Südsee-Glamour und politische Utopie: Paul Abrahams Operette „Blume von Hawaii“ in Hagen

Frank Wöhrmann (Jim Boy) und Penny Sofroniadou (Raka) in Paul Abrahams „Blume von Hawaii“ in Hagen. (Foto: Klaus Lefebvre)

Was der Gentleman im Dschungel zu tun hat, erfahren wir nicht so richtig. Aber dass ihm bei einem möglichen Rendezvous die Affen zuschauen, der Tiger brüllt und jede Menge „uh uh“ dabei ertönt, macht uns Paul Abraham in diesem herrlichen Nonsens-Song ausgiebig bewusst.

In Hagen, wo die Operette zum Glück noch eine Heimstatt hat, gibt es mit der „Blume von Hawaii“ eine prickelnde Mischung aus höherem Blödsinn, kitschtriefender Südsee-Romantik und behutsamen politischen Anspielungen – also eine Melange wie geschaffen für eine wirkungsvolle Unterhaltungs-Show. Doch die musste coronabedingt mager ausfallen: Bei der Premiere im Oktober letzten Jahres war Abstand nötig … Weiterlesen

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Rekonstruktion einer Abtreibung von 1964 – „Das Ereignis“ von Annie Ernaux

Oktober 1963. Eine Studentin ist schwanger. Sie will das Kind nicht bekommen. Was daraus folgt, ist heute kaum noch vorstellbar. Auch deshalb hat es Annie Ernaux lange Zeit später aufgeschrieben. Die Erinnerung hat ihr über Jahrzehnte keine Ruhe gelassen. Ihr im Jahr 2000 erschienener, denkbar schmerzlicher Erlebens-Bericht „L’événement“ ist erst jetzt auf Deutsch erschienen und heißt „Das Ereignis“.

Mit Hilfe alter Kalender-Einträge und Tagebuch-Notizen hat Annie Ernaux versucht, nachträglich zur damaligen Wahrheit vorzudringen, Worte für das eigentlich unsagbare (nicht: unsägliche), jedenfalls ungeheure Geschehen zu finden, das hernach – im Laufe der späten 1960er und der 1970er Jahre – zur scheinbaren, vielfach achselzuckend hingenommenen „Normalität“ geronnen zu sein schien.

Im Bann des strikten Verbots

Anno 1963 war Abtreibung strikt verboten. Es … Weiterlesen

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Geschichtlicher Spuk – Maxim Billers Roman „Der falsche Gruß“

Junger Mann namens Erck Dessauer drängt als kommender Autor zum führenden Edelverlag, doch der dort längst etablierte, allseits hofierte Großschriftsteller und jüdische Intellektuelle Hans Ulrich Barsilay scheint ihn daran hindern zu wollen. Nanu?

Gleich zu Beginn begibt sich dieser Skandal, als wär’s eine Phantasmagorie: In einer irrsinnigen Aufwallung zeigt Dessauer diesem Barsilay und dessen eingeschworener Entourage so etwas wie einen zittrigen Hitlergruß. Ein hochnotpeinlicher Moment im Berliner Lokal „Trois Minutes“. Ganz gleich, ob Dessauer damit die vermeintlichen Machtspiele des anderen provokant kenntlich machen wollte: Die gänzlich verunglückte Geste dürfte doch wohl das Ende all seiner Ambitionen bedeuten. Mit seinem publizistischen Einfluss wird Barsilay ihn nun gewiss gesellschaftlich vernichten, oder? Wir werden nun Zeugen einer unkontrolliert anschwellenden Furcht.

In der Villa … Weiterlesen

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„Stonehenge“ in Herne: Der Mythos lebt – sogar in Styropor

Bis zu 7 Meter hoch und denkbar wuchtig: Nachbau des inneren Steinkreises von Stonehenge in Herne (Teilansicht). (Foto: Bernd Berke)

Betritt man den zentralen, hallenhohen Raum des LWL-Museums für Archäologie in Herne, so kommt man sich ziemlich klein vor. Ringsum ragen gigantische „Steine“ auf – just wie im berühmten südenglischen Stonehenge. Tatsächlich hat man den inneren Kreis des über 4000 Jahre alten Megalith-Monuments mit modernster Laserscan-Technologie vermessen und in Originalgröße nachgebaut.

Nun gut, die bis zu sieben Meter hohe Rekonstruktion mit 17 Repliken des inneren Steinkreises besteht aus Styropor, doch die Außenhaut (sanftes Berühren erlaubt!) soll sich ähnlich anfühlen wie jener Sandstein, aus dem das Vorbild besteht. Mehr noch: Während das englische Original an etlichen Stellen von Moos und Flechten … Weiterlesen

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Joseph Beuys auf der Spur: Aktions-Fotografien von Ute Klophaus in Wuppertal

Große Geste: Joseph Beuys bei der Aktion „Titus/Iphigenie“ (J. Beuys/J. W. v. Goethe/C. Peymann/W. Shakespeare/W. Wiens). 29. Mai 1969, 20 Uhr, Theater am Turm, Frankfurt am Main. Fotografie: Ute Klophaus, Bromsilberabzug auf Papier, schwarzweiß, Risskante unten (Courtesy Sammlung Lothar Schirmer | © Nachlass Ute Klophaus / © für das Werk von Joseph Beuys: VG Bild-Kunst, Bonn, 2021)

Nein, beim vielfältigen Ausstellungsreigen im Beuys-Gedächtnisjahr soll Wuppertal auf keinen Fall abseits stehen, meint Roland Mönig, Direktor des Von der Heydt-Museums. Sein Haus hat sich ein spezielles, bislang nur selten beleuchtetes Thema ausgesucht, nämlich Fotografien, die Ute Klophaus (1940-2010) von Aktionen des Joseph Beuys (1921-1986) aufgenommen hat.

Rund 230 Arbeiten umfasst die von Antje Birthälmer kuratierte Schau. Bemerkenswerte Traditionslinie: Schon die erste Einzel-Präsentation … Weiterlesen

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Ein großes Versprechen: Der 26jährige Patrick Hahn tritt sein Amt als GMD in Wuppertal an

Patrick Hahn und das Sinfonieorchester Wuppertal. (Foto: Uwe Schinkel)

Ein spannender Tag für Wuppertal. Man spürt es im Publikum. Erwartungsfroh strömen die Menschen in die Historische Stadthalle. Das Foyer füllt sich wie früher. „Was für ein Zeichen des Aufbruchs“, freut sich Wuppertals Oberbürgermeister Uwe Schneidewind.

Nach eineinhalb Jahren Corona-Pandemie ist der glanzerfüllte Saal der Stadthalle wieder einmal voll besetzt. 1.200 Menschen erwarten den neuen Generalmusikdirektor Patrick Hahn zu seinem Antrittskonzert. Und auf dem Podium harrt das volle Orchester.

Patrick Hahn ist erst 26 Jahre alt und der jüngste GMD im deutschsprachigen Raum. Mit 19 stand er in Budapest zum ersten Mal vor einem großen Profi-Orchester; inzwischen hat er eine stattliche Liste vorzuweisen, die vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks über das … Weiterlesen

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Starker Auftakt: Neues Frauenteam des BVB gewinnt im allerersten Punktspiel gleich 8:0

Olé, hier kommt der BVB, und zwar das Frauenteam (zum Schlussapplaus). (Foto: Bernd Berke)

Also, davon muss nun auch einmal berichtet werden: Der ruhmreiche BVB hat jetzt (endlich, endlich!) ein Fußball-Frauenteam, das heute gleich fulminant in den Punktspielbetrieb eingestiegen ist – mit einem 8:0-Heimsieg gegen den BV Brambauer.

So drückend überlegen waren die BVB-Damen, dass Brambauer nur ganz selten gerade mal über die Mittellinie kam und im gesamten Spiel keine einzige Torchance hatte.

Wir reden von der Kreisliga A, in der die brandneue BVB-Formation startet, um sich vielleicht und hoffentlich von Saison zu Saison hochzuarbeiten. Kreisliga? Nun ja. Immerhin 1625 Zuschauerinnen und Zuschauer waren ins altehrwürdige Stadion „Rote Erde“ gepilgert – mehr als zu jedem Frauen-Bundesligaspiel dieses Wochenendes. Okay, die … Weiterlesen

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Reisen durch ein fantastisches Universum: Vor 100 Jahren wurde Stanislaw Lem geboren

Als Science-Fiction-Autor wollte er sich nicht gerne bezeichnen lassen, aber auf diesem Feld hat sich Stanislaw Lem einen unsterblichen Namen gemacht. Vor 100 Jahren, am 12. September 1921, im damals noch polnischen Lemberg geboren, hat er originelle Werke voll Humor und visionärer Kraft geschrieben, die laut Wikipedia in 57 Sprachen übersetzt und über 45 Millionen Mal verkauft wurden.

Die Werke von Stanislaw Lem erscheinen im Suhrkamp-Verlag, so auch der Roman „Die Stimme des Herrn“. (Cover: Suhrkamp Verlag)

Zu seinen bekanntesten Büchern zählt der Roman „Solaris“, der drei Mal verfilmt und von Michael Obst, Detlev Glanert und Dai Fujikura auch zum Opernstoff erkoren wurde. Stanislaw Lem hatte gerade begonnen, Medizin zu studieren, als die Deutschen in Lemberg einmarschierten. Während des Krieges … Weiterlesen

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Der Traum von Bayreuth: Festspiel-Inspirationen für Aalto-Chorsänger Wolfgang Kleffmann

Keine Ruhepause für Wolfgang Kleffmann nach der Rückkehr von den Bayreuther Festspielen: Einen Tag nach der letzten Vorstellung von Wagners „Meistersingern“ war er bereits morgens auf dem Weg zur Probe im Aalto-Theater.

Wolfgang Kleffmann singt seit 2003 im Essener Aalto-Chor und seit 2005 im Bayreuther Festspielchor. (Foto: Werner Häußner)

Nach Wagner steht nun Verdi an: Der Chor des Essener Opernhauses bereitet sich auf die Wiederaufnahme von „Rigoletto“ am 12. September vor, in einer „semikonzertanten“, von Sascha Krohn eingerichteten Form. Tianyi Lu, aus Shanghai stammend und in Neuseeland groß geworden, steht als Gastdirigentin am Pult. Sie ist die Gewinnerin des internationalen Sir Georg Solti Dirigentenwettbewerbs 2020. Die Titelrolle singt der isländische Bariton Ólafur Sigurdarson, als Rigolettos Tochter Gilda ist Tamara Banješević … Weiterlesen

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Schloss Cappenberg: Nach langer Schließung kehrt bald wieder Leben ein

Schloss Cappenberg in Selm, erbaut ab Mitte des 17. Jh. auf dem Gelände des im Dreißigjährigen Krieg zerstörten ersten deutschen Prämonstratenserstiftes Cappenberg. Im Bild das 1708 vollendete Hauptgebäude, ab 1816 im Besitz des Freiherrn vom Stein (1757-1831). (Foto: LWL)

Gleich heraus mit der guten Nachricht: Vermutlich ab März, jedenfalls ab Frühjahr 2022 wird endlich wieder Ausstellungsleben ins Schloss Cappenberg (Selm, Kreis Unna) einkehren. Das altehrwürdige Gemäuer war seit rund fünf Jahren fürs Publikum geschlossen. Es ist draußen wie drinnen gründlich renoviert worden.

Rund 4,5 Millionen Euro hat das ganze Unterfangen gekostet. Der Hausherr, Graf Sebastian von Kanitz, hat den Löwenanteil finanziert. Je etwa 600.000 Euro, zusammen also 1,2 Mio. Euro, haben der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) und der Kreis Unna beigesteuert. … Weiterlesen

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Eine Frau leitet künftig das Aalto-Theater: Merle Fahrholz wechselt aus Dortmund als Intendantin nach Essen

Stellte sich bei einer Pressekonferenz vor: Dr. Merle Fahrholz, ab der Spielzeit 2022/23 Intendantin des Aalto-Theaters und der Essener Philharmoniker. (Foto: Werner Häußner)

Zum ersten Mal werden das Essener Aalto-Theater und die Essener Philharmoniker von einer Frau geleitet: Merle Fahrholz, bisher stellvertretende Intendantin und Chefdramaturgin an der Oper Dortmund, folgt zu Beginn der Spielzeit 2022/23 Intendant Hein Mulders nach, der die Leitung der Oper Köln übernimmt.

Ein Arbeitsausschuss des Aufsichtsrats der TuP (Theater und Philharmonie Essen GmbH) hatte die 38jährige promovierte Musikwissenschaftlerin in einem „straffen und intensiven Prozess“ – so der Essener Kulturdezernent Muchtar al Ghusain – aus über vierzig Persönlichkeiten aus der nationalen und internationalen Opernszene ausgewählt. Die einstimmige Entscheidung bedeutet auch, dass die Philharmonie Essen künftig eigenständig geleitet … Weiterlesen

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Coup zur Saison-Eröffnung: Bayreuther Festspielorchester in der Philharmonie Essen

Christine Goerke, Klaus Florian Vogt und – im Hintergrund – Andris Nelsons in der Philharmonie Essen. (Foto: Sven Lorenz)

Dieser Aufbruch hat es in sich: Vierfach geteilte Violinen in ätherischem Pianissimo, vier einzelne Geigen, ein ständig gefordertes An- und Abschwellen des Tones in kleinräumiger Dynamik. Ein auf Richard Wagner spezialisiertes Orchester wie dasjenige der Bayreuther Festspiele sollte mit der fragilen Faktur des „Lohengrin“-Vorspiels versiert umgehen. Sollte.

Tatsächlich tritt die silbrige Klangfläche nicht wie von Ungefähr in den Bereich hörbaren Klangs, sondern beginnt, wie oft in der Wagner-„Provinz“, zu laut, zu körperlich – und auch zu brüchig. Andris Nelsons am Pult mag sich in der Essener Philharmonie noch so sehr bemühen: Der Zug der Dynamik hatte Fahrt aufgenommen und war nicht … Weiterlesen

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Manchmal bleibt auch Gsella nur die Wut – Neue Gedichte von einem, der nicht bloß Spaß-Lyriker sein kann

„Menschen und Dinge“, „Tiere und Viren“, „Orte und Zeiten“. So heißen die drei Hauptkapitel in Thomas Gsellas neuem Gedichtband „Ich zahl’s euch reim“. In diese Rubriken passt nun wirklich alles reim, äh: rein.

Den allumfassenden Kategorien zum Trotz: Gsella ergeht sich hier vielfach in schnellen Gelegenheits-Gedichten, auch Corona-Fährnisse kommen in gehöriger, geradewegs impftauglicher Dosis vor – ebenso Leute wie Joe Biden, Laschet, Baerbock, Scholz, Lindner, „Verkehrtminister“ Scheuer oder eben auch dieser kluge Herr in etwas gewagten Zeilen:

Von dem Süden übern Westen Übern Norden bis zum Osten Weltweit virologt am besten Unser Virologe Drosten.

Außerdem lesen wir allerlei Stophen über mehr oder weniger aktuelle Phänomene wie Instagram, Influencer, Podcasts, E-Roller, Lastenrad und Dschungelcamp. Dicht(ung) am Puls der Zeit, hehe!

Bei … Weiterlesen

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Abstand von der Gesellschaft gewinnen – Rüdiger Safranskis philosophisches Buch „Einzeln sein“

Der vielfach bewanderte Gelehrte Rüdiger Safranski hat sich ein Thema von geradezu universellem Gewicht vorgenommen: Wie verhalten sich Individuen und Gesellschaft zueinander, wie steht überhaupt das Einzelne zum großen Ganzen? Hierzu unternimmt Safranski einen Streifzug, der vornehmlich durch die abendländische Philosophie-Geschichte führt.

Die Geistes- und Gedankenreise geleitet uns zunächst in die Renaissance mit ihrer nicht zuletzt geldwirtschaftlich bedingten Freisetzung des Individuums, und zu Martin Luther, der den Gottesglauben als Sache des Einzelmenschen betrachtete, unabhängig von (kirchlichen) Institutionen. Sodann gelangt Safranski zu Michel de Montaigne, der im höchst persönlichen Denken eine Zuflucht vor gesellschaftlichen Zumutungen suchte. Er wollte im Denken schlichtweg seine Ruhe finden und Abstand gewinnen. Jean-Jacques Rousseau schwankte später zwischen den Extrempolen einer völligen Preisgabe an den Staat („Du … Weiterlesen

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Der coolste „Rolling Stone“: Charlie Watts ist tot

Charlie Watts 2010, unverbrüchlich an den Drums. (Wikimedia Commons – Flickr: „The ABC & D of Boogie Woogie, Herisau, 13. Januar 2010 – © Poiseon Bild & Text, St. Gallen, Switzerland / Link zur Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.en)

Ich geb’s freimütig zu: Mick Jagger („swagger“) mit all seinen extrovertierten Posen fanden wir damals schon ziemlich geil. An ihm war alles offensichtlich. Mit der Zeit ahnten einige von uns, dass der schier unsterbliche Gitarrist Keith Richards vielleicht noch eine Spur „cooler“ war.

Doch mit noch ein paar Jahren mehr wurde klar, dass der obercoolste von allen Rolling Stones eben doch der unerschütterliche Drummer Charlie Watts gewesen ist. Heute ist er im Alter von 80 Jahren in London gestorben, vermutlich an den Spätfolgen … Weiterlesen

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Der Stadtnomade als alternder Mann – Paul Nizons Journal „Der Nagel im Kopf“

Der Schweizer Schriftsteller Paul Nizon, seit vielen Jahren in Paris lebend, ist mittlerweile 91 Jahre alt. Es erscheint durchaus als altersgerecht, wenn er in seiner jüngsten Journal-Sammlung weit, weit zurückblickt. So erinnert er sich an Liebschaften, die etliche Jahrzehnte zurückliegen oder gar an die ersten weiblichen Lockrufe, die ihn zur Frühzeit ereilten, überhaupt an die Phasen der „Lebens-Anwärterschaft“, die hernach zum Antrieb seines Schreibens geworden sind.

Der vielfach – zumal in der schreibenden Zunft – verehrte Nizon (ein kostbares Hauptwerk: „Das Jahr der Liebe“ von 1981) ist nie ein Autor für die Menge gewesen, aber einer, der aus der neueren deutschsprachigen Literatur schwerlich wegzudenken ist; erst recht nicht aus französischer Perspektive besehen. Nach wie vor schreibt Nizon seine Bücher auf … Weiterlesen

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Sonneborn steigt in den Wahlkampf ein – mit 99 launigen Ideen und einigen „Bonustracks“

Es ist angeblich Wahlkampf – und da führt man sich schon mal ein politisch angehauchtes Büchlein zu Gemüte. Angehaucht? Naja, schon durchdrungen.

Der mittlerweile weithin bekannte Martin Sonneborn („& seine politische Beraterin“, Claudia Latour) stemmen „99 Ideen zur Wiederbelebung der politischen Utopie“. Ausweislich des Covers ist hier das Kommunistische Manifest durch Streichung von „munist“ das komische Manifest geworden. Man ist schließlich der Satire verpflichtet, so ungefähr vom Geiste der „Titanic“.

Und was steht drin? So allerlei. Und es scheint, als werde hier nichts, aber auch gar nichts ernst genommen – vielleicht erst einmal ein ratsamer Zugriff in diesen Zeiten. Alle bestehenden Parteien (außer Sonneborns „Die Partei“, versteht sich) seien überflüssig, heißt es sogleich. Alles nur öde Realisten, die unentwegt öde … Weiterlesen

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Wieder Leben in den Hallen – am Wochenende startet die erste Ruhrtriennale der neuen Intendantin Barbara Frey

Barbara Frey ist die Intendantin der Ruhrtriennale 2021 bis 2023. (Foto: Daniel Sadrowski/Ruhrtriennale)

Warum das Festival diesmal kein Motto habe, wurde Barbara Frey gefragt. Bevor sie antwortete, und das ist eigentlich sympathisch, dachte die neue Intendantin der Ruhrtriennale erst einmal nach. „Ich bin skeptisch gegenüber Überschriften“, sagte sie dann, und auch das Wort Leitlinie, das jemand in den Raum gestellt hatte, war nicht so recht ihres. Aber wiederkehrende Fragen gebe es im neuen Programm durchaus, etwa die, wie wir mit unseren Erinnerungen umgingen.

Geist oder gar Geister

Oder mit dem Geist, den Geistern gar, die in den alten Industriehallen wohnen. Vielleicht werden die Frühaufsteher einigen von ihnen begegnen, wenn, sie, schlaftrunken noch, sich zum Auftaktkonzert in die Gladbecker Maschinenhalle Zweckel … Weiterlesen

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Familienfreuden auf Reisen: Von Bergziegen und Meerschweinchen

Kein Wunder, dass wir uns Meerschweinchen gekauft haben. Wir sind selbst welche. Also glücklicherweise nicht ganz so kugelrund wie unsere drei Damen vom Südamerika-Grill. Und auch weniger schreckhaft. Aber das Meer, das könnte auch vor unseren Namen stehen. Meer-Nadine. Meer-Normen. Meer-Fi. Dieses Jahr aber haben wir uns als Bergziegen versucht.

Wo bitte geht es zum Meer? Wenn Meerschweinchen sich als Bergziegen versuchen. (Bild: Albach)

Urlaub und Corona, das klang vielleicht früher mal gut, als jeder noch an das Bier und niemand an ein Virus gedacht hat. Seit 2020 aber ist Urlaub für uns mit vielen Fragen verbunden. Können wir überhaupt Urlaub machen? Wohin? Wie sind dort die Inzidenzen? Und wenn doch etwas passiert: Wie weit wollen wir von Zuhause weg … Weiterlesen

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Der erste Opernstar der Schellack-Zeit: Vor 100 Jahren starb der gefeierte Tenor Enrico Caruso

Der legendäre Tenor Enrico Caruso im Jahr 1910. (Laveccha Studio, Chicago / Wikimedia, gemeinfrei/public domain)

Schon mal gehört? „Der singt wie ein Caruso“. Ein geflügeltes Wort, auch von Menschen zitiert, die den wirklichen Caruso nie gehört hatten, nicht einmal auf seinen legendären Schellack-Platten. „Caruso“ galt als bedeutungsgleich für faszinierendes Singen, spätestens seit der Tenor aus Neapel vor 100 Jahren, am 2. August 1921, in seiner Heimatstadt unerwartet an den Folgen einer Rippenfellentzündung gestorben war.

Carusos Karriere war auch in der Zeit der großen Opern-Diven und der gefeierten Heldentenöre einzigartig. Kaum ein Sänger – vielleicht mit Ausnahme von Maria Callas – versetzte die Opernwelt so sehr in Aufregung. Kaum ein anderer Name ist bis heute auch außerhalb der Welt des Musiktheaters … Weiterlesen

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Geistvoller Zaubertrank: „Le Philtre“ von Daniel François Esprit Auber wiederentdeckt

Konzertante moderne Erstaufführung von Aubers „Le Philtre“ im Kurtheater Bad Wildbad. Von Links: Emmanuel Franco, Luiza Fatyol, Patrick Kabongo. (Foto: Saskia Krebs)

Moment! Die Geschichte kommt uns bekannt vor: Ein einfacher Landarbeiter, ziemlich naiv, aber rührend seelenvoll, schmachtet für eine kapriziöse junge und begüterte Frau. Ein geheimnisvolles Elixier, verkauft von einem großmäuligen Quacksalber, bringt ihn auf die Sprünge, löst ihm die Zunge, aber ein schneidiger Soldat fährt ihm in die Parade. Am Ende kriegt er, was er ersehnt.

Das ist doch die nicht zuletzt wegen „Una furtiva lagrima“ beliebte Oper Gaetano Donizettis, die als „Elisir d’amore“ den Ruf des „Liebestranks“ in alle Ecken der musikalischen Welt verbreitet hat?

Stimmt – und stimmt doch nicht: Denn ein knappes Jahr vor der … Weiterlesen

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Vom IT-Campus zum „Theatermacher“ – eine kleine Dortmunder Betrachtung in Zeiten des Home-Office

Dort, wo jetzt noch ein markanter Hallenbau am Ufer der Emscher das Bild beherrscht, soll der neue IT-Campus entstehen. (Bild: p)

„Hoesch-Spundwand“, abgekürzt HSP, war viele Jahre ein Sorgenkind unter den Dortmunder Industriebetrieben, bis es dann 2015 endgültig zumachte – keine profitablen Aufträge und keine Aussicht auf Besserung. Was blieb, war im Westen der Stadt ein großes Industrieareal entlang der Emscher mit einer imposanten Halle, von der Emscherallee aus in ganzer Schönheit zu bestaunen. Und dann kamen die Planer.

„Wie das Google-Hauptquartier“

Im Lokalteil der Dortmunder Zeitungen – ja, für die, die nicht von hier sind und es nicht wissen: es gibt nur noch einen Lokalteil in Dortmund, der von den Ruhr-Nachrichten produziert und den die Funke-Titel WAZ und Westfälische … Weiterlesen

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Strahlendes Glück: „Elisabetta, Regina d’Inghilterra“ beim Festival „Rossini in Wildbad“

Serena Farnocchia als Elisabetta in Rossinis Oper „Elisabetta, Regina d’Inghilterra“ beim Festival „Rossini in Wildbad“. (Foto: Patrick Pfeiffer)

Macht hat ihren Preis: Um störende emotionale Einflüsse auszuschalten, will die Königin hinfort die Liebe aus ihrem Herzen verbannen. Dulden wird sie in sich nur noch Ruhm und „Pietá“ – ein italienischer Begriff, der schwer ins Deutsche zu übersetzen und zwischen Barmherzigkeit und religiös fundiertem Wohlwollen anzusiedeln ist. Man möchte nicht tauschen mit Gioachino Rossinis englischer Königin „Elisabetta, Regina d’Inghilterra“.

Die knapp drei Stunden dauernde Studie über die Ohnmacht der Mächtigen, die Macht der Täuschung und Intrige und das Verhängnis verborgener Gefühle ist die zentrale Oper des diesjährigen Festivals „Rossini in Wildbad“, das seit mehr als 30 Jahren unendlich wertvolle Entdeckerarbeit leistet. … Weiterlesen

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Klavier-Festival Ruhr: Mit Bravour in die Sommerpause

Arcadi Volodos bei seinem Konzert im Kulturzentrum Herne. Foto: Peter Wieler

Zum Ende der Sommer-Ausgabe des Klavier-Festivals Ruhr 2021 spielten Arcadi Volodos und Lise de la Salle herausragende und emotional bewegende Konzerte. Gastautor Robert Unger berichtet.

Bereits zum 17. Mal war Arcadi Volodos zu Gast beim Klavier-Festival Ruhr und interpretierte in Herne zu Beginn seines Konzertes die sechs Klavierstücke op. 118 von Johannes Brahms. In diesen gewichtigen Miniaturen zeigt Volodos seine Genialität in einer unaufgeregten, fein ausgeformten und präzisen Spielweise. Auch seine dynamische Finesse entfaltet sich im elegant flanierenden ersten „Intermezzo“. Jeder Ton findet Raum zur Klangentfaltung, die Bass-Linie wird hervorragend ausgeformt.

Im zweiten Teil des Konzertes kann der Pianist seine exzellenten Fähigkeiten in der Interpretation der Sonate A-Dur D … Weiterlesen

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Selbsterlösung ins Ungewisse: Claus Guth inszeniert in Frankfurt Francis Poulencs „Dialogues des Carmélites“

Maria Bengtsson als Blanche in der Frankfurter Neuinszenierung von Francis Poulencs „Dialogues des Carmelites“. Foto: Barbara Aumüller

Als letzte Neuinszenierung in dieser so hoffnungsvoll verkündeten und so bitter ausgefallenen Pandemie-Spielzeit hat die Oper Frankfurt Francis Poulencs „Dialogues des Carmélites“ angesetzt.

Intendant Bernd Loebe vertraut die aus zutiefst katholischem Urgrund erwachsenen „Gespräche der Karmeliterinnen“ mit Claus Guth einem Regisseur an, bei dem man sich, was immer er auch in die Hand nimmt, einer schlüssigen, zumindest aber auf hohem Niveau diskutierbaren Lösung sicher sein kann. In Frankfurt und im Falle der als Märtyrerinnen sterbenden Nonnen bleibt es bei der Diskussion.

Guth beginnt mit einem Bild: Martina Segnas abstrahierter Raum ist dunkel; ein Kubus mit geometrisch gegliederten und durchbrochenen Wänden erscheint ahnungsvoll im … Weiterlesen

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Filigran, trivial und dreidimensional – Stephanie Brysch zeigt Ausgeschnittenes im Torhaus Rombergpark

Wehe, wenn sie ausgeschnitten: Bedrohlich quellen Pflanzen aus dem Buch Karl Blossfeldts hervor. (Foto: rp)

Eigentlich sollte eine Ausstellungsbesprechung ja nicht mit dem Handwerklichen beginnen, das jeder künstlerischen Arbeit innewohnt. Doch wenn man beschreiben will, was Stephanie Brysch (Jg. 1976) macht, bleibt einem kaum etwas anderes übrig. Die Dortmunder Künstlerin schneidet aus, was ihr des Ausschneidens wert zu sein scheint, Blumen aus dem Blumenkatalog zum Beispiel oder Schmetterlinge aus einem alten Lehrbuch, Singvögel, Raupen; aber auch Szenen und Details aus Comic-Heften, Felsformationen aus selbstgemachten alten Schwarzweißfotografien und vieles mehr.

Leider läßt die „einäugige“ Fotografie die Dreidimensionalität des Objekts nur ahnen. Doch die Schatten der Pilze sind echt. (Foto: rp)

Pures Handwerk

Ausgeschnittenes wird thematisch geordnet archiviert und in Form und … Weiterlesen

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Wortwahl (1): „ergattern“

Die Regionalpresse im Ruhrgebiet (vielleicht ja auch anderswo) scheint sich neuerdings auf ein Wort geeinigt zu haben, wenn es um Impfungen geht. Immer und immer wieder heißt es, jemand habe einen Impftermin oder Impfstoff „ergattert“. Das hört sich so flott und gewitzt an, dass es nur seine Unart hat.

Wer hat hier was „ergattert“? Diskreter Blick in ein Impfzentrum. (Foto: BB)

Ganz ehrlich: Ich mag dieses Wort nicht sonderlich, schon gar nicht im besagten Zusammenhang. Nach meinem Empfinden suggeriert es, dass man im Grunde keinen begründeten Anspruch habe. Stattdessen, so der Anschein, hat man Tricks angewendet oder ist zumindest ziemlich clever gewesen. Ja, man könnte sogar meinen, sie oder er habe den Impftermin recht eigentlich „ergaunert“ oder sich erschlichen.

Auch … Weiterlesen

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Er konnte viel mehr als diese Albernheiten im Wirtschaftswunder – zum Tod von Bill Ramsey

Label von Bill Ramseys Single „Pigalle“ (Polydor NH 24428) aus dem Jahr 1961. (© Deutsche Grammophon / Quelle: www.rocknroll-schallplatten-forum.de)

Ich mach’s kurz, es gibt gar nicht so viel zu sagen: Es stimmt mich traurig, dass Bill Ramsey mit 90 Jahren gestorben ist. Seine Stimme hat ein paar Tonlagen meiner Kindheit und meiner Generation mitgeprägt – bevor die Beatles und all die anderen kamen.

Zu den weit verbreiteten Weisheiten über den 1931 in Cincinnati/Ohio geborenen US-Amerikaner, der sich nach seiner Soldatenzeit dauerhaft in Deutschland niederließ, gehört es, dass er musikalisch viel mehr vermochte, als er in seinen Schlagern zeigen durfte. Eigentlich war er ein Jazz-, Swing- und Blues-Könner von Graden – ähnlich wie etwa Paul Kuhn, mit dem er öfter gemeinsam … Weiterlesen

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Großmoguln der Songlisten oder: Selbsternannte Sachwalter von Alan Bangs

Liebe Gemeinde! Anfang Juni habe ich hier einen Beitrag zum 70. Geburtstag des famosen Rockmusik-Vermittlers Alan Bangs eingestellt. Nachträglich möchte ich jetzt von unerfreulichen Erfahrungen berichten, die ich mit angemaßten Sachwaltern seines DJ-Lebenswerks machen musste.

Objekte der Begehrlichkeit: ein Teil meiner Cassetten mit Auszügen aus Sendungen von Alan Bangs. (Foto: BB)

Zunächst ereilte mich aus der mählich gealterten Bangs-Fanszene Lob, auch weil das Medienecho auf den Geburtstags-Anlass ansonsten äußerst dünn, um nicht zu sagen kaum vorhanden gewesen ist.

Doch dabei blieb es nicht. Es kam zu Begehrlichkeiten, als ich so unvorsichtig war, alte Songlisten zu erwähnen, die sich auf meine Cassetten-Aufnahmen aus den 1980er Jahren bezogen. Da ging’s aber zur Sache. Um es comichaft zu sagen: „Habenwoll!“

Top-Virologen, Bundestrainer, Bangs-Experten… Weiterlesen

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In 10 Minuten geliefert – Wozu die Hetze?

10 Minuten Lieferzeit? Da muss selbst die Kartoffel grinsen. (Foto: Bernd Berke)

Ich hab’s nicht ausprobiert und möchte das sowieso nicht. Seit relativ kurzer Zeit sind auch in Revier-Breiten diese wahnwitzigen Lieferdienste unterwegs, die versprechen, einen online vorbestellten Supermarkt-Einkauf bereits binnen 10 oder 15 Minuten zu bringen. Warum? Wozu? Weshalb?

So rasen sie denn durch Bochum, Dortmund oder Essen – Gorillas, Flink und Konsorten. Wer noch einen Dienst gründen möchte: „fix“, „flugs“ oder „schnurstracks“ heißt wohl noch keiner, oder?

Dermaßen riskant sind manche dieser Radfahrer unterwegs, dass man das Fürchten lernen kann. Zumal in Gemengelagen mit den allgegenwärtigen E-Rollern bringen sie sich und andere in Gefahr – und alles nur, damit ein paar Hanseln (oder Greteln) in Windeseile ihr Zeug … Weiterlesen

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Wie einer den anderen zur Geltung bringt: Hagen zeigt Gemeinschaftsbilder von Jiří Georg Dokoupil und Julian Schnabel

Jiří „Georg“ Dokoupil (li.) und Julian Schnabel vor einem ihrer großformatigen Gemeinschaftsbilder („untitled#14″) im Hagener Osthaus Museum. (Foto: Bernd Berke)

So verschieden sind die Menschen, auch und gerade, wenn es sich um weltbekannte Künstler handelt: Es könnte einem phasenweise fast entgehen, dass Jiří Georg Dokoupil beim Pressetermin zugegen ist, so zurückhaltend gibt sich der 1954 in der Tschechoslowakei geborene, heute in Berlin und Prag lebende Künstler und einstige Protagonist der „Jungen Wilden“ der 1980er Jahre.

Nun aber Julian Schnabel! Einem Malerfürsten gleich, entert der soeben aus New York eingeflogene US-Amerikaner (Jahrgang 1951) die Ausstellungsräume des Hagener Osthaus Museums und beginnt sogleich, das Gestühl für die Pressekonferenz eigenhändig umzustellen. Um freie Sicht auf die Kunst ist es ihm zu tun. Gleichzeitig … Weiterlesen

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„Dortmunder U“ im Disco-Rausch: Ausstellung feiert den legendären Club „Studio 54″

Rose Hartman (American, born 1937): Zu Pferde zelebriert Bianca Jagger am 2. Mai 1977 ihren 27. Geburtstag im Studio 54. Auf dieser Aufnahme nicht zu sehen: Ein nackter Mann hielt die Zügel. (Black and white photograph. Courtesy of the artist. © Rose Hartman)

Hört sich doll an: Premiere hatte die Schau in New York, in Toronto fiel sie wegen Corona aus, jetzt ist sie in Dortmund zu sehen – und sonst nirgendwo. Es geht um die legendäre Clubdisco „Studio 54″, deren verbliebene Essenzen nun im „Dortmunder U“ wiederbelebt werden sollen.

Die seinerzeit weltberühmte Kult-Disco an der 54. Straße in Manhattan gab es nur 33 Monate lang, zur Eröffnung im April 1977 kamen Celebrities wie Frank Sinatra, Cher oder auch Donald … Weiterlesen

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Feinsinnig und differenziert: Das Mannheimer Streichquartett spielt in Essen Bartók, Schubert und Schumann

Das Mannheimer Streichquartett. Foto: Saad Hamza

Wer sich an das klassische Ideal des Streichquartetts als Gespräch selbständiger Stimmen hält, wird an Robert Schumanns unter der Opuszahl 41 zusammengestellten drei Streichquartetten einiges auszusetzen haben.

Hier gilt es nicht den verspielten melodischen Verschränkungen eines Joseph Haydn, hier tritt auch die Transparenz der Satztechnik, wie sie Mozart gepflegt hat, in den Hintergrund. Was im Konzert zunächst als orchestrale Fülle wahrgenommen wird, ist im dritten der Quartette in A-Dur tatsächlich ein Zurücktreten motivischer Arbeit, die aber durch eine beispiellose harmonische Verdichtung aufgefangen und beinahe unkenntlich gemacht wird.

Das Mannheimer Streichquartett schloss bei seinem Konzert in der Essener Philharmonie mit diesem Werk sein Programm ab. Das dürfte kein Zufall sein, denn auch in Béla Bartóks … Weiterlesen

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Schauspielhaus Bochum: Wie Rennpferde vor dem Start

Bochums Schauspiel-Intendant Johan Simons (li.) und Chefdramaturg Vasco Boenisch bei der Spielplan-Vorstellung. (Foto: Daniel Sadrowski)

Im September soll’s endlich wieder losgehen – wahrhaftig mit echten Publikumsvorstellungen am Schauspielhaus Bochum. Garantien gibt es dafür freilich nicht, wie Chefdramaturg Vasco Boenisch bei der Online-Pressekonferenz zum Spielplan vorsichtig einschränkt. Doch Intendant Johan Simons und sein Team verspüren nach eigenem Bekunden eine „neue Intensität“ und Spiellust, beinahe wie Rennpferde stünden sie am Start.

„Mit dem Mut der Verzweiflung“ habe man während der Pandemie gearbeitet und fleißig geprobt. Jetzt aber gelte das Spielzeitmotto: „Türen auf, Köpfe auf, Herzen auf – Unlock statt Lockdown“. Denn ohne Publikum sei kein wirkliches Theater möglich. Und weiter geht’s im Überschwang: Wie eine „Umarmung“ solle Theater sein, befindet Johan Simons, … Weiterlesen

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Die Hoffnung auf Befreiung in der Geschichte: Luigi Nonos „Intolleranza“ als Stream aus Wuppertal

Die Tristesse von Containerbehausungen moderner Arbeitssklaven. Szene aus „Intolleranza“ in Wuppertal. (Foto: Bettina Stöß)

Luigi Nonos Musiktheater ist eine Ikone der Moderne. Immer wenn eines der Werke aufgeführt wird, umweht ein Hauch säkularen Weihrauchs die Stätte, fühlen sich Musiker und Publikum besonders herausgefordert. Eher bewundert als geliebt, stellen „Al gran sole carico d’amore (1975) und sein Erstling „Intolleranza 1960“ (1961) immense Ansprüche an die Ausführenden.

In Wuppertal wurden sie überzeugend eingelöst: Aus Anlass des 200. Geburtstags von Friedrich Engels war die Inszenierung von „Intolleranza“ (mit dem aktualisierenden Zusatz „2021“) dazu gedacht, an das Schaffen des in Barmen geborenen Urvaters des Marxismus zu erinnern. Tatsächlich ist Nonos Protagonist, ein Gastarbeiter in einer schmutzigen Mine eines fremden Landes, ein Prototyp eines Menschen, … Weiterlesen

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Wenn Querulanten querulieren – aufschlussreiches Buch über einen altbekannten Sozialtypus

Querulanten? Kennen wir doch alle. Und wir wissen ziemlich genau, was wir davon zu halten haben. Wirklich?

Eine virtuelle Buchpräsentation im Kulturwissenschaftlichen Institut (KWI) in Essen hat nun auch manche Leute aus der Fachwelt eines Genaueren belehrt. Privatdozent Dr. Rupert Gaderer, Akademischer Oberrat am Germanistischen Institut der Bochumer Ruhr-Universität, hat sich über Jahre hinweg mit dem Themenkreis befasst. Nun liegt das Resultat als Buch vor: „Querulieren. Kulturtechniken, Medien und Literatur 1700-2000″. Gaderer stellte es im Dialog mit der Münchner Literaturwissenschaftlerin Prof. Juliane Prade-Weiss vor.

Der Begriff „Querulant“ in seiner heute noch gängigen Bedeutung hat sich Gaderer zufolge erst allmählich herausgebildet, als im Laufe des 18. Jahrhunderts das Rechtssystem für Beschwerden geöffnet wurde („Zugang zum Recht“). Die Figur des Querulanten wäre … Weiterlesen

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Schleuderpartie der Emotionen: Joyce DiDonato und ihr Begleiter Terry Craig begeistern in Essen

Joyce DiDonato und ihr Klavierpartner Craig Terry. (Foto: Sven Lorenz/TUP)

Am Anfang steht ein Bekenntnis. Joyce DiDonato eröffnet ihren Solo-Abend in der Philharmonie Essen mit Franz Schuberts Hommage an die „heil‘ge Kunst“, die in vielen grauen Stunden in „eine bess’re Welt entrückt“.

Eine persönliche Widmung der Sängerin, dem Programm vorangestellt. Der Dank dafür, endlich wieder ihre Kunst teilen, endlich wieder vor Publikum singen zu dürfen. „In my Solitude“ überschreibt Joyce DiDonato ihr Konzert. In der Einsamkeit der Pandemiewochen, erzählt sie, habe sie Gustav Mahler für sich entdeckt: Die fünf Rückert-Lieder bilden den Schwerpunkt des Abends.

Die tiefgründigen Meditationen umkreisend, bleibt Joyce DiDonato aber ihrem Ruf als Belcantistin und als stimmtechnisch unanfechtbare Interpretin kostbarer Arien des 18. Jahrhunderts nichts schuldig. Zunächst … Weiterlesen

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„Menschen, Makel und Abgründe“: Dortmunds neue „Stadtbeschreiberin“ Anna Herzig

Wahl-Salzburgerin, jetzt für einige Monate in Dortmund wohnhaft: die Schriftstellerin Anna Herzig. (Foto: Roland Gorecki/Dortmund Agentur)

Dortmunds neue „Stadtbeschreiberin“ Anna Herzig hat schon Ende April ihre Wohnung im Kreuzviertel bezogen, doch hat man noch gar nicht viel von ihrem hiesigen Wirken gehört. Jetzt aber, da die Pandemie nach und nach zu schwinden scheint, soll sich das spürbar ändern.

Die sonst in Salzburg lebende Stipendiatin steckt offenbar voller Pläne und Energien. Es gibt kaum ein Gebiet des Schreibens, auf dem sie sich nicht erproben möchte. An Romanen und einem Kino-Drehbuch arbeitet sie ebenso wie an dramaturgischen Exerzitien fürs Theater. Auch Bühnenstücke dürften nicht lange auf sich warten lassen.

In Österreich, so verriet Anna Herzig heute, habe sie oftmals zu kämpfen gehabt. … Weiterlesen

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„Heilen und Pflegen“: Neue DASA-Dauerschau zielt auf Wertschätzung fürs Gesundheitswesen ab

Mit 3D-Brille, Bildschirmen und hochsensitiven OP-Sticks: Ein DASA-Mitarbeiter führt eine virtuelle Operation am rund 120.000 Euro teuren Übungsgerät vor. (Foto: Bernd Berke)

Ich hab’s nicht durchgehalten. Habe keine Standfestigkeit bewiesen, als diese vermaledeite Bodenplatte heftig zu wackeln begann. Wer macht’s besser, einbeinig stehend und dann ganz plötzlich durchgerüttelt?

Wo ich gewesen bin? Auf einer der bei Ausstellungsmachern und beim Publikum so beliebten Mitmach-Stationen, konkret: in der DASA (Dortmunder Arbeitswelt-Ausstellung), die jetzt ihre völlig neu gestaltete Abteilung zum Thema „Heilen und Pflegen“ eröffnet hat – nach rund drei Jahren Planung und Umbau; gerade recht zu einem Zeitpunkt, wo man das Haus jetzt wieder ohne Zeitfenster-Termin und Test besuchen kann.

Kuratorin hospitierte eigens im Dortmunder Klinikum

An vielen Details merkt man, dass … Weiterlesen

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Neustart nach der Zwangspause: Das Konzerthaus Dortmund stellt das Programm der Spielzeit 2021/22 vor

Die Dirigentin Mirga Gražinytė-Tyla verabschiedet sich am 2. Juli 2022 in Dortmund mit einem Mitsing-Konzert. (Foto: Ben Ealovega)

Vom Glauben, es ließe sich alles im Leben zu einem späteren Zeitpunkt nachholen, hat mancher im langen Lockdown schmerzlich Abschied nehmen müssen. Großem Engagement zum Trotz konnte auch das Team vom Konzerthaus Dortmund nicht verhindern, dass die Pandemie ein ganzes Jahr von der sorgsam geplanten Residenz der Dirigentin Mirga Gražinytė-Tyla gestohlen hat.

Die quirlige Maestra aus Litauen ist international derart gefragt, ihr Terminplan auf Jahre hinaus so gefüllt, dass viele der mit Herzblut geplanten Projekte unwiederbringlich verloren sind. So heißt es beim Mitsingkonzert am 2. Juli 2022 Abschied nehmen von der energiegeladenen Exklusivkünstlerin, die in ihrem dritten und letzten Jahr in Dortmund … Weiterlesen

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