Schlagwort-Archive: Recklinghausen

„Mutti“ bei den Ruhrfestspielen: Die Große Koalition in Gruppentherapie

Nadja Robiné (Angela) / Foto: Kerstin Schomburg

Nadja Robiné (Angela) / Foto: Kerstin Schomburg

Auf den ersten Blick ist es eine seltsame Idee: ein Theaterstück über eine Koalitionskrise im Jahr 2014, mit den Protagonisten Merkel und Gabriel, Seehofer und Von der Leyen, im Hintergrund läuft das WM-Finale. Ein Stück, dermaßen in der Gegenwart verhaftet, dass man einen vielleicht kurzweiligen, jedoch nicht unbedingt nachhaltigen Abend erwartet. Doch dann kommt „Mutti“. Das Stück von Charlotte Roos und Juli Zeh wurde jetzt bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen uraufgeführt.

Roos und Zeh bringen Theater und Tagespolitik zusammen und haben damit bereits zum zweiten Mal ein Genre erwählt, das man eigentlich vor allem aus Film und Fernsehen kennt: „Mutti“ ist eine politische Komödie, grandios umgesetzt in der Inszenierung des Deutschen Nationaltheaters Weimar unter … Weiterlesen

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Eine Inszenierung vernichtet sich selbst – „Purpurstaub“ bei den Ruhrfestspielen

Wer heutzutage ins Theater geht, braucht eine steife Oberlippe (wie die Briten sagen). Augen zu und durch und keine Schwäche zeigen! Auch wenn die Aufführung grauenvoll ist, wenn man sich für dumm verkauft fühlt und wenn man nicht ein Fitzelchen von dem bekommt, was man sich nach Kenntnis des Stücks (naiv, wie man ja immer wieder antritt) erhofft hatte. Und man erinnert sich an Horst Köhlers Forderung nach irgendwie „vorlagengerechter“ Inszenierung, die zwar von großer Ahnungslosigkeit getragen war, ihren Urheber aber sympathisch machte.

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Noch sind sie alle fröhlich. Szene aus „Purpurstaub“ in der Stuttgarter Inszenierung. Foto: JU Ostkreuz

Die Rede ist von „Purpurstaub“, der abgründigen Komödie von Sean O’Casey, die ihren Honig aus dem schwierigen Verhältnis zwischen Engländern und Iren … Weiterlesen

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Zwischen Wahn und Wirklichkeit – Pirandellos „Heinrich IV“ bei den Ruhrfestspielen

Ein Pferd macht den Anfang. Gelassen knabbert es in der Kulisse am Heu, bis es schließlich weggeführt wird. Es ist ein sinnfälliger Verweis. Mit einem Pferd, genauer gesagt mit dem Sturz vom Rücken eines solchen, begann die Tragödie, deren weiterer Verlauf das Thema dieses Abends ist. Intendant Frank Hoffmann inszeniert Luigi Pirandellos Stück „Heinrich IV“ als zweite große Premiere der diesjährigen Ruhrfestspiele im Festspielhaus.

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Rudolf Kowalski als „Heinrich IV“ in Recklinghausen. Foto: Ruhrfestspiele/Birgit Hupfeld

Heinrich IV ist in diesem Stück nur der Rollenname eines selber namenlos bleibenden Adeligen, der bei einem Maskenumzug als Kaiser auftrat, vom Pferde fiel und seitdem verwirrt ist. Rudolf Kowalski, den man aus dem Fernsehen möglicherweise als Düsseldorfer Serien-Kommissar Stolberg kennt, gibt ihn mit Verve und … Weiterlesen

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Die uralten Mythen wirken noch weiter: Kunst aus Island bei den Ruhrfestspielen

Das Motto der Ruhrfestspiele lautet diesmal so: „Inselreiche. Land in Sicht – Entdeckungen“. Imaginäre Reisen in allerlei Randzonen sind zu erwarten. In dieser geistigen Geographie kann man Island recht gut unterbringen. Und also führt die Kunstausstellung der Ruhrfestspiele auf diese riesenhafte, vielfach auch bizarr anmutende Insel.

Zwar sind alle gängigen Kunstrichtungen irgendwann auch in Island angelangt, nicht zuletzt die Ausfaltungen der Abstraktion. Doch die Schau mit dem Titel „Saga“ betont in der Recklinghäuser Kunsthalle das narrative Moment, was ja auch allemal mehr Publikum anzieht als dürre Konstrukte. Immerhin ist das Erzählerische, ist also die Literatur Islands auffälligster Beitrag zur Weltkultur. Das wurde auch 2012 erst recht offenbar, als die Insel Gastland der Frankfurter Buchmesse war. Warum also nicht auch der … Weiterlesen

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„re:set“ – Recklinghausen zeigt Malerei nach Computer-Motiven

Drum

Viereinhalb Quadratmeter wabernde Kunst: „Drum’n Bass“ von Volker Wevers aus dem Jahr 2007 (Bild: Kunsthalle Recklinghausen/Katalog)

Der Computer, eine Binse, hat viele Lebensbereiche gravierend verändert. Auch die bildende Kunst bedient sich seiner, manche Menschen behaupten gar, der Computer selbst besäße Kreativität und würde den Künstler bald überflüssig machen. Ist die Maschine also das letzte Maß der Dinge? Das will man ja auch nicht so recht glauben, zumal Bäume nicht in den Himmel wachsen, selbst dann nicht, wenn sie digitalisiert sind.

In der Recklinghäuser Kunsthalle sind nun rund 70 Bilder zu sehen, deren Schöpferinnen und Schöpfer sehr bewußt eine Trennlinie zur elektronischen Kunstgenerierung gezogen haben. Es ist dies eine Grenze irgendwo auf dem Weg zum künstlerischen Endprodukt, keine Ausgrenzung des Elektronischen … Weiterlesen

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Programm vorgestellt: Ruhrfestspiele 2014 entdecken die Inselreiche

Shakespeares „Sturm“ wird die Ruhrfestspiele 2014 eröffnen, Pirandellos „Heinrich IV“, Sean O’Caseys „Purpurstaub“ und Becketts „Warten auf Godot“ werden auf der Bühne des Großen Hauses folgen. Auch andere Spielstätten wie das Kleine Theater im Festspielhaus, das Theater Marl oder das Theaterzelt werden Leben zeigen. Intendant Frank Hoffmann hat den Spielplan der diesjährigen Ruhrfestspiele bekanntgegeben.

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Szene aus Shakespeares „Sturm“, mit dem die Ruhrfestspiele in diesem Jahr eröffnet werden (Foto: Andreas Pohlmann/Ruhrfestspiele)

„Inselreiche. Land in Sicht – Entdeckungen“ lautet das diesjährige Motto, wie wir jetzt wissen, und da ist ein Eröffnungsstück wie „Der Sturm“ natürlich naheliegend, bläst der Namentliche doch in Shakespeares spätem Meisterwerk eine illustre Gesellschaft auf eine unbewohnte Insel, wo sie sich sozial neu sortieren muß und das auch recht … Weiterlesen

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Abi 2013: Nach der Feier ist vor der Studienplatzsuche – und manches ist ungewiss

Neulich war ich mit meiner Patentochter in der Stadt. Die Liste für die Einschulung abarbeiten. Bleistift HB, besonders weicher Radiergummi, Deckfarbkasten. 13 Jahre ist es her, dass ich dies zum allerersten Mal tat. Damals, anno 2000 mit meinem ältesten Sohn. Gestern war es soweit, die Bleistifte aller Härtegrade hatten ihre Schuldigkeit getan – die Zeugnisse der Reife wurden verliehen. Welch ein langer kurzer Weg dies war.

AbizeugnisI

Allüberall werden im Lande dieser Tage die Abizeugnisse überreicht. In NRW, dem Bundesland der mit heißer Nadel gestrickten G8-Reform ist es vielerorts anders als sonst. Der Doppeljahrgang hebelt die Tradtionen aus. Manche Schulen feiern zweimal, nach Jahrgangsstufen getrennt. Manche suchen Alternativen. So auch bei uns. Viele haben es bedauert. Keine Messe in der schnuckeligen … Weiterlesen

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Der Stoff des Verderbens: „Gas“ bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen

"Aufbruch und Utopie" - das Motto der Ruhrfestspiele Recklinghausen 2013. Foto: Werner Häußner

„Aufbruch und Utopie“ – das Motto der Ruhrfestspiele Recklinghausen 2013. Foto: Werner Häußner

„Gas“! Der Titel hatte am Ende des Ersten Weltkriegs eine alarmierende Brisanz. In den Endkämpfen an festgefahrenen Fronten wurde zum ersten Mal Giftgas eingesetzt. Die europäische Zivilisation stand fassungslos vor den dämonischen Ergebnissen einer Entwicklung, die – wie wir heute erfassen – das Ende des alten Europa bedeutete. Georg Kaiser, der produktive Dramatiker seiner Epoche, hat seinem Sinnspiel um Macht und Vernichtung, Utopie und Humanität, Krieg und Klassenkampf diesen Titel gegeben.

Gas ist in den zwei Teilen dieses Endzeitstücks mehr als ein Energieträger, als ein Schmierstoff für die gesamte technische Zivilisation. Es ist der universale Stoff, der das Verderben begleitet. Das „Gas“ Georg Kaisers hat einen metaphysischen … Weiterlesen

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Werden und Vergehen der Insekten: Das Frühwerk von Jan Fabre in Recklinghausen

Als Zwanzigjähriger schlug der spätere Künstler, Tanzschöpfer und Theatermann Jan Fabre ein „Forscherzelt“ im elterlichen Garten auf und richtete darin ein Minilabor ein, um Insekten zu untersuchen.

Die ärmliche, eigen- und urtümliche, nahezu schamanisch wirkende Behelfs-Behausung ist jetzt als Installation in Fabres sorgsam inszenierter Recklinghäuser Ausstellung aus dem Frühwerk zu sehen. Die Zusammenstellung kreist mit etwa 120 Zeichnungen und 30 Kleinskulpturen um ein einziges, freilich vielgestaltig entfaltetes Thema, nämlich just Insekten.

Das Zelt des jungen Jan Fabre (Bild: Katalog)

Das Zelt des jungen Jan Fabre (Bild: Katalog)

Die Arbeiten aus den Jahren 1975 bis 1979 firmieren als Schau zu den Ruhrfestspielen, die traditionsgemäß am 1. Mai beginnen werden. Was da auf Wänden und in Vitrinen imaginär krabbelt und kreucht, könnte ausgesprochene Phobiker diesmal von einem Besuch der Kunsthalle … Weiterlesen

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Tageszeitungslandschaft im Revier: Nun mogelt sich die WAZ auch durchs Vest Recklinghausen

Wer die Szene etwas genauer kannte, und derer waren und sind ja nicht so wenige, dem war schon beim zynisch vorgetragenen Ableben der „Westfälischen Rundschau“ klar: Dabei wird es nicht bleiben und niemand möge sich innerhalb der Konzerschaft „Funke“ (einst WAZ-Gruppe genannt) in die Wiege der Sicherheit träumen nach dem Motto: Nun haben die da oben das angeranzte Stück abgehackt, nun geht es wieder bergauf.

Nö: Schritt Nr. 2. erfolgt im Vest Recklinghausen. Wo sich die WAZ seit ihren frühen Eroberungsversuchen mit der „Vestischen“ balgte und nie siegen konnte, setzt sie wieder einmal das „neue Funke-Modell“ um. Sie lässt diesmal allerdings ihren eigenen Titel ohne eigenen Inhalt bestehen, bedient sich aber bei den Nachfahren der legendären Annemie Bauer, dass deren … Weiterlesen

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Wagnisse erwünscht – das Programm der Ruhrfestspiele 2013

Programmheft RuhrfestspieleAufbruch und Utopie – unter diesem Motto stehen in diesem Jahr die Ruhrfestspiele. Nach ergiebigem Studium des Programmheftes stellt sich allerdings schon die Frage, ob das Motto nicht ein wenig zu gewagt und da eher der Wunsch der Vater des Mottogedankens ist.

Wenig spektakulär, kaum wagemutig mutet das Programm an. Schon quantitativ ist es weniger umfangreich als in den letzten Jahren. Ein Zeichen, dass auch das Programmheft kleiner ist als sonst? Ein Zeichen, dass man in der sonst so umlagerten Kartenstelle sogar in der ersten Woche des Vorverkaufs ohne Wartezeit sofort drankommt? Ich hoffe nicht. Denn eigentlich ist es ja Konsens, dass die Ruhrfestspiele den Machern und dem Publikum gleichermaßen am Herzen liegen.

Geben wir also jener Epoche eine Chance, … Weiterlesen

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Langer Nachhall: Was Recklinghausen am Kunstpreis „junger westen“ hat

Wenn ein Kunsthaus einen Querschnitt durch den Eigenbesitz zeigt, so ist das vielleicht nicht sonderlich spektakulär, es hat aber doch etwas für sich. Zum einen sind die Kosten einer solchen Sichtung überschaubar, zum anderen schärft man den Sinn für Profil und Schwerpunkte der Sammlung. Mag sein, dass sich die künftige Ankaufspolitik danach neu ausrichtet. Die Kunsthalle Recklinghausen verdankt ihre Bestände ganz wesentlich dem Kunstpreis „junger westen“, der aus der gleichnamigen Künstlergruppe (Gründung 1948 / Auflösung 1962) hervorgegangen ist. Deren Mitbegründer Thomas Grochowiak war von 1953 bis Ende der 1970er Jahre Direktor der Kunsthalle. Kein Wunder, dass andere Künstler aus seinem Netzwerk hier Heimstatt und Hafen fanden.

Wenn jetzt ein Überblick zu den Preisträgern von 1948 bis 2011 gezeigt wird, so … Weiterlesen

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Der Blick auf diese ganz anderen Wesen – Künstlerische Tierfotografie in Recklinghausen

Wie bitte? Tierfotografie? Daran versucht sich doch fast jeder Amateur mit wechselndem Geschick. Kann man denn auf diesem Gebiet künstlerische Qualität oder gar Dignität erlangen, die womöglich entschieden übers Dokumentarische hinaus weist? Aber ja! Das Sujet gibt jedenfalls alle Höhen und Tiefen her. Es hat doch alle Kunstausübung vermutlich mit jenen Tierdarstellungen in Höhlenzeichnungen begonnen und sich seither – auch zwischen den berühmten Hasen von Dürer und Beuys – überreich entfaltet. Immer wieder hat sich der Mensch im animalischen Gegenüber selbst befragt.

Vogel in verfremdender Rückenansicht: Roni Horn (*1955), Untitled, No. 1, 1998, 62,5 x 62,5

Vogel in verfremdender Rückenansicht: Roni Horn (*1955), Untitled, No. 1, 1998, 62,5 x 62,5

Die Kunsthalle Recklinghausen zeigt jetzt eine Auswahl höchst ambitionierter Tierfotografien. Sie stammen überwiegend von Künstlerinnen und Künstlern, die zuvor mit Malerei, Bildhauerei oder Installation … Weiterlesen

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„Noh all dänne Jahre“ – das Abschlußkonzert der Ruhrfestspiele mit BAP

Das war ja mal ein Open Air, wie es im Buche steht. Es regnete, ach was, es schüttete in Recklinghausen wie aus Kübeln beim Abschlußkonzert der Ruhrfestspiele. Trotzdem kann man nicht sagen, dass das Konzert ins Wasser gefallen wäre. Der guten Laune der gut 5000 Besucher des BAP-Konzerts tat das Wetter und die verschlammte Konzertwiese keinen Abbruch. „Gibt ja schließlich kein schlecht‘ Wetter…“ mit dieser Mütter-Weisheit eröffnete Wolfgang Niedecken – auf die Minute pünktlich wie immer – den Abend.

Zwei Stunden lang (mehr war städtischer Vorgaben wegen nicht drin) rockten die fünf BAP-Musiker, verstärkt von der großartigen Geigerin Anne de Wolff, den Hügel. „Sonx“ aus dem sehr gelungenen, neuen Album „Halv su wild“, das textlich und musikalisch ausgefeilt an frühere … Weiterlesen

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Der Handlungsreisende versus König Fußball – in Recklinghausen gewannen beide

Leerer als sonst war es an diesem Abend im Festspielhaus Recklinghausen. Es war der Abend des Länderspiel-Klassikers Deutschland gegen die Niederlande. Ungewöhnlich viele, die noch eine Karte verkaufen wollten, harren draußen aus. Drinnen dann geht es um das, was auch – seien wir ehrlich – den Fußball unserer Tage bestimmt: Geld, Ansehen, Popularität.

Das St.Pauli Theater Hamburg, Stammgast bei den Ruhrfestspielen, zeigte in der Schlusswoche der Ruhrfestspiele Arthur Millers „Tod eines Handlungsreisenden“ in der Inszenierung von Wilfried Minks.

Im Mittelpunkt steht Willy Loman, der mit Mitte 60 ein müder und demoralisierter Handelsvertreter ist und seine besten Zeiten hinter sich hat. Seine Abschlüsse erreichen nicht die Zielvorgaben, seine Ausgaben übersteigen seine Einnahmen, die Existenzen seiner zwei erwachsenen Söhne sind schlicht … Weiterlesen

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Großer Ballettabend auf dem Hügel – Boris Eifman zeigte „Onegin“

Früher war es gute Tradition, dass auf dem Recklinghäuser Hügel während der Ruhrfestspiele wenigstens ein Ballett der Extraklasse gezeigt wurde. Unvergessen die Gastspiele Maurice Béjarts oder Alvin Aileys. In den letzten Jahren versteckte sich das Genre Tanz und Ballett, wenn überhaupt, in den Nebenveranstaltungen. Diesmal begeisterte aber mit dem Boris Eifman State Academy Ballett St.Petersburg seit langem wieder ein Ensemble von Weltrang ein dankbares Publikum auf dem Recklinghäuser Hügel.

Die St.Petersburger zeigten das Ballett „Onegin“, nach Puschkins Novelle „Eugen Onegin“, über die Irrungen und Wirrungen eines russischen Lebemanns in der Choreographie von Boris Eifman zur Musik von Tschaikowski und des russischen Rockmusikers Alexander Sitkovetsky. Die Geschichte des Eugen Onegin gilt seit jeher als eindringliches Bild der „russischen Seele“.

Eifmans wilde … Weiterlesen

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Winterreise im Mai – Katja Riemann und Arne Jansen bei den Ruhrfestspielen

Das Thermometer in Recklinghausen zeigte gut 25 Grad, auf dem Festspielhügel herrschte gepflegte Festival-Atmosphäre. Die Gastronomie gut besucht, das Publikum eigentlich sommerlich heiter gestimmt. Auf dem Programm aber steht eine Winterreise, im Festspielhaus rieseln die Schneeflocken.

Mit einer Schneekugel beginnt die Uraufführung von „Winter – ein Roadmovie“ bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen. Die Schneekugel – das unscharfe Symbol einer verkitschten, heilen Welt. Im Laufe der Jahre geliebt, verpönt, belächelt, derzeit Kult. Auf einer großen Leinwand sind sowohl Heinrich Heine als auch Franz Schubert in solch einer Kugel zu sehen. Die künstlichen Flocken rieseln zu den Klängen der Black Eyed Peas.

Erst dann beginnt die eigentliche Reise, auf die Schauspielerin und Sängerin Katja Riemann und der virtuose Jazz-Gitarrist Arne Jansen das Publikum … Weiterlesen

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„Verträgen halte Treu'“ – Kann Castorf den „Ring“?

Er macht’s. Er, das ist Frank Castorf, Intendant der Berliner Volksbühne, Regie-Berserker und Stückezerfledderer. Er wagt sich ans Größte, Hehrste des musikalischen Theaters – also an Richard Wagners gewaltige, episch breite Trilogie „Der Ring des Nibelungen“. Kann er’s? Vor allem: Schafft er’s ausgerechnet am würdevollen Weihetempel namens Bayreuth? Die da das Sagen haben, Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier, rufen ein klares „Ja“.

So steht es also fest: 2013, im Jahr des 200. Geburtstags von Richard Wagner, inszeniert ein Beinahe-Grünschnabel in Sachen Opernregie den mächtigen Vierteiler des Genius. Was nicht unbedingt ein Problem sein muss: Christoph Marthaler, Christoph Schlingensief oder Werner Herzog waren auch nicht unbedingt die geborenen Opern-Deuter – auf dem Grünen Hügel lieferten sie Achtbares. Andererseits: Die Filmemacher Lars … Weiterlesen

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Vestische Erleuchtung

Der Herbst ist da und mit ihm zum sechsten Male in Folge „Recklinghausen leuchtet“. Am 14. Oktober eröffnet, zieht die Veranstaltung wie bereits in den Vorjahren wieder viele Besucher in die schöne Altstadt der vestischen Kommune. Noch bis zum 30. Oktober erstrahlen 34 historische Gebäude und Privathäuser in einem sorgsam installierten Lichtermeer. Das diesjährige Leuchten findet im Rahmen des 775. Stadtjubiläums statt. Auch wenn Recklinghausen EU-konform auf moderne LED-Lichter setzt, liegt der Schwerpunkt auf den altehrwürdigen Ecken und Kanten der Innenstadt. Auf die alte Stadtmauer um die Engelsburg werden mittelalterliche Motive projiziert, der Stolz der Stadt, das Rathaus wird mit besonderer lichttechnischer Raffinesse geehrt.

 

 

 

 

 

Freitags, Samstags und Sonntags gibt es ab 19:00 stündlich eine musikalisch … Weiterlesen

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Ruhrfestspiele 2011 – ein Rückblick

Noch bevor die Abschlusskonzerte auf dem Recklinghäuser Hügel gespielt waren, verkündete Intendant Frank Hoffmann die frohe Pfingstbotschaft: Die Ruhrfestspiele haben sich selbst und ihren eigenen Besucherrekord von 2009 übertroffen. 212 Aufführungen, mehr als 81.000 Besucher und eine Auslastung von über 91 % zählte das diesjährige Festival. Einmal mehr bewies der Luxemburger Hoffmann damit, dass er der Tradition und dem Anspruch der Ruhrfestpsiele gerecht wird und ihm gelingt, was auf dem Hügel nicht immer selbstverständlich war: Mit einem anspruchsvollen Programm auch in der Breite erfolgreich zu sein. Folgerichtig wurde auch bereits am vergangenen Donnerstag bekannt gegeben: der Vertrag des Luxemburgers Hoffmann ist bis 2015 verlängert.

Was bleibt aus diesem Jahr, Jahr eins nach der Kulturhauptstadt? Stürmische Begeisterung ebenso wie kontroverse Diskussion. … Weiterlesen

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Meerjungfrauen und mongoloide Kinder: Eine postdramatische Theaterparodie

"Die Schauspielerin (Katharina Ley) reißt Josef Ackermann engagiert die Maske vom Gesicht. Foto: Thomas M. Jauk

"Die Schauspielerin (Katharina Ley) reißt Josef Ackermann engagiert die Maske vom Gesicht. Foto: Thomas M. Jauk

Auch wenn man als Dramatiker gerade einmal 30 Jahre alt ist, kann man dem Theaterbetrieb einmal so richtig den Zerrspiegel vorhalten. Genau das tut Autor Wolfram Lotz in seinem bereits mit dem Kleist-Förderpreis gekrönten Stück „Der große Marsch“, das nun bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen seine Uraufführung erlebte. Seine Thesen sind zwar nicht unbedingt originell, aber unterhaltsam und durchaus ungewöhnlich verpackt. Leider haben sie in der lahmen Inszenierung des Saarländischen Staatstheaters keine Chance.

Die Bühne (Florian Barth) ist eine Showbühne samt Treppe, gegeben wird Theater im Theater: Eine Schauspielerin (Katharina Ley) moderiert eine Revue, mit der das Theater beweisen will, wie kritisch und politisch es … Weiterlesen

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Immobilien-Theater – Raumfessel oder Trutzburg

Steht erst einmal ein Gebäude, kann dort kein anderes stehen. Eröffnet man zum Beispiel in diesem Gebäude ein Theater, kann man die folgenden Jahrzehnte kein anderes eröffnen. Da ist der geschlossene, umbaute Raum. Dort ist das Theater verortet, ob der Mensch will oder nicht.

Und im Innern, in den dunklen Räumen ohne Fenster arbeitet der Theatermensch, der Opernmensch oder an mancher Stelle auch der Tanzmensch an seinem Werk, umschlossen vom Schutzraum, der ihm es gestattet, ja gebietet, dort das Theater mit Leben zu füllen. Es hat also eine Adresse, für die Verantwortung getragen wird. Es wird Geld ausgegeben, damit die Kunst lebendig bleibt. Der Staat, das Land, die Stadt – sie sind die Ermöglicher und eine Immobilie zu betreiben, ist … Weiterlesen

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Junger Westen: Rückkehr der 50er Jahre

Recklinghausen. Man kann es sich denken: Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte allseits Nachholbedarf. Beileibe nicht nur in materieller, sondern auch in geistiger Hinsicht. Der Mensch lebt eben nicht vom Brot allein. Vor dem Horizont dieser Zeitstimmung bildete sich 1948 im Ruhrgebiet eine folgenreiche Künstlergruppe: der „junge westen”.

Jetzt, runde 60 Jahre danach, kommt die Gruppe an ihrem Gründungsort Recklinghausen wieder zu Ehren. Noch heute gibt es zur Erinnerung den renommierten Kunstpreis „junger westen”. Führende Köpfe dieses Künstlerkreises waren der Hagener Emil Schumacher, Thomas Grochowiak, Gustav Deppe, Heinrich Siepmann und Hans Werdehausen. Namen, die (mit Ausnahme von Schumacher) heute nicht mehr ganz so geläufig sind.

Von regionalen Industrie-Motiven zur Abstraktion

Die Gruppe wurzelte im Expressionismus und richtete sich bewusst regional aus. … Weiterlesen

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Tagtraum vom unaufhörlichen Kreislauf des Lebens – George Taboris Stück „Gesegnete Mahlzeit“ bei den Ruhrfestspielen uraufgeführt

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Wenn Bühnenfiguren Dirty Don, Professor Geil und Amanda Lollypop heißen, so deutet dies auf Farce und Slapstick hin. Damit jongliert George Taboris neues Stock „Gesegnete Mahlzeit“ denn auch.

Doch eigentlich ist diese Uraufführung (Koproduktion: Berliner Ensemble und Ruhrfestspiele) eine Etüde aufs Leben und Sterben. Mal wehmutig, mal koboldhaft, fast immer hellsichtig – manchmal bis über den Horizont des irdischen Daseins hinweg. Und in den besten Momenten erklingt die Sprache hier als schiere, vom eindeutigen Sinn losgelöste Musik.

Der schwerkranke Tabori (92) selbst hat (von seiner Bettstatt aus) die Inszenierung begleitet. Der Text ist an der Oberfläche klar gegliedert. Drei Akte: Frühstück, Mittagessen, Abendmahl. Doch Tabori stellt den Tagtraum, die Freiheit des Erinnerns und Vergessens, über die … Weiterlesen

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Timm Ulrichs: Kunst auf die lockere Art

Recklinghausen. Wenn Kunststudenten ihre Werke zeigen, krähen nicht viele Hähne danach. Wenn aber ihr Professor, der seit Jahrzehnten einen „Namen“ hat, sich an die Spitze stellt, so verhält es sich schon anders. Beispielsweise Prof. Timm Ulrichs (65), der nun Abschied von der Münsteraner Kunstakademie nimmt, wo er in seiner Klasse seit 1972 etwa 280 Studenten betreut hat.

Jetzt ist in Recklinghausen ein Auswahl-Querschnitt aus all diesen Jahren zu sehen. Über den Daumen gepeilt, sind es fast 200 Werke von rund 100 Ulrichs-Schülern, garniert mit beispielhaften Arbeiten des freigeistigen Lehrmeisters, der auch schon mal eine Märklin-Modellbahn (beladen mit deutschem Wald) in künstlerischen Dienst nimmt. Manche erinnern sich auch an dies: Mit einer garstigen Porno-Kunst-Aktion hatte Ulrichs anno 1993 für einen Skandal … Weiterlesen

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Ein Künstler, der die Gegensätze liebt – Ausstellung der Ruhrfestspiele präsentiert Günther Förg

Von Bernd Borke

Recklinghausen. Fast ist’s wie beim Dichter Ringelnatz, der einst diesen Werkstoff im Reime besang: Da gibt man den Dingern einen ganz kleinen Stips – und da sind sie aus Gips. Aus dem eher unedlen Material, geradezu unförmig aufgeschichtet, hie und da „wild“ bemalt, wuchern zudem in schönster Regellosigkeit solche Fragmente hervor: Dichtungsgummi, Latex-Fetzen, Bruchstücke eines Sägeblatts oder zerbeulte Getränkedosen.

Trash-Kunst von der Müllhalde, Überbleibsel vom Baumarkt? Was die puren Materialien anbelangt: ja, irgendwie schon. Es sind spontan verwendete Fundstücke. Doch der Künstler erhebt (ironischen) Geltungs-Anspruch, denn diese Skulptur-Collagen quellen auf hehren weißen Podesten vor sich hin – wie ferne klassische Vor-Bilder, doch so ganz anders geformt.

Günther Förg, 1952 in Füssen geborener documenta- und Biennale-Teilnehmer, scheut weder … Weiterlesen

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Bleierne Zeit im Museums-Bunker – Kunsthalle Recklinghausen zeigt Arbeiten von Joachim Bandau

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Auch dies ist ein Weg, die Skulptur vom hehren Sockel zu holen: Wenn man sie einfach auf Rollen setzt und damit signalisiert, dass dies alles jederzeit ins Gleiten geraten könnte.

Joachim Bandau (1936 in Köln geboren) hat seit den bewegten späten 60er Jahren solche im Prinzip mobilen Plastiken gefertigt. Doch sein Werk umfasst auch hermetische, gleichsam still in sich gekehrte und starr wirkende Fügungen aus Blei und Stahl.

Einen Querschnitt durch derlei Vielfalt dokumentiert jetzt mit einer „Gegenüberstellung“ (Untertitel) von Skulpturen und Schwarz-Aquarellen die Bandau-Retrospektive in der Kunsthalle Recklinghausen. Gerade dieser Weltkriegs-Bunkerbau am Bahnhof ist ein passendes Gehäuse für des Künstlers strenge Bunker-Bilder aus den späten 70er Jahren. Sie leiten sich nicht nur aus der fortwährenden … Weiterlesen

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Der Diener aller Herren – Ruhrfestspiel-Doppelpremiere: Heyme verknüpft Shakespeare mit Goldoni

Von Bernd Berke

Recklinghausen. So mies können Menschen sein: Immer wieder spucken sie hier verächtlich voreinander aus. Hansgünther Heyme untersucht mit seiner Ruhrfestspiel-Doppelpremiere (Stücke von Shakespeare und Goldoni) Herr- und Knechtschafts-Verhältnisse. Die Figuren, denen man befremdet zuschaut, sind meist abgebrühte Interessenvertreter ihrer selbst, daher oft auch Überläufer und Verräter. Taktik rangiert allemal vor unverstelltem Gefühl.

Shakespeares „Der Kaufmann von Venedig (um 1596) wird vom Teatro de La Abadia in spanischer Sprache (mit Übertiteln) gegeben, Carlo Goldonis Komödie „Der Diener zweier Herren“ (1746) firmiert als Koproduktion mit dem Luxemburger Nationaltheater. Bei beiden Stücken, die am Sonntag im über fünfstündigen Doppelpack verabreicht wurden, führt Heyme Regie.

Der Festspielchef hat in den 150 Jahre auseinander liegenden Texten, die beide (teilweise) in Venedig spielen, … Weiterlesen

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Wo das Ungeahnte jederzeit geschehen kann – Ruhrfestspiel-Ausstellung zeigt Arbeiten des Niederländers Waldo Bien

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Ganz gleich, ob auf weltweiten Reisen oder in der Kunst: Dieser Mann hält sich gern im „Niemandsland“ auf, im undefinierten Bezirk zwischen festgelegten Bereichen. Da, wo alle Grenzen verschwimmen und das Ungeahnte geschehen kann.

Der Niederländer Waldo Bien (Jahrgang 1949), der jetzt die Ausstellung der Ruhrfestspiele bestreitet, ist ein Grenz- und Schwellen-Gänger zwischen verschiedensten Stilen, Themen, Materialien. So kommt es beispielsweise vor, dass er Röntgenbilder übermalt oder Fotos, die er mit Walfisch-Öl begossen hat, unter Plexiglas einschließt. Die sämigen Schlieren und das eigentümliche Verwittern künden vielleicht von Vergänglichkeit. Oder ist es nur ein purer ästhetischer Akt, bar jeder anderen Bedeutung?

Eine Schlangenhaut, mit Tinte blau gefärbt, gilt Bien als Zeichen für Dynamik, ja als Vorbild unserer … Weiterlesen

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Trost für die sündige Welt – Der Künstler Thomas Grochowiak und sein Bilderzyklus zu Mozarts „Requiem“

Von Bernd Berke

Recklinghausen. „Ich bin aufgeregt wie ein Primaner“‚, verrät Thomas Grochowiak. Was kann den mittlerweile 86-jährigen Altmeister der Ruhrgebietskunst noch dermaßen in Wallung versetzen?

Erstmals wird sein neuer, aus 14 großen Tafeln bestehender Bilderzyklus gezeigt, zu dem er sich von Mozarts „Requiem“ inspirieren ließ. Die „echte Uraufführung“ (Grochowiak) in der Kunsthalle Recklinghausen, ergänzt um einige Spanien-Bilder, die Grochowiak selbst nicht ganz so wichtig nimmt, geht mit Lampenfieber einher: Wie werden die Werke im Museum wirken, die bis dato im Atelier gestanden haben?

Schon der Dirigent „zeichnet“ die Musik

Unzählige Male hat Grochowiak Mozarts berühmte Totenmesse gehört; vor dem Malen, dabei und danach. Auch hat er eine Reihe von Orchesterproben besucht, um Feinheiten der Komposition für sich auszuloten. Dirigent … Weiterlesen

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Von Bernd Berke

Recklinghausen. Heinrich Siepmann war immer ein ungemein stetiger und fleißiger Künstler. Allein 1220 Ölgemälde umfasst das Werkverzeichnis, das jetzt zur Retrospektive in Recklinghausen vorgelegt wird.

Kürzlich litt der 94jährige an einer Lungenentzündung – und was tat er? Er zeichnete im Krankenbett einige ganz wunderbare Pastelle. Gewiss trug das Schaffen zur Genesung bei: Am Sonntag will Siepmann zur Eröffnung seiner Werkschau in die Kunsthalle kommen.

In der so folgenreichen Künstlergruppe „junger westen“, die sich kurz nach dem Zweiten Weltkrieg formierte, tat sich Siepmann u. a. mit dem vor wenigen Tagen verstorbenen Hagener Maler Emil Schumacher und mit Gustav Deppe zusammen, der am 1. September dieses Jahres starb. Nun ist Siepmann, neben Thomas Grochowiak, einer der letzten lebenden Zeitzeugen … Weiterlesen

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Krachlederne Verwirrung – Rauminszenierungen des Belgiers Guillaume Bijl in Recklinghausen

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Der Raum ist rundum mit roter Tapete ausgeschlagen, darauf prangen hier und da goldene Schriftzüge in altehrwürdiger Fraktur. Über der ganzen Szenerie liegt dezent gedämpftes Licht. Welch eine feierliche Einstimmung. Hier wird man bestimmt edle Dinge zu sehen bekommen. Und dann? Dann erkennt man an den Wänden acht alte und abgewetzte Lederhosen hinter Glas. Nanu?

Es will fast so scheinen, als trieben die Ruhrfestspiele mit ihrer Kunstausstellung diesmal argen Schabernack. Denn tritt man näher an die Schaustücke heran, so sieht man auch noch Messing-Schildchen, mit denen besagte Lederhosen bekannten Menschen zugeordnet werden: Eine soll angeblich der Verhaltensforscher Konrad Lorenz getragen haben, eine zweite habe der Dichter Stefan Zweig angezogen, weitere hätten dem Bergfex Luis Trenker oder … Weiterlesen

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Auf übermalten Bildern sieht man mehr – Arnulf Rainer, sein „Markenzeichen“ und die brachialen Witzbolde von Wien

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Solche Kapriolen schlägt der Kunstbetrieb: Da hat Arnulf Rainer sich zum Markenzeichen erkoren, fremde Bilder zu übertünchen – und dann kommen just in seiner Heimatstadt Wien schurkische Scherzkekse daher, die seine längst teuer gehandelten Übermalungen ihrerseits übermalen. Jetzt sind 64 Arbeiten Rainers in Recklinghausen zu sehen – willkommene Lehrstücke zu einer Geschichte, die sich wie ein Witz anhört.

Arnulf Rainer (Jahrgang 1929) ist nicht irgendein vom Markt gehätschelter Schmierfink, der sich über die Sachen anderer Leute hermacht und sie wahllos zukleistert. Die Übermalung ist zunächst sein probates Mittel, die in der Malerei seit jeher grassierende Angst vor der leeren Leinwand zu überspringen. Außerdem verwendet Rainer als Bildgrund fast immer Reproduktionen, z. B. von Fotos oder alten … Weiterlesen

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Von der Pflanzung zur Mauer aus Backstein – Neuere Arbeiten von Per Kirkeby in Recklinghausen

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Wer kann aus 8800 Backsteinen ein Kunstwerk fabrizieren? Natürlich Per Kirkeby. Der mehrfache documenta-Teilnehmer aus Dänemark ist mit machtvollen Skulptur-Bauten aus diesem Material zu einiger Berühmtheit gelangt. Die Ausstellung der Ruhrfestspiele gibt Einblicke in den Entstehungsprozeß solcher Werke.

Die Kunsthalle Recklinghausen ist als ehemaliger Weltkriegsbunker sehr geeignet für die schwere und steinige Kunst, denn eine tragfähigere Statik dürfte kaum zu finden sein. Und so war es denn auch kein technisches Problem, im ersten Stockwerk besagte Tausendschaften von Backsteinen nach Kirkebys Anweisungen zu einem kreuzförmigen Geviert zu mauern.

Könnte man das Werk von oben betrachten, sähe man vier steinerne Arme, die ausgreifen wie Windmühlenflügel. Da aber die mit Türdurchbrüchen versehenen Mauerteile vor dem Betrachter vier Meter hoch … Weiterlesen

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Mit Kokain und Schäferhund in den deutschen Untergang – Ruhrfestspiele: Hansgünther Heymes Versuch mit Schillers „Räubern“

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Die Jungs von der Räuberbande balgen sich wie Kindsköpfe, sie tollen herum wie Welpen. Doch Vorsicht: Schon bald fällt das böse Wort vom „Deutschen Heldenblut“. Das ist kein Spiel mehr, das wird schrecklich. Denn Hansgünther Heyme hat für seine Ruhrfestspiel-lnszenierung Schillers „Räuber“ nach unguter Deutschtümelei abgegrast.

Besagte Bande des von seinem Vater (Hans Schulze) verstoßenen, fürchterlich-genialischen Karl Moor (Matthias Redlhammer) ist zunächst ein loser Haufen, offenbar aus allen möglichen „Szenen“ zusammengewürfelt. Ein paar Freaks, die die Umverteilung à la Robin Hood anstreben, sind dabei. Doch da ist auch schon einer, der ein T-Shirt mit deutschnationalem Aufdruck trägt.

Alsbald gebärdet sich das Trüppchen wie eine „Wehrsportgruppe Moor“, die mit einem alten, flippig bemalten Armeelastwagen unterwegs ist zum … Weiterlesen

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Nostalgie und brauner Zucker – Musical-Gastspiel in Recklinghausen

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Der Broadway verläuft mitten durchs Ruhrgebiet: Zumindest am vergangenen Wochenende schien es so: „Cabaret“ in Dortmund, „Bubbling Brown Sugar“ in Recklinghausen – und in Bochum dampft unverdrossen der „Starlight Express“. Musicals allerorten in Ruhr Town.

Im Recklinghäuser Festspielhaus erlebte man zwar „nur“ das dreitägige Gastspiel im Zuge einer Europa-Tournee, dafür aber ein extrafeines. Der „Brodelnde braune Zucker“ ward in den Niederlanden angerührt und zur furiosen Mélange aufgekocht. Keine Original-Broadway-Produktion also, aber besetzt mit vielen Darstellern von der New Yorker Amüsiermeile.

„Bubbling Brown Sugar“ unternimmt eine Reise in die große Zeit des schwarzen Viertels Harlem. Die nur notdürftig mit Handlungsfädchen verknüpfte Nummernrevue führt vor allem durch die tosenden Nightclubs der 20er und 30er Jahre. Ausgiebig läßt sie … Weiterlesen

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Jannis Kounellis: Die Kunst erhebt sich aus der Asche

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Wir sind hier nicht in der Luxus-Abteilung: Drahtgitter, verschmutzte Leinensäcke, rostender Stahl, nackte Glühbirnen. Bruchstücke von Kohle. Bei Jannis Kounellis scheint die Kunst beinahe buchstäblich in Sack und Asche zu gehen.

Ist Kounellis ein Büßer inmitten der genußsüchtigen Konsumwelt, eine asketische Gegenfigur etwa zu Andy Warhol, dem Schöpfer der schicken Oberflächen; hingegen ein Bruder des Herrn Joseph Beuys mit Fett und Filz?

Der weltbekannte Kounellis, dem die Ruhrfestspiele jetzt eine große Einzelausstellung widmen, stammt aus Piräus/Athen. Seit vielen Jahren lebt er in Rom. Zeugnisse der Antike umgeben ihn, seit er die Augen aufschlug. Vielleicht wirken deshalb manchmal die Materialien, die er benutzt, als seien sie aus vagen Vorzeiten übrig geblieben, als habe keine Künstlerhand sie je … Weiterlesen

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Kunst gefällig? Museen verleihen Meisterwerke – Mit Leasing könnten Institute den Etat aufbessern

Von Bernd Berke

Im Westen. Das „Phantom der Oper“ treibt seit Jahren in den Musical-Palasten der Welt sein Unwesen. Jetzt scheint es auch ein „Phantom der Museen“ zu geben – und es betätigt sich vorzugsweise im Ruhrgebiet. Die Rede ist von einem eigentlich pfiffigen Kunst-Leasing-Projekt, dessen Früchte aber noch nicht so recht sprießen wollen.

Zwei Frankfurter hatten die Idee: Ulrich Schanda und Reinhold Brunner (beide 35) dachten sich, es sei doch schade, daß so viele Kunstschätze in Depots vor sich hin dämmern. Statt dessen könne man sie (gegen Gebühr) an zahlungskräftige Kundschaft ausleihen. Beispiel: Ein Bild hat einen Versicherungswert von 100 000 DM. Will z. B. ein Unternehmer es in seine Geschäftsräume hängen, sind davon jährlich 10 Prozent Leihgebühr fällig, … Weiterlesen

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Wer hat Angst vor dem wilden Murphy? Gründlich mißlungenes Psychodrämchen einer Recklinghäuser Autorin

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Murphy aus New York kotzt ständig Kraftworte aus. Doch nicht nur das. Er verkörpert auch sonst des Wohlstandsbürgers gesammelte Alpträume: Da nimmt der US-Provinzler Frank Henderson den unflätigen Kerl, dessen Mutter gerade gestorben ist, in seinem trauten Heim auf – und dann macht der 19-Jährige sich dort unverschämt breit, verführt die Frau des Hauses und drangsaliert die Tochter, deren Freund er zuvor mit dem Messer bedroht hat.

Nach vielem Palaver bestätigt sich endlich, was man schon früh ahnte: Der Junge hat Grund zur Rache, und dieser Grund hat mit Inzest zu tun: Murphy ist ein „Bastard“, gezeugt von Henderson und dessen Schwester. Versteht sich, daß die Sache auch noch eine vulgärsoziologische Seite hat.

„Murphy“ ist leider … Weiterlesen

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Festspiel-Schauen in Recklinghausen: Deutlich näher an der Gegenwart

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Museums-Chef Dr. Ferdinand Ullrich machte am Samstag die Probe vor versammelter Presse. Erst Klopfzeichen, dann: „Wolfgang, hörst du mich?“ – Beuys-Schüler Wolfgang Wendker (alias „IGADiM“) hörte. Dumpf kamen seine Antworten („Mir geht’s gut“) aus einem mit Stahldeckel verschlossenen Erdloch. Der unterirdische Künstler (die WR berichtete über das Projekt) setzt den wohl auffälligsten Akzent bei der Ausstellung der Ruhrfestspiele.

Doch auch sonst hält die gestern eröffnete „Europäische Werkstatt Ruhrgebiet“ einiges bereit. Sicher: Es gibt da einige Kopfgeburten, die ihre Deutung gar zu offensichtlich nahelegen. Doch das Gros der Arbeiten hält auch dem kritischen zweiten Blick stand. Vorbei jedenfalls die Zeiten jener Festspiel-Schauen, bei denen pflichtschuldigst die montanindustrielle Vergangenheit bemüht wurde, meist mit Gemälden aus der ersten Hälfte … Weiterlesen

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