Archiv des Autors: Günter Landsberger

Vom Weiterleben nach einem Todesfall: Angelika Reitzers Roman „Wir Erben“

Mit den ersten Sätzen in Angelika Reitzers Roman „Wir Erben“ mag man als Leser zunächst Schwierigkeiten haben. Doch bald werden sie klar als Widerhall einer Traumsequenz Mariannes, die sich alsbald als erste wichtige, vielleicht wichtigste Figur dieses Romans herausstellt.

Die Ausgangssituation ist interessant. Die vielverzweigte Mehr-oder-minder-Patchwork-Familie Mariannes hat gerade in großer Anzahl Weihnachten miteinander gefeiert bzw. begangen. Nun stirbt kurz danach – wie nebenbei – die „Familien“-Matriarchin Jutta, die Großmutter Mariannes. Die zumeist gerade Abgereisten aus dem großen Kreis der Verwandten, Bekannten, Verschwägerten und Freunde (unter ihnen auch Mariannes Sohn Lukas) werden nun wieder zurückgerufen. Die Beerdigung steht an und bald danach auch der Erbfall.

reitzer_wir_erbenMit dem Tod einer Hauptperson beginnen so manche Romane, in der deutschen Literatur zum Beispiel … Weiterlesen

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Auf dem Ruhri-Panoramaweg

Wenn man schon ein Ruhri ist (ob nun gebürtig oder eingesessen, wie meine Frau und ich), ist es wohl Pflicht, den Ruhri-Panoramaweg zu erwandern.

Auch wenn man dabei etwa fünf Stunden zügig unterwegs ist und auf und ab etwa 630 Höhenmeter dabei zu überwinden hat, dürfte das kein Hindernis sein.

Am Freitag vor einer Woche haben wir uns bei bestem Wanderwetter von unserer Ferienwohnung in Deutschlandsberg aus so etwa gegen 10 Uhr auf den Weg gemacht. Nach etwa 20 Minuten erreichten wir den „Klauseneingang“ und damit fast auch schon den Eingang zum „Ruhri-Panoramaweg“. Der „Klauseneingang“ ist zugleich auch der Eingang zum „Laßnitztalweg“, einem der schönsten Wanderwege, die ich kenne..

Der Ruhri-Panoramaweg nun ist, wie auf der Wanderkarte ausgewiesen, zunächst ein … Weiterlesen

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Offenheit und Fluss: Wie Tzimon Barto Bachs Goldberg-Variationen spielt

Beim Konzert in der Philharmonie Essen sitze ich diesmal ganz vorne, ziemlich genau in der Mitte der allerersten Reihe. Bei Bachs „Goldberg-Variationen“ mit dem Solisten Tzimon Barto tut diese Nähe gut.

Tzimon Bartos Klavierspiel ist Spiel und Arbeit zugleich. Es wirkt gelöst und doch auch angespannt; sein Spielen ist bei aller, mitunter tänzerischen Gelöstheit doch zugleich von erkennbarer Mühe, von einer außergewöhnlich konzentrierten Anstrengung geprägt.

Vergleiche mit anderen Aufnahmen der Bachschen Goldberg-Variationen, also Aufnahmen auf CDs mit Gould, Gavrilov, Koroliov, Tureck, Zhu Xiao-Mei, Stadtfeld, Schiff, stellen sich unversehens ein. Ich erinnere mich zumindest kurz an sie, lasse jedoch diesem noch nie gehörten Interpretationsangebot Tzimon Bartos den gebührenden Vorrang.

Das Scheue und das Zarte

Das Leise der Aria am Anfang kommt … Weiterlesen

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Einen Autor mehr und mehr für sich entdecken: Bücher von Walter Kappacher

Nicht nur in (und am) Mattsee g e l e s e n habe ich unlängst die zwei neuesten Bücher des Büchnerpreisträgers von 2009, des seit Jahren in dem Mattsee benachbarten Ort Obertrum lebenden Walter Kappacher, sondern sehr wahrscheinlich habe ich ihn als Person dort sogar selber mehrmals g e s e h e n .

Mindestens viermal kam in der besonders heißen ersten Augustwoche ein seinem Bilde, dem möglicherweise heute nicht mehr ganz aktuellen Buchklappenseitenbilde, sehr ähnlicher Mann ins „See- und Strandbad Mattsee“. Jeweils vom frühen Morgen bis zum späten Vormittag blieb er da und setzte sich buchlesend an eine noch ruhige Stelle in den Schatten, auch – wie vereinbarungsgemäß – nicht gestört von seiner Frau, die ihn gelegentlich … Weiterlesen

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„Es wäre schön, kein Schriftsteller zu sein“ – Gerhard Amanshausers Tagebücher

Was bleibt mir von einem solchen, 400 Seiten starken Buch im Gedächtnis, das ich vor etwa 5 Monaten aufmerksam, mit großem Interesse und – entgegen dem sicher wohlmeinenden Rat des Vorwortschreibers Daniel Kehlmann – kontinuierlich von Anfang bis zum Ende gelesen habe? Vor allem das Gefühl, dass sich diese Lektüre Seite für Seite gelohnt hat.

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Das Ende 2012 im Residenz Verlag posthum herausgegebene Buch der diarischen Aufzeichnungen des inzwischen schon 7 Jahre toten, aber noch immer als „Geheimtipp“ gehandelten österreichischen Schriftstellers Gerhard Amanshauser bietet neben bestechender Wahrnehmungstreue die facettenreiche Innenansicht eines intellektuell redlichen Autors, bei dessen Ausführungen man nie das Gefühl hat, der Autor habe bei diesen Tagebuchaufzeichnungen in erster Linie auf ihre spätere Veröffentlichung hin geschielt.

Sind seine Werke … Weiterlesen

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Auschwitz auf der Opernbühne: „Die Passagierin“ als DVD-Edition

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Dies ist eine nachdrückliche Empfehlung: Die DVD der Bregenzer Aufführung von Mieczysław Weinbergs Oper „Die Passagierin“ überzeugt durch präzise Inszenierung, durchdachtes Bühnenbild, spannungsvollen Handlungsablauf, die Figurenzeichnung und -verkörperung, die Rezitative sowie den Einzel- und Chorgesang und durch die orchestrale Musik.

Nie hätte ich vorher gedacht, dass es möglich wäre, noch dazu überzeugend möglich wäre, ein derartiges Thema ins Zentrum einer Oper zu stellen. Zwar, dass man sich auch an diesem Thema mal vergreifen können würde, habe ich schon vor 30 Jahren geargwöhnt, als ich mal gesprächsweise prognostizierte, dass der Tag nicht fern sei, dass man auch aus Auschwitz noch ein Musical machen werde.

Was ich damals noch nicht wusste, was fast jeder nicht wissen konnte, war dies, dass eine Oper … Weiterlesen

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Ein Künstler- und Lebensroman: Ralph Dutlis Debüt „Soutines letzte Fahrt“

Was haben Ralph Dutli und Theodor Fontane miteinander gemeinsam? Sie haben beide mit 58 / 59 Jahren ihren ersten Roman veröffentlicht.

Bei Fontane wissen wir, dass auf seinen umfangreichen Erstling „Vor dem Sturm“ noch viele gute, meist kürzere Romane gefolgt sind, bis hin zu seinem späten, wieder etwas umfangreicheren Meisterwerk „Der Stechlin“; bei Dutli wissen wir vorerst nur, dass ihm sein Erstling wirklich gut gelungen ist und dass wir vielleicht noch auf weitere Roman-Überraschungen von ihm gefasst sein dürfen.

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Ralph Dutlis 272 Seiten umfassender Roman „Soutines letzte Fahrt“ scheint sich vom Thema her vorrangig in die gerade auch aus der deutschen Literaturgeschichte her bekannte Gattung „Künstlerroman“ einzureihen.

Denkt man kurz nach, fallen einem auch durchaus einige deutschsprachige Künstlerromane ein, in … Weiterlesen

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Gerhard Roth und die Gugginger Künstler: Tolle Bilder, empathisch einfühlsame Texte

Rechtzeitig vor dem Geburtstag Gerhard Roths, des bedeutenden österreichischen Schriftstellers, der am 24. Juni 70 Jahre alt wurde, erschien im Mai im Residenz Verlag ein opulenter Text– , Bild– und Foto–Band: Gerhard Roths „Im Irrgarten der Bilder / Die Gugginger Künstler“.

So wichtig Gerhard Roths Texte für diesen Bildband auch sind, sie legen allesamt Wert darauf, die individuelle Besonderheit der Gugginger Künstler vordringlich und in uns Leser…n nachhallend zur Geltung kommen zu lassen. Was in meinem Falle zweifellos gelungen ist.

Also: Legen Sie alle Vorurteile und Vorbehalte, die Sie trotz Hans Prinzhorns Buch von 1922 und trotz Leo Navratils Veröffentlichungen vielleicht immer noch gegen die „Bildnerei“ und Gestaltungskraft von Schizophrenen und „Geisteskranken“ haben, wenigstens versuchsweise ab und lassen Sie sich … Weiterlesen

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Eine Herzmanovsky-Verführung

Kaum dass der vor kurzem im Residenz Verlag erschienene Bild- und Textband „Forscher im Zwischenreich / Der Zeichner Fritz von Herzmanovsky-Orlando“ uns in den Blick gerät, schon nehmen wir ihn in die Hand und ahnen sofort, welch schönes, welch interessantes Buch wir da in Händen halten.

Die Bildreproduktionen sind einladend, eröffnen einen Blick in eine ganz eigene, durch mangelnde große Bekanntheit noch recht unverbrauchte Welt. Druckbild, Farbgebung, etc. alles einwandfrei, ja hervorragend.

Es mag dabei ein beträchtlicher Vorteil sein, dass FHO (= Fritz von Herzmanovsky-Orlando) zum Beispiel in Deutschland noch nicht allzu bekannt ist, aber auch in Österreich dürfte der beeindruckende Zeichner FHO weit weniger bekannt sein als der Schriftsteller. Zwar kamen auch in Deutschland FHOs sämtliche schriftstellerischen Werke erst … Weiterlesen

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Den eigenen Tod sterben – Gerbrand Bakkers Roman „Der Umweg“

Eine Literaturwissenschaftlerin aus Amsterdam, die wegen einer Affaire mit einem jungen Studenten ihren Arbeitsplatz an der Universität verloren hat und ihre Dissertation über Emily Dickinson auch deswegen nicht mehr vollendet, ist kurz entschlossen aus ihrer gewohnten Umgebung geflohen; sie ist gewillt, fortan in einer ihr fremden, englischsprachigen Umgebung zu leben und wohl auch zu sterben, lässt also – zunächst für die beiden letzten Monate des Jahres (2009) – ihr bisheriges Leben unvermittelt hinter sich. Nicht in Irland, wie von ihr ursprünglich beabsichtigt, kommt sie unter, sondern eher zufällig in Wales. Sie mietet dort auf dem Lande Haus und sporadisch Arbeit erforderlich machenden Landbesitz, die überschaubare Hinterlassenschaft einer Witwe namens Evans. Weder der Ehemann der nunmehr ehemaligen Anglistikdozentin aus Amsterdam noch … Weiterlesen

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Dreiautorentreffen: Peter Henisch, Franz Kafka, Karl May

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Zu Beginn von Peter Henischs, im Februar 2012 nach der Erstauflage 1994 erneut im Residenz Verlag aufgelegter Romanerzählung „Vom Wunsch, Indianer zu werden“ erbricht sich ausdrücklich drastisch nicht etwa Ottos Mops und auch kein Pferd vor irgendeiner Apotheke, sondern ein noch junger Mann von 25 Jahren, der sich, etliche Seiten später, als Franz Kafka herausstellt. Das heißt: seinen vollen Namen erfahren wir offiziell erst auf Seite 68, wie auch kurz zuvor den jenes anderen Schriftstellers, dem (samt zweiter Ehefrau Klara) Franz Kafka auf seiner fiktiven Überfahrt nach New York völlig unerwartet begegnet und der sich als erster (nach bereits am Vortag zufällig erfolgter erster Bekanntschaft miteinander) vorstellt, nämlich jetzt mit seinem richtigen Namen, und damit sein anfängliches Inkognito (= … Weiterlesen

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Gespräche als Teil des literarischen Werks

 

 

 

 

 

 

Seit Eckermanns Gesprächen mit Goethe wissen wir, dass es Schriftstellergesprächsbücher geben kann, die man fast schon zu den Werken der betreffenden Schriftsteller zählen darf. Manchmal gelingt eine solche Werkausweitung auch heute. In den letzten Jahren bis hin in die allerletzte Zeit sind mir mindestens vier Gesprächsbücher untergekommen, bei denen dies der Fall ist.

Sie alle bieten Ergänzung wie Einstiegshilfe in das namhafte, manchmal etwas sperrige Werk der jeweiligen Schriftsteller… . Sie erleichtern gleichermaßen Zugänge für (unbedingt!) wünschenswerte Neuleser und vervollständigen, bestätigen oder korrigieren das vielleicht schon vorhandene Bild, das wir uns bereits konkret von Ilse Aichinger, W. G. Sebald, Julien Gracq und Ernesto Sábato durch eigene Lektüre gemacht haben.

In all diesen Büchern wird … Weiterlesen

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Befreiung oder Verhängnis: Oper vs. Ehetrott in Peter Henischs neuem Roman

Der neueste Roman des österreichischen Schriftstellers Peter Henisch, „Großes Finale für Novak“, beginnt, ehe er beginnt, mit einem Bilderrätsel auf dem Schutzumschlag.

Eine requisitenhafte Amsel mit ihrem zu Gesang aufgesperrtem Schnabel, eine wie schussbereit von uns Betrachter…n abgewandte, aber irgendwie zielgerichtete Pistole – und eine Musikkassette, deren Bandaufspulung (fortan unabspielbar) aus dem Gehäuse herausgedröselt worden ist, bilden insgesamt eine Art Girlande, ein kunstvoll arrangiertes schwarzes Gebinde um das Blockbuchstabenzentrum herum, nämlich den Autorennamen, den in große rote Lettern gesetzten Romantitel und die Gattungsbezeichnung Roman, wodurch einerseits eine Inschrift, gleichsam wie auf einem Grabstein, assoziiert werden kann und andererseits in Folge der luftschlangenhaften Umrahmung sich etwas Theaterhaftes, Karnevaleskes, Silvesterscherzartiges anzukündigen scheint.

Was hat es mit der requisitenhaften Amsel und der requisithaften … Weiterlesen

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Ortsbegehungen in Mahlers Welt

Nicht nur im laufenden Mahler-Gedenkjahr, auch lange noch darüber hinaus, werde ich sehr gerne zu dem schönen, geschmackvoll edierten Lebensbuch greifen, das der Residenz Verlag unter dem Titel „Mahlers Welt / Die Orte seines Lebens“ unlängst hat erscheinen lassen. Alle, die sich für Mahlers große Symphonik interessieren, sich für sie zu interessieren beginnen, sie vielleicht sogar schon lieben, werden sich mit diesem stattlichen Band auf Dauer anfreunden können.

Man könnte dieses Buch, wenn man es in einem durch liest, im fortwährenden Ausgang von den akribisch aufgeführten und detailreich kommentierten, recht zahlreichen Wohn- und Aufenthaltsorten und innerstädtischen Wohnadressen Mahlers her als eine besondere Art Mahler-Biographie lesen, oder aber es chronologisch und vom sehr hilfreichen Register her recht vorteilhaft als Nachschlagewerk benutzen. … Weiterlesen

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Löwenhaftes oder: Mitteilbarkeit des Nicht-Mitteilbaren

Zwei, drei Tage lang hat mich „Blumenberg“ begleitet, dieses neue Buch der Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff, wodurch und weswegen ich fortan dankbar dafür bin, dass es sie und ihre Sprache, ihre Art des Schreibens, gibt. Lewitscharoffs Roman hat mich begleitet und begleitet mich noch, fast so wie im Buch der Löwe den Blumenberg.

Sehr gut hat mir schon das kräftige, das atmende erste Kapitel gefallen, so gut, dass ich spontan innehalten, den Romanfortgang in der Schwebe lassen wollte, um den eröffneten Spielraum des Möglichen durch zwangsläufig immer größer werdende Bestimmtheit nicht allzu schnell antasten zu lassen. Andererseits wollte ich meiner Neugier zugestehen noch etwas mehr zu erfahren und geriet sogleich verlockt ins 2. Kapitel.

Und so hatte ich alsbald beides vor … Weiterlesen

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Duisburger Musik statt Dortmunder Fußball

Hab ich schon geschrieben, weshalb ich gestern das Dortmund-Spiel nicht gesehen habe? Nein? – Ganz einfach. Meine Frau und ich haben gestern das 2. Konzert der Duisburger Philharmoniker – schon unseres Abos wegen, vor allem aber wegen des verheißungsvollen Programms (Mozart + Bruckner) – dem live im Fernsehen übertragenen Fußballspiel natürlich vorgezogen. Und außerdem: War es nicht besser, musikalisch Gutes zu hören, als Dortmunds klägliches Debakel mitanzusehen?

Und dennoch: Akustisch mag es zwar vielleicht an unserem Sitzplatz – unserem immerhin doch gewohnten und längst bewährten Sitzplatz! – gelegen haben, leider aber: das 23. Klavierkonzert Mozarts, das ich doch seit langem so gerne mag, hat mir, von der Art der Darbietung her, nicht vollends gefallen; zumindest nicht so gut, wie ich … Weiterlesen

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Zweierlei Spiel

Der im Jahr 2010 bei Anagrama in Barcelona posthum veröffentlichte Roman „Das Dritte Reich“ von Roberto Bolaño ist jetzt bei Hanser in gediegener, auch rein äußerlich ansprechender Ausgabe in der Übersetzung Christian Hansens erstmals auf Deutsch erschienen. Schon 1989 wurde dieser Roman von Roberto Bolaño vorläufig abgeschlossen; in seinem Nachlass fand sich die maßgebliche Schreibmaschinenfassung, auf der die jeweiligen Bucheditionen auf Spanisch und Deutsch, in Original- wie Übersetzungssprache, fußen.

Der über 300 Seiten starke, tagebuchartig geschriebene Roman liest sich übrigens ganz anders als der nur zunächst missverständliche und dann doch zutreffende Titel „Das Dritte Reich“ es uns erwarten lässt. Schnell drin ist man in dieser Lektüre; und sie gelingt auch weiterhin mühelos.

Zwei Paare aus Deutschland, Udo und Ingeborg aus … Weiterlesen

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KAUM Gedicht

K a u m

Als ich vierzehn war sagte mein Vater er habe Furcht ich hätte kein Gefühl da ich außer Balladen erkennbar kaum Gedichte mochte.

Als ich achtzehn war bedeuteten mir Trakls Schwermut und Sprachklang viel und Hölderlins heilige Nüchternheit kaum weniger.

Als ich zwanzig war drängte ich mich selber verwegen ins Gedicht und verstummte kaum ehe ich begann.

Heute mit fünfzig und mehr f i n d e ich noch immer – Gesuchtes und Ungesuchtes.… Weiterlesen

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Geschichten vom Herrn Kaum (5)

Herr Kaum und Roberto Bolaños neueste posthume Bücher

Dass sich Herr Kaum seit „2666“ für die Bücher von Roberto Bolaño interessiert, ist längst kein Geheimnis mehr. So kam, als er im August gerade in Salzburg war, die deutsche Übersetzung des frühen, nachgelassenen Bolaño-Romans „Das Dritte Reich“ soeben neu heraus und lag in stattlicher Anzahl und in Form einer schon äußerlich ansprechenden Ausgabe des Hanser Verlags deutlich sichtbar in der Rupertus-Buchhandlung und auch bei Höllriegel aus.

Anfang September in Florenz nun fand Herr Kaum überraschend eine 2011 bei Anagrama in Barcelona erschienene, insofern also originalsprachige Ausgabe von „Los sinsabores del verdadero policía“ vor, bedauerlicherweise zum stolzen Preis von 23,00 €. Da es sich aber um das einzige in der sehr großen … Weiterlesen

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Geschichten vom Herrn Kaum (4)

IM SAAL DER VENUS MIT DEM HÜNDCHEN

Eine grazile Italienerin, die wie eine Russin sprach, vielleicht eine Russin war, jedenfalls eine russische Gruppe durch die Uffizien führte, inszenierte vor den Bildern, zumal der Venus von Urbino, sehr gesten-, pausen- und wortreich und doch dosiert, ein höchst wirkungsvolles Frage- und Antwortspiel … mit sich selber. –

Mit geschmeidiger, mit insinuierend schmeichelnd schöner Stimme.

Höchst attraktiv und anziehend. –

Wer hörte da nicht – wiewohl dieser fremden Sprache kaum mächtig … und doch sie jäh zutiefst verstehend – mit einem Male die Sprache Puschkins in Vollendung? –

Sie hörend und sehend

wen denn? die Sprache? die Stimme? die Frau?

Sie hörend und sehend

ward Herr Kaum

– verliebt –

für einen noch … Weiterlesen

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Geschichten vom Herrn Kaum (3)

AUSSPARUNG AUF ITALIENISCH 6. September 2011 / gegen 21 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit

Als Herr Kaum und Frau Kaum-Wenig bei Impruneta kurz auf die Autobahn fuhren, um sie bei Firenze Sud gleich wieder zu verlassen, stockte es vier, fünf Wagen davor beharrlich mit einem – beim wohl anzunehmenden Versuch der Zahlung der Maut. Kurzerhand sprang da nach einigen wenigen Minuten die Anzeigeampel der Nebenspur auf Grün und alle inzwischen Wartenden fuhren frei und ohne Entgelt durch, selbst wenn sie von weit her, etwa vom Brennero her gekommen wären.… Weiterlesen

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Geschichten vom Herrn Kaum (2)

UNMERKLICHE BEGEBENHEIT

Kaum zu glauben – und seine Frau, Pauline Kaum-Wenig, die mit dabei war, hat’s ja auch nicht gesehen, es, wie sie nachher ihm gegenüber bekannte, überhaupt nicht bemerkt – , aber er, Johannes Kaum, Zwillingsbruder von Hieronymus Kaum, könnte unverzüglich und jederzeit beschwören, dass es genau so war. Sieht man denn immer nur, fast immer nur, was man selber für möglich hält? –

Am 13. August, am 50. Jahrestag des Ulbrichtschen Mauerbaus, gab es im Großen Festspielhaus in Salzburg die Generalprobe der Wiener Philharmoniker zur für den folgenden Tag vorgesehenen Aufführung von Guiseppe Verdis „Requiem“. Mit dem 2. Satz, dem „Dies Irae“-Satz, stellte sich bei Herrn Kaum für einige Takte das ein, was sich bei ihm bei wirklich … Weiterlesen

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Geschichten vom Herrn Kaum (1)

HERR KAUM UND BRIGITTE KRONAUER

Einmal kam der junge Herr Kaum im Zug von Köln Hauptbahnhof nach Essen, über 40 Jahre ist das schon her, mit einer hübschen jungen Frau ins Gespräch, die sich als Autorin zu erkennen gab. Etwa 20 Minuten lang unterhielt sie sich mit Herrn Kaum über literarische Dinge, bis sie am Ende plötzlich sagte: „Wissen Sie eigentlich, daß Sie fortwährend nur Klischees bedienen? Ich bin das jetzt leid, mir das weiter anzuhören. Dafür ist mir meine Zeit zu schade.“ Herr Kaum fand sich im Mark getroffen. Er hatte sich doch so sehr ins Zeug gelegt und ganz ehrlich sein Bestes gegeben. Er verstummte verstört, ja geschockt, und redete fortan kein Wort mehr. Die Angst vor den … Weiterlesen

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200 Jahre Franz Liszt: Biografie über einen Visionär

Franz Liszt gehörte nie ganz zu den von mir besonders hoch geschätzten oder gar geliebten Komponisten. Für mich war seine Klaviermusik, wenn ich sie gelegentlich hörte, immer wieder etwas zu sehr und leider oft genug nahezu ausschließlich mit reiner Virtuosenmusik verwechselbar.

Ziemlich früh allerdings, schon in meiner Kindheit, muss ich zumindest seinen Namen mit Hochachtung in meiner Salzburger Umgebung gehört haben. Vor allem mit den „Ungarischen Rhapsodien“, die mir in der Orchesterfassung sofort gefielen (und unter dem Dirigat Hermann Scherchens immer noch), den beiden Klavierkonzerten und dem (von heute aus gesehen) so leicht verkitschbar spielbaren „Liebestraum“ wurde ich schon früh im direkten Verbund mit Liszts Namen per Radiowunschkonzert vertraut. Dennoch: Schubert, Schumann, Brahms und auch Chopin, um von Beethoven, Mozart, … Weiterlesen

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Wie Erinnerungen anderer uns in den Spiegel blicken lassen

Gestern habe ich endlich einmal auf einen Sitz Hans Keilsons, des unlängst im Alter von 101 Jahren Verstorbenen, „Erinnerungen“ gelesen, die kürzlich unter dem Titel „Da steht mein Haus“ bei S. Fischer erschienen sind. Ein schmaler, gut lesbarer Band mit einem abschließenden, sinnvoll beigefügten Gespräch zwischen dem Autor und dem Herausgeber Heinrich Detering.

Wenn es hier bei unseren Texten jeweils und grundsätzlich um ausgewiesene Ruhrgebietsnähe ginge (aber um die geht es generell ja gar nicht, da wir für unsere Texte als ohnehin im Ruhrrevier Schreibende keine derartigen Aufhänger benötigen), ließe sich ein Anknüpfungspunkt auch dieser Art bei Keilson unschwer finden. Auf Seite 93, zu Beginn des 19. Kapitels, ist zu lesen: „In Rekken erlebte ich die ersten Luftangriffe auf das … Weiterlesen

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Monegassische Hochzeiten

Briefmarken, Fußball und Skat als Einbürgerungshilfen eines Ösi im Revier

Den Übergang vom Ösi zum Wösi (damals hieß das noch nicht so) schaffte ich mit 10 bei den etwa Gleichaltrigen durch das Fußballspielen, das ich im Essener Norden auf der Bleiche hinter unserem Kruppschen Wohnblock spielerisch lernte – und auf den abgeteilten Wiesen hinter den Häusern gegenüber, sowie auf unserer kaum befahrenen Sackgasse zwischen diesen Häusern, der Heegstraße nämlich, die heute zu einem großen Teil der in den 70er Jahren neuen Straßenführung von Essen nach Bottrop zum Opfer gefallen ist, und mit ihr die Häuser natürlich auch. Wenn wir heute mit dem Auto von Bottrop nach Essen fahren, fahren wir gleichsam durch unser Schlafzimmer. Virtuell natürlich. Aber wer weiß noch … Weiterlesen

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Gestern im Skatverein – Stichprobe zu Medienbehauptungen in Sachen Frauenfußball

Gestern im Skatverein Johannestaler Buben Bottrop e. V.; viele dort sind fußballinteressiert oder -begeistert; alle davon schauen, na klar doch, die Frauenfußballweltmeisterschaft, einige sogar alle Spiele. Keine Spur von männlicher Arroganz, Herablassung oder Häme. Ganz anders als verschiedentlich in den Medien oder bei Facebook behauptet. Ganz entspannt und teils mit unverkennbarer Hochachtung werden die Spiele besprochen und begutachtet. Ganz selbstverständlich wechselt das Gespräch zum Montagsspiel der U17 der Männer gegen England und ganz selbstverständlich wieder zurück zu den Frauen. Gleichberechtigung im Fußball ist hier kein Thema.

(Foto: Bernd Berke)… Weiterlesen

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Lesefreuden: Pawel Huelle, Fontane, Thomas Mann

(1) Was ist für Sie der mit Blick auf das Ruhrgebiet wohl wichtigste Roman? Stammt der von Erik Reger? Oder von Max von der Grün? Oder von Ralf Rothmann? –

Gesetzt den Fall, ein bedeutender Autor wäre ehedem oder unlängst auf die Idee gekommen, eine wiederholte Behauptung des manchmal bei uns heute noch als ehemaliger Expressionist bekannten Exilautors Paul Zech, er habe als junger Mann zwei, drei bzw. mehrere Jahre lang in den Kohlegruben von Herne, Bottrop, Charleroi und Mans gearbeitet, entschieden aufzugreifen, wir hätten vielleicht einen bedeutenden Revierroman um Zech oder Zechs expressionistische Generation herum.

Vorausgesetzt, dieser Autor wäre dabei ähnlich vorgegangen, wie es der polnische Autor Paweł Huelle mit einem Thomas-Mann-Zitat aus dem „Zauberberg“ getan hat. Dieses Zitat … Weiterlesen

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Eine Ruhrgebietsnovelle Thomas Manns?

Eine Ruhrgebietsnovelle Thomas Manns – oder doch zumindest fast eine? Vorläufiges zu Thomas Manns später Erzählung „Die Betrogene“

Heute am Geburtstag Thomas Manns – geboren ist er am 6. Juni 1875 – hab ich mich gefragt, welche seiner etwas unbekannteren Erzählungen denn zur Feier des Tages womöglich gelesen werden könnte. Da fiel mir ein, dass ich zum Beispiel Thomas Manns 1953 erstmals veröffentlichte Erzählung „Die Betrogene“, noch immer nicht gelesen habe.

Schon der erste Satz zeigt das Eingebettetsein in eine große Erzähltradition, nicht nur von Storm und Fontane, sondern auch von Kleist her: „In den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts lebte in Düsseldorf am Rhein, verwitwet seit mehr als einem Jahrzehnt, Frau Rosalie von Tümmler mit ihrer Tochter Anna und ihrem … Weiterlesen

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Kleistiana (3): „Die Hermannsschlacht“

Wie zu lesen sei / Kleists „Hermannsschlacht“ in neuer Lesart Zu: Barbara Vinken: „Bestien / Kleist und die Deutschen“, Merve Verlag Berlin 2011 (8,00 €)

Dass der von mir in anderen seiner Werke von früh an so sehr verehrte Heinrich von Kleist auch das Drama „Die Hermannsschlacht“ geschrieben hat, hat mich – zugegeben – immer schon etwas gestört und ich habe es – nur von der damaligen Zeitsituation her betrachtet, gleichsam wie aus mildernden Umständen heraus – immer etwas widerwillig als „Leider-auch-ein-Werk-Kleists“ hingenommen. Der andere Blick der Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken kommt mir nun im Sinne einer Ehrenrettung Kleists innerlich entgegen. Kein Wunder daher, dass ich gleich zugriff, als mir ihr neuestes, nicht sehr umfangreiches Buch unlängst in einer Essener Buchhandlung … Weiterlesen

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Kleistiana (2): Über Haydns Tod

Kleistgedenkjahr 2011 + Joseph Haydns Gedenktag heute

Etwa 2 Monate vor dem von Hardenberg über Raumer bewirkten, abrupten Ende der ersten Berliner Abendzeitung mit ihrer 153. Ausgabe, jener Zeitung Heinrich von Kleists, die seit dem 1. Oktober 1810 erschienen war, erschien unter den Miszellen ein Beitrag zu Joseph Haydns Tod am 31. Mai 1809. Man mag diesen Text als ganzen vermittels folgenden Links bitte nachlesen: http://modules.drs.ch/data/attachments/2009/090531_Haydn%20heute.pdf

Der Schweizer Rundfunk bzw. Radio (DRS 2) , der den von Kleist übersetzten und geringfügig erweiterten Text ins Netz gestellt hat, hat ihn nach der Sembdnerschen Kleist-Ausgabe zitiert. Nimmt man auch noch die neuere Münchener Kleist-Ausgabe hinzu, wie ich es gerade wohlweislich getan habe, so stellt man vor allem fest, dass das in Kupfer … Weiterlesen

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Kleistiana (1): „Der Zweikampf“

KLEISTIANA (1)

Verbrechen und Klarheit Zu Heinrich von Kleists meist sträflich unbekannter Erzählung „Der Zweikampf“

Am Anfang der Geschichte steht – wie überliefert, so auch hier – ein Mord. Wer ist der Mörder? Indizien werden gefunden, Alibis und Gegenindizien auch. Durch das plausibel erscheinende Alibi des Hauptverdächtigen gerät eine bisher unbescholtene, als unbedingt ehrenhaft geltende Person in Verdacht, den sich Neider und sehr schnell Überzeugte, will sagen, allzu schnell Überzeugt-sein-Wollende, zunutze machen.

Vordergründig um eine Kriminalgeschichte, um eine Detektivgeschichte handelt es sich in dieser heute immer noch spannenden Kleistschen Novelle, mindestens ebensosehr aber um ein von einem Vorgänger des Jorge Luis Borges stammendes, ihn darin gleichsam vorwegnehmendes Kapitel aus dessen „Universalgeschichte der Niedertracht“. Um eine (zumindest zeitweilig) verwirrende Verkettung von … Weiterlesen

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„Du musst Dein Leben ändern!“

29. 05. 2011: „Du musst Dein Leben ändern!“ Mahlers Siebte mit den Bambergern Symphonikern unter Jonathan Nott in der Philharmonie Essen

Hätte ich genau diese Aufführung der 7. Symphonie Gustav Mahlers schon früher hören können und genau so hören können, wie es gestern Abend in der Essener Philharmonie der Fall gewesen ist, und wäre das noch in sehr jungen Jahren erfolgt und nicht erst jetzt nach einem langen Berufsleben, ab sofort würde ich einen ganz anderen Berufsweg eingeschlagen haben und mein Leben fortan ganz der Musik widmen.

1952, von Salzburg in den Essener Norden gekommen, hätte ich so den zweieinhalb Jahre zuvor begonnenen Klavierunterricht auch unter den widrigsten Bedingungen einer vorherrschend musikfremden Umgebung, in der ich nun weiter aufwuchs, unbedingt … Weiterlesen

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Schumann-Abend in Essen: Ans Herz gedrückt, ans Herz gelegt

Zum gestrigen Schumann-Abend des Pianisten András Schiff und seiner musikalisch kongenialen Freunde in der Philharmonie Essen

Wann hat man schon die ausgiebige Gelegenheit, an einem Abend nur Lieblingswerke zu hören? Wann schon die Gelegenheit, mehr als 150 Jahre alte Werke ein und desselben Komponisten zu hören und sie dennoch allesamt zu keiner Sekunde ihrer hellstwachen Darbietung als alte Musik zu empfinden? Nein, Schumann war durchweg ganz nah und ganz gegenwärtig. Ob nun beim Klavierquartett op. 47 oder beim Eichendorff- Liederkreis op. 39. Oder ob nach der 1. Pause bei Schumann-Heines „Dichterliebe“ op. 48 bzw. nach der 2. Pause beim abschließenden (wie alles zuvor) ganz großartig (oder doch noch etwas besser?) gespielten Klavierquintett op 44.

Bei all diesen Werken war umsichtig … Weiterlesen

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Vorfreude: Bamberger Symphoniker in Essen

Ahnen konnte ich es schon, dass man sich auf diese Gastkonzerte am 28. Mai und am 21. Oktober 2011 in der Essener Philharmonie wirklich freuen darf; dann nämlich, wenn die Bamberger Symphoniker unter ihrem Chefdirigenten Jonathan Nott jetzt bald Gustav Mahlers 7. Symphonie und im Oktober Mahlers Vierte und Schuberts „Unvollendete“ aufführen werden. (Nebenbei: Jonathan Nott wird am 17.02.2012 noch einmal nach Essen kommen, zwar mit einem anderen Orchester, nämlich dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin, aber wieder mit einer Symphonie Gustav Mahlers, dann mit der Zweiten.)

Inzwischen habe ich bemerkt, dass bei Tudor bereits eine beträchtliche Anzahl von CDs veröffentlicht worden sind, die die langjährige gute Zusammenarbeit der Bamberger Symphoniker mit ihrem derzeitigen Chefdirigenten eindrucksvoll bekunden. Die Mahler- und Schubert-Aufnahmen ziehen … Weiterlesen

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Nachtgespräch mit Thomas Bernhard

In einer Vorbemerkung erläutert Peter Hamm, weshalb sein im Jahr 1977 mit Thomas Bernhard geführtes Nachtgespräch erst jetzt erscheint. Warum dieses Gespräch auch heute noch so lebendig auf mich wirkt, mag zwar mit daran liegen, dass ich Sprechton und Gestus Thomas Bernhards von mir bereits bekannten Interviews her noch sehr gut in Ohr und Sinn habe, auch Peter Hamm mir insbesondere von der Schweizer TV-Sendung „Literaturclub“ sehr präsent ist und ich ausgerechnet im August des vergangenen Jahres in Gmunden am Traunsee und in Thomas Bernhards Bauernhof in Ohlsdorf gewesen bin und so auch die Örtlichkeiten noch ganz frisch im Gedächtnis habe.

Aber auch ganz ohne diese speziellen, individuellen Vorgaben wird jeder wache Leser einen sehr frischen Eindruck von diesem Gespräch … Weiterlesen

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Endlich übersetzt: Pierre Michons „Die Grande Beune“

Jeder Autor von einigem Belang, so will es mir scheinen, hat in seinem Leben wenigstens einmal ein ganz bestimmtes Buch geschrieben, das darauf wartet, von so unterschiedlich geneigten Leser…n, wie wir es jeweils sind, zu einem besonders günstigen Zeitpunkt als unser fortan ureigenes, autorbezogen entscheidendes Buch gelesen und entdeckt zu werden.

Je nachdem. Bei Juan Carlos Onetti war das in meinem speziellen Falle die kurze Erzählung „Abschiede“, bei Ernst Weiß der Roman „Der Gefängnisarzt und die Vaterlosen“, bei Wilhelm Raabe „Die Akten des Vogelsangs“, bei Emmanuel Bove „Die Ahnung“, bei Ludwig Winder „Die Reitpeitsche“, bei Volker Braun die „Unvollendete Geschichte“, bei Gerhard Meier „Das Tal der Winde“, bei Robert Menasse „Selige Zeiten, brüchige Welt“ und bei Roberto Bolaño „2666“. Bei … Weiterlesen

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Ein Leseeindruck, was sonst? (Peter Handkes Erzählung „Der Große Fall“)

Nein, eine Rezension wird das nicht. Handkes Erzählung „Der Große Fall“ habe ich in der letzten Woche nicht in der Absicht gelesen, darüber hier eine Rezension zu schreiben. Um eine Rezension zu schreiben, müsste ich das Ganze mindestens noch einmal lesen. – Nicht aber sofort und nicht sehr bald. Mit dieser Erzählung bin ich nach der Lektüre ohnehin noch nicht zu Ende. Sie arbeitet noch weiter in mir.

Heute will es mir scheinen, als hätte da einer geträumt, er sei ein alt gewordener, recht bekannter Schauspieler und hätte als dieser Schauspieler diese Geschichte eines einzigen irgendwie spätzeitlichen Sommertages so geträumt, als hätte er sie wirklich erlebt. Und es will mir scheinen, als hätte dieser Träumende, diese Rollenfigur des Autors, objektivierend, … Weiterlesen

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Musikstreiflicht (1): Kerzenlos gute Musik

Vor kurzem wurde in der Essener Philharmonie das in der laufenden Spielzeit letzte Konzert der Reihe „Alte Musik bei Kerzenschein“ gegeben. Wer die noch weiter gehende Abo-Reihe 3 „Erlesene Ensembles“ gebucht hat, konnte wegen einmaliger, ausnahmsweiser Überschneidung beider Abo-Reihen dieses Konzert ebenfalls mitbekommen. So war das in meinem und meiner Frau Falle auch. Allerdings: Mich hätte das Konzert auch dann interessiert und mir hätte es auch dann mindestens so gut gefallen, wenn es bei anderer Beleuchtung stattgefunden hätte. Und ich gebe auch zu, dass mich der Reihentitel „Alte Musik bei Kerzenschein“ nicht besonders angezogen hat. Mir kommt es immer nur auf die Qualität der Musikdarbietung selber an. (Die übrigens überzeugend stark vorhanden war.) Und Atmosphäre hat die Essener Philharmonie auch … Weiterlesen

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