Theaterereignis und Gesamtkunstwerk: Giuseppe Spota inszeniert in Gelsenkirchen Glucks „Orpheus und Eurydike“

Constanze Jader als Orpheus und die MiR Dance Company in Glucks „Orpheus und Eurydike“. (Foto: Zoran Varna)

Es geht um Abschied, Verlust, Tod, um die Magie der Musik und die alles überwindende Kraft der Liebe: Christoph Willibald Glucks „Orfeo ed Euridice“ galt nicht umsonst bereits zur Entstehungszeit 1762 als ideale Wiederbelebung des antiken Theaters. In Gelsenkirchen hat Choreograf Giuseppe Spota das Gesamtkunstwerk zu seinem Abschied als Direktor der Tanzcompagnie inszeniert.

Für Gluck bedeutete die intensive Zusammenarbeit mit dem Dichter Ranieri de‘ Calzabigi, dem Choreografen Gasparo Angiolini und dem Bühnenbildner Giovanni Maria Quaglio eine einzigartige Chance. Er konnte die Musik zu einem Werk schaffen, in dem alle Aspekte des Theaters gleichwertig, eng verbunden und aufeinander bezogen realisiert werden konnten. Ein Konzept, … Weiterlesen

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Ein paar Worte zum allerletzten Westfalenspiegel

Da liegt er nun auf dem heimischen Tisch, der leider, leider allerletzte in Münster erscheinende, nein: erschienene WESTFALENSPIEGEL. Sehr betrüblich: Beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) meinte man, das stets liebevoll und professionell gemachte Magazin für (regionale) Kultur und Gesellschaft einstellen zu müssen. Das war wirklich keine gute Entscheidung.

Wie sehr die 1951 gegründete Zeitschrift fehlen wird, bezeugen auch zahlreiche Leserstimmen in dieser finalen Ausgabe, nicht zuletzt von Kulturprominenz wie dem Dortmunder Schriftsteller Ralf Thenior. Überdies werden noch einmal einige Autorinnen und Autoren kurz vorgestellt, die seit etlichen Jahren mitgearbeitet haben. Ich selbst schätze mich glücklich, im Laufe der Zeit mit einigen Texten dabei gewesen zu sein (und bin nun umso trauriger). Zum Schluss habe ich noch einen Text über die (gar … Weiterlesen

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Von Dichtung, Faschismus, Alltag, Jungsein und Schule – fünf neue Bücher über fast alles

Hier mal wieder ein paar bemerkenswerte Bücher – im Fünferpack, zum Selberlesen oder Verschenken. Naturgemäß nicht nur zur Weihnachtszeit.

Er hat sie fast alle gekannt

Unter den lebenden deutschsprachigen Verlags- und Büchermenschen dürfte es schwerlich noch so einen geben, der wohl alle wesentlichen Schriftsteller der Nachkriegszeit persönlich gekannt hat. Michael Krüger kann denn auch aus einem wahren Füllhorn von Erzählbarem schöpfen, wenn es um solche bezeichnenden Begegnungen geht. Allein schon das Foto auf dem Cover, 1981 in Australien entstanden, lässt es ahnen. Es zeigt Michael Krüger mit den gewichtigen Literaten Arnfrid Astel, Jürg Federspiel, Peter Rühmkorf, Hans Magnus Enzensberger und Reinhard Lettau – ein reiner Männerbund freilich, der heute mit Einsprüchen rechnen müsste. Michael Krüger: „Unter Dichtern“ (Suhrkamp, 618 Seiten, … Weiterlesen

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Ausgegrenzt in Wuppertal: Hanns-Josef Ortheils Kindheits-Roman „Schwebebahnen“

Eigentlich wollte der 1951 in Köln geborene Hanns-Josef Ortheil Pianist werden. Doch massive Sehnenscheidenentzündungen zerstörten den Traum. Also schrieb er Romane, gründete in Hildesheim den Studiengang für „Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus“ und gehört seit vielen Jahren zu den meistgelesenen deutschen Gegenwarts-Autoren. Sein neuer Roman, „Schwebebahnen“, kreist um imaginäres und reales Schweben: Die Familie zieht Ende der 1950er Jahre von Köln nach Wuppertal.

Der sechsjährige Josef, ein leicht verfremdetes Abziehbild des Autors, ist sofort fasziniert von der Hochbahn, die über die Wupper dahin schwebt. Josef malt sich aus, wie die Bahn einfach in den Wolken entschwindet. Die Schwebebahn wird zur Metapher: für die von Kaltem Krieg und atomaren Wettrüsten gefährdete Welt; für den fragilen Zustand Josefs, der seit seinem dritten Lebensjahr … Weiterlesen

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Zauber des Zufalls: Christoph Biermanns erhellendes Fußballbuch „Die Tabelle lügt immer“

Was hat Christoph Biermann, gewiss einer unserer besten Fußballexperten, da im Sinn: Will er diesen Sport vollends entmystifizieren? Sollen wir denn nicht mehr in den üblichen, im Sog der Medien und Netzwerke abschnurrenden Narrativen übers Kicken reden? Nun, jedenfalls hält Biermann hartnäckig dafür, das Leistungsniveau der Fußballteams von den Resultaten zu trennen und endlich die gewichtige Rolle des Zufalls anzuerkennen.

Es gebe, so Biermann, eigentlich keine Torschüsse, in denen nicht das Rauschen des Zufalls vernehmbar sei. Kein Schuss sei zu 100 Prozent wiederholbar, somit sei auch das Ergebnis nicht vorhersehbar – und wenn man noch so viel Technik zur Spielanalyse einsetzt. Das sekundengenaue Tracking, die „Datafizierung“ des Fußballs, beispielsweise die Berechnung der „expected goals“, all das könne letztlich vieles nicht … Weiterlesen

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Kulturauftrag vorbildlich erfüllt: Die Tage Alter Musik in Herne und ihre Verdienste im Salieri-Gedenkjahr

Antonio Salieri auf einer um 1815 entstandenen Lithografie.

Ohne die „Tage Alter Musik“ in Herne wäre der 200. Todestag Antonio Salieris in Deutschland sang- und klanglos vorüber gegangen. Mit einer konzertanten Aufführung seiner Oper „La Grotta di Trofonio“ erinnerte das vom WDR und der Stadt Herne getragene Festival an den 1825 gestorbenen einflussreichen Komponisten, der für die Nachwelt nur noch als angeblicher Rivale Mozarts in Erinnerung geblieben ist.

Wer sich mit Salieris Musik befasst, wird immer wieder überrascht: Zwar bleibt sein melodischer Ausdruckswille hinter dem Mozarts zurück; auch den dichten, von Überraschungen sprühenden Satz des Salzburgers sucht man bei Salieri vergebens. Aber der formale Erfindungsreichtum und der souveräne Umgang mit den konventionellen Formen der italienischen Oper belegen Salieris Meisterschaft ebenso … Weiterlesen

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Der neue Faschismus und seine Zerstörungslust

Kevin Roberts, Vordenker der Agenda zum Umbau der US-Gesellschaft in einen autoritär-faschistischen Staat, hat kurz vor der Wahl von Donald Trump unmissverständlich formuliert, dass es nicht darum geht, die Institutionen der liberalen Demokratie zu reformieren, sondern sie zu zerstören: „Dekadent und wurzellos dienen diese Institutionen einzig als Zufluchtsort für unsere korrupte Elite. Damit Amerika wieder aufblühen kann, dürfen sie nicht reformiert werden; sie müssen verbrannt werden.“

Beängstigend für Anhänger der freiheitlichen Demokratie ist nicht allein die provokative Attitüde dieser Aussagen, sondern auch, dass sie offen die Sehnsucht nach Destruktion und den Wunsch ausdrücken, die liberale Gegenwart in den Orkus der Geschichte zu verbannen, um eine Reise in die schöngeredete Vergangenheit anzutreten. Diese „Zerstörungslust“, so Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey in … Weiterlesen

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Dortmunder Jugendoper: Ein Zoo am Lager Buchenwald

Der Zoo, in Emine Güners Bühne ein trostloser Ort für den Pavian (Cosima Büsing), das Murmeltier (Wendy Krikken) und den Bären (Franz Schilling). (Foto: Björn Hickmann)

In einem Zoo lebt ein Nashorn. In einer Winternacht stirbt es plötzlich. Was war geschehen?

Vertrug das exotische Tier die Kälte nicht? Hatte es Heimweh? Das fragen sich ein Murmeltier und der kürzlich erst neu angekommene Bär. Oder hat das Nashorn „sein Horn zu tief in Angelegenheiten gesteckt, die es nichts angehen“, wie der Vater einer Pavian-Familie mutmaßt?

Den Zoo, den Komponist Edzard Locher und sein Librettist Daniel C. Schindler als Schauplatz für ihre Oper für junges Publikum ab Zwölf gewählt haben, den gab es wirklich. Er lag direkt am Zaun des Konzentrationslagers … Weiterlesen

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Berg & Klammern, Bus & Eile

Foto einer Zeichnung in einem Skizzenbuch, dahinter ein Tablett mit einer Kaffeetasse

Eisdielenzeichnungsambientefoto

Bisher: Herr Scherl, Held unserer Erzählung, will seit Tagen eine nötige social-media-Pause machen, er kommt aber nicht dazu, weil immer was dazwischen kommt (für dieses »zu – zwi« müßt man (=ich) mal was erfinden. Nà, heut nicht mehr). Zu Anfang dieser Aufzeichnungen weilt er nach einem Arzt-(genauer: Ärztin-)besuch (nur was abholen, da muß man sich ja wegen jedem Mist selber materialisieren) wie immer in der Eisdiele seiner Wahl, wo er, wie immer, zeichner- und soziologische Studien betreibt.

Klar, Wohlstand usw usf, wie immer. Faules Künstlerpack – nix arbeiten, aber immer Pause machen und rauchen und immer Kaffee saufen. Oder noch Schlimmeres! Jaja… (ja – ich weiß, was »jaja« heißt, deswegen schreib ichs ja hin)

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Was nach „Babylon Berlin“ geschah: Volker Kutschers „Westend“

Berlin 1973. Die geteilte Stadt ist Hotspot des Kalten Krieges. Nirgendwo sonst auf der Welt vermischen sich ideologische und politische Gegensätze zu solch einer undurchdringlichen Melange aus Verschwörung und Intrige, Spionage und Illusion.

Im Westteil der von hohen Mauern geteilten Stadt lebt ein ehemaliger Kriminalkommissar in einem Seniorenheim. Er ist jetzt 74 Jahre alt, ein einsamer, verbitterter Mann. Am liebsten möchte er die Vergangenheit einfach vergessen, nie wieder daran erinnert werden, dass er einst bei der Berliner Polizei mit Mord und Totschlag zu tun hatte, sich gegen die Nachstellungen der Nazis wehren musste und irgendwann seinen eigenen Tod inszenierte, einfach abtauchte und sich in Amerika ein neues Leben erfand. Von seiner Frau wurde er für tot erklärt, damit sie wieder … Weiterlesen

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„InformELLE“ in Hagen – späte Gerechtigkeit für die Künstlerinnen

Mary Bauermeister: Untitled, 1959. Kasein-Tempera, Gouache auf Papier, 49 x 61 cm (Mary Bauermeister Art Estate, Foto Margot Gottschling © VG Bild-Kunst, Bonn 2025)

Diese Ausstellung war überfällig, erst recht in Hagen: Mit der anregenden, stellenweise auch aufregenden Schau „InformELLE“ werden endlich die Künstlerinnen (daher das frankophone Wortspiel mit „ELLE“) des Informel als eigenständige Könnerinnen des Metiers gewürdigt.

Das Informel als Zweig der Abstraktion kam in den 1950er Jahren auf. Die körperliche Energie beim gestisch ausagierten Schaffensprozess und die von Gegenständlichkeit gelöste Materialität der Werke rückten in den Vordergrund. Für lange Zeit waren auf diesem Felde fast nur männliche Protagonisten weithin sichtbar. Jetzt widerfährt den Frauen doch noch späte Gerechtigkeit.

Wie gut, dass das Hagener Emil Schumacher Museum (ESMH) den … Weiterlesen

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So einzigartig wie ein Fingerabdruck – Alina Bronskys Buch über das Essen

Vorlieben und Abneigungen beim Essen sind so individuell wie ein Fingerabdruck. Fast immer gehen sie auf Geschmacks-Erlebnisse der Kindheit zurück. Mit solchen, stets persönlich beglaubigten Einsichten lockt einen die Schriftstellerin Alina Bronsky geschickt in ihr Buch übers Essen hinein. Auch nach dem Intro breitet sie ihren Erzählstoff sehr kurzweilig aus.

Der kompakte Band fügt sich bei Hanser Berlin ein in die zehnteilige Reihe zu den „10 wichtigsten Themen des Lebens“, als da außer dem Essen noch wären: das Altern, Schlafen, Lieben, Streiten, Wohnen, Arbeiten, Spielen (alle bereits erschienen), Sprechen und Reisen (kommen 2026 heraus). Übrigens stammen alle zehn Bücher von Frauen.

Deutscher Irrweg des „Trockenfutters“

Zurück zu Alina Bronsky. Sie kam als Kind aus der in letzten Zuckungen darnieder liegenden … Weiterlesen

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Bundestreffen in Dortmund: Was Tierärzte regulieren wollen

Florianturm, Zeche, Dortmunder U und Reinoldikirche als Dortmunder Wahrzeichen – auf Unterlagen der Bundestierärztekammer.

Quizfrage: Wie wird das Deutsche Tierärzteblatt in Fachkreisen liebevoll genannt? Nun, die Lösung lautet: „Grüner Heinrich“. Wenn Gottfried Keller das geahnt hätte… Derlei – für die Allgemeinheit – unnützes Wissen nennt man heute wohl Fun Fact.

Scherz beiseite. Warum mich eine Einladung zur Pressekonferenz (PK) der Bundestierärztekammer ereilt hat, weiß ich wirklich nicht. Noch nie habe ich über dieses Fachgebiet geschrieben. Immerhin findet jetzt der 30. Deutsche Tierärztetag hier in Dortmund statt. Also habe ich mich mal (online) zur PK bemüht und wage es, ziemlich fachfremd zu berichten.

Ich habe ja so gut wie keine Ahnung vom tierärztlichen Metier (außer ein paar bleibenden Eindrücken, wenn wir … Weiterlesen

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Als man sich noch für „richtig links“ halten wollte

Kinners, heute erzählt Euch der Boomer-Opa ein klitzekleines bisschen von früher. Keine Angst, es werden nur ein paar Schlaglichter sein. Und nur die fernen Echos wahrer Klassenkämpfe. Wie denn damals im Revier überhaupt nur der Widerhall aus den wirklichen Metropolen zu vernehmen war.

Icke, wa?! Wie man halt „damals“ aussah. (Foto: Norbert Hell)

Als ich studiert habe, hatte man gefälligst „links“ zu sein, was immer das wirklich heißen mochte. Wir waren uns jedenfalls fraglos sicher – und es schien ja in dieser Hinsicht auch noch wesentlich übersichtlicher zu sein als heute. Freilich sinnierte schon damals Botho Strauß in Gestalt seiner Lotte im Stück „Groß und klein“: „In den 70er Jahren finde sich einer zurecht…“

Bevorzugte „Quelle“ bzw. Hilfsmittel für jegliche … Weiterlesen

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Groteske Sozialkritik im Asia-Restaurant: In Hagen startet eine neue Intendanz mit Peter Eötvös‘ „Der Goldene Drache“

Spielfreudiges Ensemble (von links): Nike Tiecke, Anton Kuzenok, Angela Davis, Kenneth Mattice, Ks. Richard van Gemert. (Foto: Leszek Januszewski)

Abschied und Neubeginn: Mit dem ehrgeizigen Projekt einer Uraufführung hat Intendant Francis Hüsers in Hagen noch einmal für einen Höhepunkt gesorgt. Auch sein Nachfolger Søren Schuhmacher bekennt sich zum Musiktheater der Gegenwart.

„American Mother“, die Oper der amerikanischen Komponistin Charlotte Bray, einfühlsam inszeniert von Travis Preston und vom Orchester unter dem ebenfalls scheidenden GMD Joseph Trafton auf makellosem Niveau gespielt, setzte einen tief bewegenden Schlusspunkt unter Hüsers achtjährige Intendanz.

Schuhmacher wird sich am 4. Oktober mit einem Klassiker, Verdis „La Traviata“, als Regisseur vorstellen. Seine auf fünf Jahre angelegte Intendanz eröffnet er jedoch mit Zeitgenössischem: „Der goldene DracheWeiterlesen

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Wie Isabel Allende die Vorgeschichte vom „Geisterhaus“ erzählt

Sie ist seit vielen Jahren ein Star der internationalen Literatur. Die Bücher von Isabel Allende, die 1982 mit „Das Geisterhaus“ ein fulminantes Debüt feierte, haben Bestseller-Garantie und sind in mehr als 40 Sprachen übersetzt worden. Ihr neuer Roman, „Mein Name ist Emilia del Valle“, erscheint bei uns in einer Startauflage von 100.000 Exemplaren.

Erzählerin Emilia ist die Tochter einer bibelfesten Irin, die sich auf das Leben als Nonne vorbereitet, dann aber den erotischen Avancen eines chilenischen Aristokraten aus dem Hause del Valle erliegt: ein Luftikus und Lebemann, der sein Erbe in den Bordellen und an den Spieltischen der Welt wegwirft und sich aus dem Staube macht, wenn es Probleme gibt.

Emilia muss mit dem Zorn ihrer Mutter auf den faulen … Weiterlesen

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Eisiger Schauer für Barbarossas Knochen: Verdi und Rossini zur Saisoneröffnung in der Philharmonie Essen

Der Dirigent Riccardo Chailly in der Philharmonie Essen. (Foto: Brescia e Amisano ©Teatro alla Scala)

Erfreulich, dass Riccardo Chailly mit Orchester und Chor des Teatro alla Scala beim Saison-Eröffnungskonzert der Essener Philharmonie einmal nicht den Schlager aller Chorschlager mitgebracht hat. Statt „Va pensiero“ aus Giuseppe Verdis „Nabucco“ eröffnen sie ihr Konzert mit italienischer Opernmusik von Verdi und Rossini mit einer mitreißenderen Hymne als dem „Gefangenenchor“: „Viva Italia“, der Einleitungschor aus Verdis vernachlässigter „La Battaglia di Legnano“.

Man spürt den Kampfgeist des Risorgimento, den Enthusiasmus der italienischen Einigungsbewegung: Ein „heiliger Pakt“, so heißt es, verbinde die Söhne Italiens (die Töchter waren damals nicht gefragt), mache sie zu einem Heldenvolk. Ein eisiger Schauer möge die Knochen des wilden Barbarossa durchfahren!

Viel eindringlicher … Weiterlesen

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Garantie auf Gänsehaut: Das Gesangsoktett VOCES8 sprengte beim Düsseldorf Festival das Kartenangebot

Die „Königin der hohen Töne“ tritt zurück: Andrea Haines, Sopranistin des weltberühmten Vokalensembles VOCES8, wird in diesen Tagen von der Texanerin Savannah Porter abgelöst. Haines wirkte beinahe am längsten an der nunmehr 20-jährigen Erfolgsgeschichte der Formation mit, übertroffen nur von Gründungsmitglied Barnaby Smith. Beim Düsseldorf Festival ergab sich jetzt die wohl letzte Gelegenheit in Deutschland, sie live zu erleben.

Lange Schlangen bildeten sich vor der derzeit eingerüsteten Johanneskirche in der Altstadt, eine der Stationen der aktuellen Europatournee von VOCES8 (sprich: ˈvo:tʃes eɪt). Die Kartennachfrage war so stark, dass die Organisatoren des Festivals das Ensemble baten, sein Konzert zweimal hintereinander zu geben (17 Uhr und 20 Uhr).

Festival-Intendantin Christiane Oxenfort begrüßt das Publikum in der Johanneskirche. (Foto: Albrecht Korff).

Hocherfreut berichtete … Weiterlesen

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Auf der Suche nach einer geträumten Melodie: Marc L. Voglers „Klangstreich“ in der Jungen Oper Dortmund

Der Komponist Marc L. Vogler wuchs in Gelsenkirchen auf. (Foto: Christian Palm)

Finn ist nur eine kleine Note, aber mit einem großen Traum. Im Reich der Wünsche und Imaginationen hat sie eine wunderschöne Melodie gehört, die sie nicht mehr loslässt. Davon erzählt „Klangstreich“, eine Oper für Menschen ab vier Jahren, geschaffen von einem 27 Jahre alten Komponisten, uraufgeführt während des Theaterfestes als Auftragswerk der Jungen Oper Dortmund.

Eigentlich gehört die Note in ein Geburtstagslied; da springt sie einfach raus. Das Lied hat jetzt ein Loch. Aber die kleine Note Finn macht sich auf den Weg. Sie begibt sich auf die Suche nach ihrer eigenen, ihrer geträumten Melodie. Und dazu braucht sie Hilfe.

Marc L. Vogler, letzter Schüler von Manfred … Weiterlesen

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Kliffhänger mit einem Schuss Sakralkitsch: Ruhrtriennale zeigt die Performance „Falaise“

Weiß auf Schwarz: Mit „Falaise“ (Klippe) hat das Kollektiv Baro d’evel ein Gegenstück zu seiner Produktion „Là“ geschaffen. (Foto: François Passerini/Ruhrtriennale)

Sie sind immer kurz vor dem Absturz. Krallen sich mit den Fingerkuppen fest, an Vorsprüngen in der senkrechten Wand. Kraxeln weiter, zwängen sich durch Löcher, die sie zuvor mit den Füßen durch Wände gestoßen haben. Denn auf dieser Bühne sind die Kulissen aus Gips. Was nach Felsen aussieht, bröckelt, bröselt, gerät als Geröll ins Rutschen. Wo ist da noch Halt? „Falaise“ (Klippe), eine Performance des französisch-katalanischen Kollektivs Baro d’evel, zeigt eine Welt kurz vor dem Kollaps – und acht Menschen, die sich durchhangeln.

Die Ruhrtriennale, die das Stück in der Kraftzentrale des Duisburger Landschaftsparks als Deutsche Erstaufführung zeigt, hat … Weiterlesen

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Bis die Kriegsgewalt bröckelt – Alexander Kluges Bilderatlas „Sand und Zeit“

Da haben wir also wieder ein Buch vom inzwischen 93-jährigen Polyhistor Alexander Kluge, der stets die entferntesten Dinge produktiv zusammen bringt und hellsichtig Funken aus seinen Blickwechseln schlägt.

Diesmal beginnt die fruchtbringende Gedankenreise bei den akuten Verheerungen im Gazastreifen, wo vieles nicht einfach „nur“ zerstört wurde, sondern schier zu Sandkörnern zerriebene Wüstenei geworden ist. Vielfach erwogen wird in der Folge, ob dem allfälligen Krieg und der Gewalt Einhalt zu gebieten sei – ganz gleich, zu welchem Zeitpunkt und an welchem Ort des geschundenen Erdenrunds.

Damit wären die beiden Pole des Bandes „Sand und Zeit“ schon einmal benannt. Das zu Sand zermalmte Land kehrt später – gründlich verwandelt – im Kinder-Sandkasten und sodann in „Sandkasten-Spielen“ der Militärstrategen wieder. Auch werden einzelne … Weiterlesen

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„Die Besessenheit“ – Annie Ernaux‘ Selbsterforschung zur Eifersucht

Die französische Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux sieht sich als „Ethnologin ihrer selbst“. Ihre Romane und Erzählungen kreisen immer um ihr eigenes Leben, berichten von schmerzlichen Kindheitserinnerungen, privaten Nöten, erotischen Obsessionen: eine oft quälende, aber immer ungemein aufschlussreiche Lektüre. Leider werden ihre Bücher zumeist mit großer Verspätung ins Deutsche übersetzt: „Die Besessenheit“ (Originaltitel „L’occupation“) ist bereits 2002 in Frankreich herausgekommen.

In klaren Sätzen und fast klinischen Worten beschreibt Annie Ernaux, wie sie von der Wucht einer Eifersucht ergriffen wurde, die sie an den Rand der Selbstauflösung und Selbsterniedrigung führte. Jeder Gedanke drehte sich um eine Frau, von der sie zunächst nichts wusste, außer dass sie die neue Geliebte ihres Liebhabers ist: „Das Sonderbarste an der Eifersucht ist, dass man eine Stadt oder … Weiterlesen

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Hinüber ins Ungewisse – Mariette Navarros Roman „Am Grund des Himmels“

Zu (beinahe) 100 Prozent und viele Jahre lang hat die Erzählerin „funktioniert“, in der gläsernen Karrierewelt der globalen Hochhäuser, hier wahrscheinlich in einem ziemlich degenerierten Viertel von Paris. Nun aber will sie ein für allemal ausbrechen aus diesem sterilen Irrsinn mit seinen Mechanismen des kläglichen Dazugehörens.

Durch eine Dachluke begibt sich Claire eins Abends – „nach Dienstschluss“ – in gefährlich schwankende Höhen über der Stadt, wo starke Winde wehen und der Abgrund erschreckend nah ist. Desertieren aus all dem Gewöhnlichen, gut und schön. Aber was geschieht danach, wie kann man sich droben und außerhalb halten? Und überhaupt.

Ihre bescheiden und sparsam gebliebenen Eltern haben gefragt: Denkt ihr da oben auch an Leute wie uns? Bisher gewiss nicht. Claire hat sich … Weiterlesen

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Köstlich ohne Wenn und Aber – Gesammelte Kolumnen von Max Goldt

Gar manches in Max Goldts neuem Buch „ABER?“ kommt einem, sofern man seine Schöpfungen öfter goutiert, womöglich bekannt vor – sei’s aus Hörbüchern (Live- und Studio-Mitschnitte) oder aus den irrwitzigen Cartoons und Comics, die das Duo Katz & Goldt reihenweise hervorbringt.  Hier kann man es in anderer Form nachschmecken. Und es bleibt köstlich.

Hohe Auszeichnung schon, dass die Testimonials, die Goldts Kolumnen-Schaffen auf dem Umschlag preisen, von Daniel Kehlmann und Durs Grünbein stammen, also aus der allerersten Garde der kunstreich auf Deutsch Schreibenden. Kehlmann fühlt sich durch Goldts perfekte Syntax mitsamt der feinsinnigen Ironie an Thomas Mann erinnert. Hört, hört!

Nun denn: Auf solch erhellende Weise Frauenfußball und „Ehe für alle“ oder auch Frisösen, Lesben und Tierpflegerinnen zu einem herzhaften … Weiterlesen

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Kreisende Lichtgewitter: Die Uraufführung von „Oracle“ bei der Ruhrtriennale erweist sich als prozessverliebtes Spektakel

Oben und unten, damals und heute: Szenenfoto aus der Uraufführung von „Oracle“ bei der Ruhrtriennale (Foto: Katrin Ribbe/Ruhrtriennale)

Vielleicht ist es eine Folge omnipräsenten Konsums: Bei einer aufwendigen, bombastischen Verpackung stört es viele Menschen nicht mehr, wenn der Inhalt nicht einmal die Hälfte des Volumens füllt. Als solch vorgebliche Wundertüte entpuppt sich die Uraufführung der Multimediashow „Oracle“ bei der Ruhrtriennale, mit der Regisseur Łukasz Twarkowski seine Wissenschafts-Trilogie fortsetzt.

In der Kraftzentrale im Landschaftspark Duisburg-Nord berauscht sich das Publikum an einem gut vierstündigen Spektakel mit Lichtgewittern, Livekameras und dröhnenden Beats, das sich um Fragen der Künstlichen Intelligenz dreht. Das ist im Wortsinn zu verstehen, denn die Bühne – und mit ihr die Produktion – kreist stundenlang um sich selbst. Die Gemeinschaftsarbeit … Weiterlesen

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Die Sache mit den zwei roten Kühlschränken

Steht der da einfach so auf der Straße herum….

Hin und wieder macht sich der Mensch Gedanken über den Zufall, fühle er sich nun vom selbigen begünstigt oder nicht. Mir ist gestern etwas „zugefallen“, was in der Wahrscheinlichkeitsrechnung wohl einem ordentlichen Lotterie-Gewinn gleichkäme.

Der Reihe nach: Nach etlichen Jahren musste ein neuer Kühlschrank her. Das alte Gerät (Retro-Look, kirschrot) wurde bei der Lieferung des neuen zur fachgerechten Entsorgung mitgenommen. Über Nacht stand es abholbereit und aufgetaut in der Küche, anderntags habe ich es noch einmal schnell fotografiert. Man hat ja so manchen Einkauf und manche Mahlzeit miteinander zugebracht. Kein Wunder, dass einst Axel Hacke eine veritable Beziehung zu seinem Kühlschrank namens Bosch gepflegt hat.

…und erinnert einen an den eigenen,

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…und wieder wird die angebliche Jugendsprache totgeritten

Blick ins heimische Bücherregal: Produkte aus dem Langenscheidt-Kerngeschäft sind mir irgendwie weitaus lieber als die PR-Masche mit den Jugendwörtern. (Foto: Bernd Berke)

Schon seit 2019 gehört der Wörterbuchverlag Langenscheidt – unter Beibehaltung der Marke – zum einstigen Konkurrenten Pons. Rasch war das Kartellamt damals mit der Fusion einverstanden, weil es sich bei Wörterbüchern und Sprachführern um einen „Bagatellmarkt“ (!) handele.

Trotzdem (oder gerade deshalb?) mag man es bei Langenscheidt partout nicht aufgeben, alljährlich wiederkehrend das „Jugendwort des Jahres“ wählen zu lassen. Ein Vorgang, den man eigentlich bei der Gesellschaft für Deutsche Sprache ansiedeln würde. So aber haben es (bereits 2008) ein paar Verlagsleute privatisiert und hauen darob bis heute eminent wichtig auf die Pauke. Ob es ihren Ruf gesteigert oder … Weiterlesen

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Gnadenlos hinsehen: Heinz Strunks Geschichten ohne Geld, Glück und Sprit

In diesem Buch begegnen wir wahrlich bizarren Personen und Zuständen. Vielfach stehen Fäulnis und Verfall menschlichen Lebens im Brennpunkt der Kurzgeschichten (besser noch: Miniaturen), die Heinz Strunk mit einer Mischung aus Abscheu und diabolischem Vergnügen schildert. Der Mann redet nicht um den heißen Brei herum, sondern steuert geradewegs drauflos und hat sich damit eine treue Anhängerschaft erschrieben.

„Kein Geld Kein Glück Kein Sprit“ steht als Titelschriftzug mit Durchstreichungen auf dem Cover. Warum nur habe ich statt Sprit zuerst immer Spirit gelesen? Naja, egal. Muss ich mit mir selbst ausmachen. Wobei Sprit ja Benzin oder Schnaps bedeuten kann. Der Titel wird jedenfalls in diversen Storys wortwörtlich und fast wie nebenbei aufgegriffen.

Schauen wir aufs Figureninventar:

Ein offenbar linkischer Nerd bewundert im … Weiterlesen

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Zum Tod von Claus Peymann – ein paar Worte von „damals“

Claus Peymann, seinerzeit Intendant des Berliner Ensembles, im Mai 2013 bei der Berliner Konferenz „Theater und Netz“ der Heinrich-Böll-Stiftung. (Wikimedia Commons, Foto Stephan Röhl) – Link zur Lizenz:https://www.creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

Mit Claus Peymann (geb. 7. Juni 1937 in Bremen, gest. 16. Juli 2025 in Berlin-Köpenick) ist einer der wirkmächtigsten deutschsprachigen Theatermacher der letzten 60 Jahre gestorben. Hier noch einmal eine kurze Würdigung zu seinem 60. Geburtstag, erschienen in der Westfälischen Rundschau und eben auch schon 28 Jahre her. Um jetzt spontan einen Nachruf zu schreiben, wenn nichts von langer Hand Vorbereitetes in der Schublade (sprich: Festplatte) schlummert, ist „man“ denn doch zu bewegt. Auch darum dieser Rückgriff:

Von Bernd Berke

Es war die „Publikumsbeschimpfung“, mit der Claus Peymann erstmals weithin Aufsehen … Weiterlesen

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Wenn alles verloren geht – Marlene Streeruwitz‘ Roman „Auflösungen“

Marlene Streeruwitz ist eine der politisch profiliertesten Autorinnen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Ihr neuer Roman heißt „Auflösungen“.  Denn alles löst sich auf: gesellschaftliche Zusammenhänge, soziale Strukturen, politische Gewissheiten, kulturelle Übereinkünfte, familiäre Beziehungen.

Der Soziologe Andreas Reckwitz hat kürzlich den „Verlust“ als „Grundproblem der Moderne“ beschrieben. Der Roman von Marlene Streeruwitz ist der Versuch, das Gefühl des Verlusts literarisch einzufangen und zu demonstrieren, wie ein Individuum komplett aus der Bahn geworfen wird, zu einem modernen weiblichen Odysseus mutiert und nirgendwo mehr Halt und Heimat findet.

In den Ruinen ihres Lebens

Nina Wagner lebt als Lyrikerin in Wien und steht vor den Ruinen ihres Lebens. Ihre Ehe ist geschieden, ihre Tochter will kaum noch etwas von ihr wissen. Ihre Versuche, sich als bisexuelle … Weiterlesen

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Sinnlich, saftig, manchmal faulig: Ahlen zeigt „Früchte in der Kunst“

Pierre-Auguste Renoir: „Nature morte aux pommes et grenades“ (Stillleben mit Granatäpfeln), um 1910, Öl auf Leinwand (Courtesy Kunststiftung Rainer Wild, Heidelberg © VG Bild-Kunst, Bonn 2025)

Es dürfte sozusagen die saftigste Ausstellung des Jahres sein, auf jeden Fall ist es die fruchtigste: Mit „Ein Genuss! Früchte in der Kunst“ präsentiert das Kunstmuseum Ahlen – erstmals in NRW – Ausschnitte der einzigartigen Sammlung des Heidelberger Unternehmers und Wissenschaftlers Prof. Rainer Wild, der sich just auf künstlerische Darstellungen von Früchten spezialisiert hat. Eigentlich kein Wunder, importiert und verarbeitet seine Firma doch Früchte aus aller Welt.

Über 100 Arbeiten von 77 Kunstschaffenden des 20. und 21. Jahrhunderts sind in Ahlen zu sehen. Da finden sich reihenweise große Namen aus der neueren Kunstgeschichte, beispielsweise … Weiterlesen

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Zehn Jahre nach dem Weltkrieg: Als deutsche Abstrakte in Paris reüssierten

Karl Otto Götz: Ohne Titel (9.9.1954) (Drouin-Bild, 1954) / Sammlung von Morgen, Berlin (Foto: Oskar Lee / Emil Schumacher Museum, Hagen)

Abstrakte deutsche Kunst in Paris zeigen – nur zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs? Das muss ein heikles Unterfangen gewesen sein. 1955 sah man darin von Staats wegen auch eine diplomatische Mission zur Annäherung ans vormals befeindete Nachbarland. Trotz vieler Streitigkeiten im Vorfeld wurde die Schau ein Erfolg und brachte manchen Künstlern den Durchbruch. Wer es in Paris geschafft hat, der damaligen Welthauptstadt der Kunst, konnte es überall vollbringen.

Jetzt, 70 Jahre später, ist die legendäre Ausstellung fürs Hagener Emil Schumacher Museum (ESMH) zu wesentlichen Teilen rekonstruiert worden. Sie führt auf eine Zeitreise in ästhetische Gefilde der 50er … Weiterlesen

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Wenn die Dinge immer schlechter werden: „Die Verkrempelung der Welt“

Der Titel dieses silbrig glitzernden Buches aus der ehrwürdigen edition suhrkamp ist ein Coup. Hätte der Band „Kritik der überflüssigen Dinge“ oder ähnlich betulich geheißen, hätte wohl kaum ein Hahn danach gekräht. So aber nennt er sich „Die Verkrempelung der Welt“. Da horcht man auf, da will man Näheres wissen.

Nicht alle Befunde des Autors Gabriel Yoran (umtriebiger, mehrfacher Startup-Gründer mit eher „links“ anmutendem geistigen Rüstzeug) sind brandneu, aber schon der Einstieg ist hübsch: Er dreht sich um einstmals bewährte Dinge wie Herdknebel (früher übliche Bedienknöpfe) und konventionell sinnreiche Duschschläuche. Heute muss oft für einfachste Verrichtungen ein komplizierter Touchscreen mit allerlei irrwitzig verzweigten Optionen herhalten.

Erstes Zwischenfazit: Um noch mehr Gewinn zu generieren, nehmen Konzerne ihren jeweils neuesten Produkten gute … Weiterlesen

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Salz im Nudelwasser und viele andere Küchenfragen

Gewichtige Frage, fürwahr: „Wann kommt das Salz ins Nudelwasser?“ Sofort oder etwas später? Das Magazin der Süddeutschen Zeitung (SZ) hat nach und nach eine Menge Fachleute (beileibe nicht nur mit professoralen Weihen) aufgeboten, um bei solcherlei Problemen Klarheit zu schaffen. Nun liegen die gesammelten Resultate in Buchform vor.

„Ein für alle Mal“ sollen hier – laut Untertitel – die wichtigsten Küchenfragen geklärt werden. Dabei zeigt sich doch rückblickend an etlichen Stellen, wie sehr solche Abwägungen zeitbedingt und dem Wandel unterworfen sind. Und gar manches Mal heißt es: „Die Antwort lautet Jein.“ Es lebe die feine Differenzierung.

Um den Titel gleich aufzugreifen: Das Salz gehört erst dann ins Nudelwasser, wenn Letzteres schon zu kochen beginnt. Es hat mit dem Siedepunkt zu … Weiterlesen

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Die Wahrheit hinter der Wahrheit – Ralf Rothmanns „Museum der Einsamkeit“

Als Prosaautor debütierte Ralf Rothmann 1986 mit der Erzählung „Messers Schneide“, sein erster Roman, „Stier“, kam 1991 heraus und wurde gleich im „Literarischen Quartett“ besprochen. Seitdem sind 20 weitere Bücher des in Schleswig geborenen, im Ruhrgebiet aufgewachsenen und seit vielen Jahren in Berlin lebenden Autors erschienen. Jetzt legt er unter dem Titel „Museum der Einsamkeit“ eine Sammlung von Erzählungen vor.

Menschen hadern mit ihrem Leben, brechen auf in neue Ungewissheit, fürchten sich vor dem Tod, verfallen in existenzielle Einsamkeit. Rothmann erzählt von den Mühen des Alltags, der Furcht vor dem Alter, dem Ärger mit Berufskollegen und Nachbarn, der Trauer um eine kaputte Ehe, von Ratlosigkeit und Verzweiflung eines Jungen, der allein zu Hause ist und auf seinen kleinen Bruder aufpassen … Weiterlesen

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Peppa Pig, die KI und der Rest

Familienaufstellung der kunterbunten Schweinchenfamilie, wie sie von der Firma Simba Toys hergestellt wird (von links): Mama Pig, Peppa Pig, George, Papa Pig. Mittlerweile ist noch das Baby Evie hinzu gekommen. (Foto: Bernd Berke)

Alle Welt schreibt und/oder podcastet über Künstliche Intelligenz (KI, anglophon bekanntlich AI abgekürzt). Jetzt hatte ich auch so ein kleines, aber bezeichnendes Erlebnis damit. Wie auf diesem Felde üblich, war es gleichermaßen faszinierend und erschreckend.

Es ging mir darum, eine bestimmte Szene (fröhliches Mädchen auf der Waage bei der Kinderärztin) mit dem berühmten Comic-Schweinchen Peppa Pig („Peppa Wutz“) darzustellen. Meines Wissens existierte eine solche Szene im Peppa-Kosmos noch nicht. Also habe ich mal bei ChatGPT angefragt, ob sich da was machen ließe…

Frau Mümmel als Kinderärztin

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Flaschenpost aus finsteren Zeiten – Sebastian Haffners Roman „Abschied“

Ob Männer oder Frauen, alle umschwirren die geheimnisvolle Teddy wie Motten das Licht. Vor den strengen Eltern ist sie von Berlin nach Paris entflohen. Hier haust sie in einer Mansarde, flaniert auf den Boulevards, streift durch Museen, feiert mit Freigeistern und Lebenskünstlern das Jetzt.

Um seiner früheren Geliebten wieder nah zu sein, hat sich Rechtsreferendar Raimund Pretzel ein paar Tage von seinem tristen Berliner Alltag losgeeist und sich auf den Weg nach Paris gemacht, genießt das Glück des Augenblicks und freut sich über jeden Kuss, den er von seiner Angebeteten erbetteln kann. Die Zeit fliegt nur so dahin. So viel gäbe es noch zu erleben in dieser Stadt der Liebe und der Kunst! Doch der Zug, der Raimund zurück nach … Weiterlesen

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Erfolgreiche Spenden-Aktion: Münter-Gemälde kann für Dortmund angekauft werden

Um dieses Bild geht es in Dortmund: Gabriele Münter „Abend vom Fenster (Blick auf Rue Lamblardie, Paris“), 1930 (© VG Bild-Kunst, Bonn 2025)

Weiterer Nachtrag als neuer Vorspann, weil es einen entscheidend anderen, durchaus erfreulichen Sachverhalt gibt: Gabriele Münters Gemälde „Abend vom Fenster (Blick auf Rue Lamblardie, Paris) von 1930 kann fürs Museum Ostwall im Dortmunder U angekauft werden. Das entsprechende Crowdfunding-Projekt hatte – nach zögerlichem Beginn – doch noch Erfolg. Es wurden sogar etwas mehr Mittel als die benötigten 75000 Euro eingeworben, nämlich 77620 Euro = 103% (Stand vom 2. Juni, 14 Uhr).

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Blick zurück ohne Zorn: Anfangs hatte es nicht so rosig ausgesehen. Am 29. März hieß es (eher missmutig) bei den Revierpassagen:

Bleiben wir zunächst einmal … Weiterlesen

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Hol dir, gönn dir!

 

Genau! Alles, und zwar jetzt. Sofort! (Foto: Bernd Berke)

Wie war das noch, vor soundsovielen Jahren, als im 68er-Umfeld der „Konsumterror“ lauthals angeprangert wurde?

Damals lösten gerade erst einige Supermärkte die bis dahin gängigen „Tante-Emma-Läden“ ab. Welche eine vergleichsweise beschauliche Verbraucherwelt das noch gewesen ist! Was hätte man bloß gesagt, hätte man kommen sehen, was wir heute haben – mit allseits in letzte Winkel und Ritzen dringendem Internet-Wahnwitz und obenauf gesetzter „Künstlicher Intelligenz“, die sich in alles hineinfrisst und sich alles einverleibt. Nun, da man gar nicht mehr weiß, wo einem der Kopf steht und wo es noch Restbestände von vermeintlicher Wirklichkeit gibt.

Allüberall wird man verbal, bildlich und medial verfolgt, gnadenlos, ohne Unterlass: „Hol dir“, „Gönn dir“, „Sichere … Weiterlesen

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Zum Schunkeln und Mitsingen: „Carmen“ als Comic in Berlin

Szene aus „Carmen“ am Berliner Maxim Gorki Theater – mit (v. li.): Catherine Stoyan, Till Wonka, Lindy Larsson, Via Jikeli, Marc Benner. (© Foto: Ute Langkafel / MAIFOTO)

In einem pinkfarbenen, mit Rüschen verzierten und lässig über den Boden schleifenden Flamenco-Kleid bringt Carmen stolzen Schrittes und flammenden Blickes die zur Wachablösung versammelten Soldaten um den Verstand und die militärisch ohnehin ziemlich schlappe Parade völlig aus dem Tritt.

Die in zitronengelben Uniformen und mit kalkweißen Gesichtern wie computergesteuerte Wesen der Künstlichen Intelligenz fremdgesteuert herum zappelnden Soldaten haben nur noch Augen für die hünenhafte Drag-Queen, die da gerade im feinsten Fummel zur Mittagspause aus der Zigarettenfabrik schlendert und es auf José, den kleinen Kerl, abgesehen hat, der sich sichtlich unwohl fühlt in … Weiterlesen

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