandern in Viertelstundenabstand acht Zuschauer durch eine fein installierte Alltagshölle, in welcher (Haus-) Frauen mit ausdruckslosen Gummimasken ein freudloses Dasein fristen. Der Durchgang dauert rund eine Stunde, an zentraler Stelle spielt ein Orchester … Weiterlesen

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Aus Köln in die Provence – eine interessante musikalische Geschäftsidee

Wenn der Sommer kommt und das Musizieren in deutschen Konzert- und Opernhäusern ausfällt, dann haben die Musikanten Zeit und kommen auf interessante Ideen. In der Provence zum Beispiel sieht man immer im August und September ähnliche Plakate, auf denen ein „Kammerensemble Cologne“ für ein Konzert in der jeweiligen Dorfkirche wirbt.

Konzert in der Dorfkirche für 20 Euro. (Foto: H.H.Pöpsel)

Konzert in der Dorfkirche für 20 Euro. (Foto: H.H.Pöpsel)

Das sind mehr oder weniger junge Leute, die mit ihren Instrumenten über das Land ziehen und sich das Leben in einer wunderschönen Landschaft, das gute Essen und den Aufenthalt bei meist sonnigem Wetter durch ihre Auftritte in den mittelalterlichen Städten und Dörfern Südfrankreichs verdienen. Sie werben mit dem Namen Köln und spielen Mozart und Vivaldi, Telemann und Bach. Musiziert wird fast … Weiterlesen

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Durch Nacht zum Licht: Die Triennale feiert Nonos „Prometeo“ in Form eines Kirchgangs

Auf diesigem Weg zum verheißungsvollen Ziel: Triennale-Besucher als Teil einer Inszenierung. Foto: Wonge Bergmann

Auf diesigem Weg zum verheißungsvollen Ziel: Triennale-Besucher als Teil der Inszenierung. Foto: Wonge Bergmann

Der Weg ist nicht immer das Ziel. Mitunter kann er mühselig sein, uns verunsichern, ja höchst irritieren. Umso schöner, wenn es dann erreicht ist, das hehre, glänzende Ziel, auf dass wir uns denn in Seligkeit hingeben. Wie jetzt bei der Triennale. Wo das Publikum gewissermaßen durch eine nebelnasse Nacht zum Licht geführt wird. Behutsam, in kleinen Gruppen. Und am Ende einer Schleuse wartet die ultimative Symbiose von Werk und Spielstätte: Luigi Nonos „Prometeo“ in der Duisburger Kraftzentrale.

Soviel Kirchgang war nie. Denn drinnen verschachteln sich harte Holzbänke, die an Gottesdienstaskese gemahnen, zum Sitzgruppenlabyrinth. Heizstrahler an den Füßen inklusive, die indes nach und nach ihren Dienst einstellen. … Weiterlesen

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Den „Piefke“ gab es wirklich: Vom Heldennamen zum Schmähbegriff

Johann Gottfried Piefke. Zeitgenössisches Porträt, entstanden vor seinem Todesjahr 1884.

Johann Gottfried Piefke. Zeitgenössisches Porträt, entstanden vor seinem Todesjahr 1884.

Der „Piefke“ gilt als österreichisches Schimpfwort für den typischen preußischen Großkotz: arrogant, besserwisserisch, militaristisch. Doch wer glaubt, das Wort sei nur ein typisierender Sammelname für all die unsympathischen Zeitgenossen nördlich der Mainlinie, der irrt.

Den Piefke gab es wirklich: Johann Gottfried Piefke war ein preußischer Militärmusiker von hohem Ansehen. Der Komponist von „Preußens Gloria“, heute noch ein beliebter Marsch, wurde vor 200 Jahren, am 9. September 1815 in Schwerin an der Warthe im damaligen Kreis Posen geboren.

Ins österreichische Schimpfwörterverzeichnis geriet Piefke, glaubt man den legendarisch verbrämten Erzählungen, ohne eigenes Zutun: Der fast Zwei-Meter-Mann sei bei der Siegesparade nach der österreichischen Niederlage bei Königgrätz 1866, abgehalten auf dem Marchfeld bei … Weiterlesen

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Mozarts Requiem inmitten von Klangräumen – ein Triennale-Konzert der experimentellen Art

Chor, Orchester, Solisten und Dirigent im Einsatz für den Raumklang. Foto: Pedro Malinowski

Chor, Orchester, Solisten und Dirigent im Einsatz für den Raumklang. Foto: Pedro Malinowski

Die Triennale wäre nicht sie selbst, würde auf ihren Konzertprogrammen nur das stets Gehörte, das sattsam Bekannte stehen. Und so hat sich das Festival vor allem dem Neuen in der Musik verschrieben. Kompositionen des Repertoires finden oft nur insofern Beachtung, als sie in einen ungewöhnlichen Zusammenhang gestellt werden. Dann mag sich ein anderer Blickwinkel, besser gesagt, ein veränderter Höreindruck einfinden.

Dieses andere Hören soll nicht zuletzt auf der besonderen Akustik der Industriehallen fußen, die mancher in allerernstestem Verklärungseifer als Kathedralen apostrophiert. Nun, so gesehen, passt das jüngste Triennale-Konzert namens „Klangräume“ zur riesigen Gladbecker Maschinenhalle Zweckel, bekommen wir doch überwiegend Sakrales zu hören.

Alles Klingende kreist dabei um … Weiterlesen

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Alte Zechen, alte Schlösser – die Ruhrtriennale im Vergleich mit anderen Sommerfestivals

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Gleich kommt Musik: Haus Bothmer ist eine Spielstätte der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern. (Foto: rp)

Jene rußig-grauen Zeiten, da tief die Briketts durch das Ruhrgebiet flogen, sind bekanntlich vorbei. Die Industrie wurde etwas sauberer und viel logistischer, doch die Kultur setzt nach wie vor auf alte Werte und Orte, wirkt zwischen Hochöfen, in Gebläsehallen und gigantischen Kohlemischanlagen. Dieses Verharrungsvermögen ist eigentlich erstaunlich, denn gerade von der Kultur könnte man doch erwarten, daß sie sich neue Terrains erobert.

Doch nein, sie verharrt. Und dies keineswegs nur im Ruhrgebiet, wo das Land eher grau als grün ist, sondern stärker noch auf dem platten Land, wo in nach wie vor wachsender Zahl alte Schlösser, Güter und Ritterburgen mit Kulturveranstaltungen prunken.

Vor etlichen Jahren gab sich … Weiterlesen

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Aus Sicht der Drohne: Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ bei der Triennale

René Jacobs dirigierte Haydns "Schöpfung". Rechts neben ihm die Sopranistin Sophie Karthäuser (Foto: Wonge Bergmann/Ruhrtriennale)

René Jacobs dirigierte in der Kraftzentrale des Duisburger Landschaftsparks Haydns Oratorium „Die Schöpfung“. (Foto: Wonge Bergmann/Ruhrtriennale)

Berittene Polizei musste für Ordnung sorgen, als es im Jahr 1798 zur halbprivaten Uraufführung von Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ kam. Groß war der Zulauf auch bei den weiteren Wiener Aufführungen, von denen die meisten in drangvoller Enge stattgefunden haben.

Haydns Meisterwerk traf nicht nur den Nerv der Epoche: Seine weltfreudige Religiosität, sein vom christlichen Dogma emanzipiertes Menschenbild, der tönende Optimismus des aufklärerischen Denkens hat Musikfreunde über alle Zeiten hinweg begeistert. Geist, Licht und Vernunft sind Kernworte des Librettos von Gottfried van Swieten, das auf biblischen Texten und auf John Miltons Dichtung „Paradise Lost“ beruht.

Auch im Duisburger Norden entfaltete Haydns Oratorium jetzt seine … Weiterlesen

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