Archiv der Kategorie: Buchmarkt & Lesen

Die Magie des Doppellebens – Jo Lendles Roman „Was wir Liebe nennen“

Was wir Liebe nennen von Jo LendleLambert kommt aus Osnabrück und ist ein Zauberkünstler. Die Kunst der Magie hat ihn schon als Kind fasziniert und er ist dabei geblieben, schon weil er nie dazu gekommen ist, etwas Anderes zu lernen. Er meint zu wissen, was er Liebe nennt, aber er gehört auch zu denen, die „immer genau wissen, was ihnen fehlt“. Aufbruch und Mut zur Veränderung sind seine Dinge nicht.

Erstmals begibt es sich, dass das alljährliche Magier-Treffen auf einem anderen Kontinent stattfindet und so besteigt der bekennende Provinzler ebenfalls erstmals ein Flugzeug. Bisher hat das Schicksal ihn immer wohlwollend behandelt, viel ist ihm in seinem Leben nicht geschehen. „Wäre er eine Adventskerze, er wäre die Vierte„. Der Flug, ein neuer Kontinent ist ihm schon Aufregung … Weiterlesen

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Der Mann mit den wuchtigen Meinungen – Zum Tode von Marcel Reich-Ranicki

Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki (Foto: Dirk Vogel / http://www.vogelgrafie.blogspot.de)

Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki (Foto: Dirk Vogel / http://www.vogelgrafie.blogspot.de)

Prägnante Szene bei einer schon länger zurückliegenden Frankfurter Buchmesse: Am Stand der Deutschen Verlagsanstalt (DVA) wird Marcel Reich-Ranicki von Bewunderern umlagert wie ein Popstar. Einer ruft ihm die (wahrhaft müßige) Frage zu, wer denn wohl der größte russische Autor aller Zeiten sei. Von ihm hat man eben literarische Urteile wie von einer höchstrichterlichen Instanz erwartet.

Jetzt wird diese Instanz für immer fehlen. Marcel Reich-Ranicki, der mit Abstand prominenteste Literaturkritiker deutscher Zunge, der sogar vielen Banausen ein flüchtiger Begriff war, ist heute im Alter von 93 Jahren gestorben.

Der „Großkritiker“ ließ sich damals in Frankfurt – wie üblich – nicht lange bitten, mochte sich freilich in jenem Falle nicht so recht festlegen: … Weiterlesen

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Einen Autor mehr und mehr für sich entdecken: Bücher von Walter Kappacher

Nicht nur in (und am) Mattsee g e l e s e n habe ich unlängst die zwei neuesten Bücher des Büchnerpreisträgers von 2009, des seit Jahren in dem Mattsee benachbarten Ort Obertrum lebenden Walter Kappacher, sondern sehr wahrscheinlich habe ich ihn als Person dort sogar selber mehrmals g e s e h e n .

Mindestens viermal kam in der besonders heißen ersten Augustwoche ein seinem Bilde, dem möglicherweise heute nicht mehr ganz aktuellen Buchklappenseitenbilde, sehr ähnlicher Mann ins „See- und Strandbad Mattsee“. Jeweils vom frühen Morgen bis zum späten Vormittag blieb er da und setzte sich buchlesend an eine noch ruhige Stelle in den Schatten, auch – wie vereinbarungsgemäß – nicht gestört von seiner Frau, die ihn gelegentlich … Weiterlesen

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Viel Porto fürs Schneckentempo: Wie die Deutsche Post Bücher befördert

Immer nur auf der Deutschen Bahn herumzuhacken, das ist doch öde. Zwischendurch muss man auch mal auf die Telekom oder auf die Deutsche Post einsticheln. Wohlan denn!

Da habe ich doch vorhin eine Büchersendung zum Postamt gebracht. Aufregend, nicht wahr? Was ich freilich bisher nicht gewusst habe: Wenn man auf die Büchersendung auch „Büchersendung“ draufschreibt (Voraussetzung: Sie muss dann mit einem schnellen Griff zu öffnen sein – Gibt’s da etwa Stichproben auf den Inhalt?) und redlich sein ermäßigtes Porto bezahlt, verwirkt man damit die Aussicht auf normale Beförderung.

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Vollends abstrus wird der Vorgang, weil – wie man mir am Schalter erläuterte – der Postbote am Zielort die Sachen herausfischt, die mit ermäßigtem Porto versehen sind, um sie für den nächsten … Weiterlesen

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Der Avatar und die Toilette – Volker Königs Erzählung „Varn“

Was für eine Welt schaffen sich Menschen, denen die Möglichkeit gegeben ist, ein Leben nach ihren Wünschen und Vorstellungen einzurichten? Das Ergebnis – wie wir aus Volker Königs Erzählung „Varn“ erfahren – ähnelt nur allzu sehr unserer vertrauten Alltagswelt, es sieht nur ein bisschen perfekter aus. „Hatte ich nicht gehofft, eine Welt vorzufinden, die sich von der vor meinem Fenster in allem unterschied?“, fragt sich der Erzähler, der mit Hilfe seines Avatars namens Varn die Welt des „Second Life“ erkundet.

Bei seinen Gängen und Flügen durch die virtuelle Welt verfolgt Varn eine profane, zugleich verständliche Absicht: Er möchte die gut besuchte Internet-Plattform nutzen, um möglichst viele Bücher zu verkaufen, die sein Schöpfer in der ersten, nicht-virtuellen Welt geschrieben hat. Ob … Weiterlesen

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„Es wäre schön, kein Schriftsteller zu sein“ – Gerhard Amanshausers Tagebücher

Was bleibt mir von einem solchen, 400 Seiten starken Buch im Gedächtnis, das ich vor etwa 5 Monaten aufmerksam, mit großem Interesse und – entgegen dem sicher wohlmeinenden Rat des Vorwortschreibers Daniel Kehlmann – kontinuierlich von Anfang bis zum Ende gelesen habe? Vor allem das Gefühl, dass sich diese Lektüre Seite für Seite gelohnt hat.

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Das Ende 2012 im Residenz Verlag posthum herausgegebene Buch der diarischen Aufzeichnungen des inzwischen schon 7 Jahre toten, aber noch immer als „Geheimtipp“ gehandelten österreichischen Schriftstellers Gerhard Amanshauser bietet neben bestechender Wahrnehmungstreue die facettenreiche Innenansicht eines intellektuell redlichen Autors, bei dessen Ausführungen man nie das Gefühl hat, der Autor habe bei diesen Tagebuchaufzeichnungen in erster Linie auf ihre spätere Veröffentlichung hin geschielt.

Sind seine Werke … Weiterlesen

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Der Kinder- und Drehbuchautor Justus Pfaue wurde 70 – ein arg verspäteter Glückwunsch

Ich bin ja hier so einer, der sich gern mal bei Todestagen wirklich wichtiger Menschen in dieser Republik zu Wort meldet, der aber noch viel lieber aufzeigt, wenn solche Menschen Jahrestage haben, Geburtstage zum Beispiel. Da ist mir im vergangenen Jahr doch einer durchgegangen. 2012 wurde Justus Pfaue 70 Jahre alt.

Wie? Etwa vergessen? Das ist der kluge Mensch, aus dessen Feder so vieles stammt: „Timm Thaler“, „Patrik Pacard – Entscheidung im Fjord“, „Oliver Maass – Das Spiel mit der Zaubergeige“, „Bas-Boris Bode – Der Junge, den es zweimal gibt“, „Teufels Großmutter oder der Himmel auf Erden“, „Anna“ und noch vieles andere. Justus Pfaue hat viele Kinderbücher, sehr viele Drehbücher und aus diesem Fachbereich seiner rastlosen Arbeit das eine oder … Weiterlesen

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Ein Kaufhaus erfüllt nicht alle Wünsche – der neue Roman von Judith Kuckart

Silvester im Bungalow. Jazz-Produzent Karatsch lädt ein. Seine Frau Vera hat Geburtstag. Wie in jedem Jahr werden Mettbrötchen geschmiert und der Videorecorder wird programmiert. Wie in jedem Jahr werden sich die immer gleichen Gäste einfinden, um den immer gleichen Film anzuschauen.

Einen Film, in dem Hausherrin Vera als junges Mädchen gemeinsam mit Jugendfreund Friedrich die Hauptrolle spielte. Auch Friedrich wird wieder unter den Gästen sein. Friedrich, der den schönen Nachnamen Wünsche trägt, hat gemeinsam mit seiner exzentrischen Schwester Meret das gleichnamige Kaufhaus geerbt. Er will im neuen Jahr alles daransetzen, dass das Kaufhaus Wünsche seinem Namen wieder gerecht wird. Vera indes hat andere Wünsche. Wünsche, die sie sich nicht einfach in der Damenabteilung des Kaufhauses erfüllen kann. Es ist ihr … Weiterlesen

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Kennedys frühe Deutschland-Reisen: Seine Berlin-Rede hatte eine lange Vorgeschichte

Der Besuch von US-Präsident Barack Obama ruft nicht nur Erinnerungen an den legendären Auftritt von John F. Kennedy wach, dessen Aufenthalt in Berlin sich in diesen Tagen zum 50. Mal jährt. Er bietet auch einmal mehr Anlass, die Rede des damaligen Hoffnungsträgers historisch einzuordnen und zu analysieren.

Dass die vier Worte „Ich bin ein Berliner“, mit denen Kennedy Geschichte schrieb, mehr waren als nur ein momentaner oder spontaner Ausdruck von Solidarität mit den Menschen in der geteilten Stadt, versucht Oliver Lubrich in seinem neuen Buch dem Leser nahezulegen. Es handelte sich, so betont der Professor für Neue deutsche Literaturwissenschaft und Komparatistik an der Uni Bern, wahrlich nicht um den ersten Besuch von JFK in Deutschland, sondern Kennedy hatte während seiner … Weiterlesen

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Wer blättert denn noch im Brockhaus?

Wie gern sehen sich manche gedruckt! Es ist ihnen ein Antrieb des Schreibens, vielleicht sogar ein hauptsächlicher.

Auch mit dem Internet hat sich diese Form des Bleibenwollen nicht erledigt, sie hat sich allerdings gewandelt, ins Flüchtige gewendet. Wenngleich man uns sagt, dass im Netz nichts verloren gehe, so beschleicht einen hin und wieder das Gefühl, mit einem Wusch könne alles hinschwinden für immer. Doch auch im Virtuellen hinterlässt man gern seine mehr oder weniger kümmerlichen Spuren, wenn es auch nicht mehr den geringsten Anschein von Ewigkeit hat.

Neuere Techniken haben eine totalitäre Tendenz; dergestalt, dass sie alles Vorherige verdecken. Um mit einem Filmtitel von Alexander Kluge zu reden, so ist es „Der Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit“. Man … Weiterlesen

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Ödnis im Zeichen der Löschblattwiege: Walter E. Richartz’ „Büroroman“ – wiedergelesen

„Zu jedem Schreibtisch gehört die Schreibgarnitur aus Bakelit. Sie besteht aus Schale, Notizzettelkästchen und Löschblattwiege.“

Das klingt ja allerliebst nostalgisch. Tatsächlich entstammt die knappe Schilderung dem „Büroroman“ von Walter E. Richartz (1927-1980), der 1976 herauskam und heute noch als Taschenbuch greifbar ist.

Welch ein zeitlicher Abstand! Damals wurden gerade die ersten Versuche mit EDV (Elektonische Datenverarbeitung) unternommen. Sie scheinen zunächst nur nebulös am Horizont dieses Romans auf. Doch gegen Schluss kosten sie die ersten Arbeitsplätze. Von Fax, Handys oder gar Internet ganz zu schweigen. Gerade deshalb ist es interessant, dieses Buch wieder einmal hervorzuholen. Welche Signaturen sind seither für immer verschwunden und was zählt womöglich zum Langzeitbestand des bundesdeutschen Bürolebens?

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Wir lernen vor allem Herrn Kuhlwein, Frau Klatt und Fräulein … Weiterlesen

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Still und stoisch durch den Krieg gehen: „Neue Zeit“ von Hermann Lenz – wiedergelesen

Wie ist das im Zweiten Weltkrieg gewesen, Tag für Tag, bis zum bitteren Ende? Es gibt wahrlich zahllose Bücher über „Ereignisse“ jener Jahre, hin und wieder auch übers Alltägliche. Doch Hermann Lenz’ Roman „Neue Zeit“ ist und bleibt etwas Besonderes. Erstmals 1975 erschienen, ist das Werk jetzt in einer neuen Ausgabe greifbar. Man kann es wieder und wieder lesen. Als Zeugnis des Nebenher, des Unscheinbaren, das wohl auch damals die meisten Geschehnisse grundiert hat. Als Dokument einer großen Hilflosigkeit angesichts der Zeitläufte. Als Studie darüber, wie man mitten im allergrößten Dreck ein Mindestmaß an Anstand wahren kann. Und dergleichen mehr.

Weder Helden noch Antihelden

Fernab von jeder Versuchung zum Spektakulären oder Heroischen, aber auch nicht mit vollmundiger Antikriegs-Rhetorik, ja überhaupt … Weiterlesen

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Ein Künstler- und Lebensroman: Ralph Dutlis Debüt „Soutines letzte Fahrt“

Was haben Ralph Dutli und Theodor Fontane miteinander gemeinsam? Sie haben beide mit 58 / 59 Jahren ihren ersten Roman veröffentlicht.

Bei Fontane wissen wir, dass auf seinen umfangreichen Erstling „Vor dem Sturm“ noch viele gute, meist kürzere Romane gefolgt sind, bis hin zu seinem späten, wieder etwas umfangreicheren Meisterwerk „Der Stechlin“; bei Dutli wissen wir vorerst nur, dass ihm sein Erstling wirklich gut gelungen ist und dass wir vielleicht noch auf weitere Roman-Überraschungen von ihm gefasst sein dürfen.

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Ralph Dutlis 272 Seiten umfassender Roman „Soutines letzte Fahrt“ scheint sich vom Thema her vorrangig in die gerade auch aus der deutschen Literaturgeschichte her bekannte Gattung „Künstlerroman“ einzureihen.

Denkt man kurz nach, fallen einem auch durchaus einige deutschsprachige Künstlerromane ein, in … Weiterlesen

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Querdenker in einem komischen Land – Harald Marteinsteins gesammelte Kolumnen

Martenstein.CoverWas bitte ist am „Bauhaus“ schön und warum wohnten die Architekten nicht selbst darin? Worin besteht der Unterschied zwischen Berliner, Hamburger und Münchner Star-Friseuren?

Und weiter: Ist der „Kleine Prinz“ nicht doch nur der kleinste gemeinsame Nenner für Diktatoren und Kirchen-Austrittswillige und kann man romantische Nächte wirklich nur noch im Zoo verbringen? Gemeinsam ist diesen Fragen die Antwort: Deutschland ist ein komisches Land. Zwischen Gerstengrund und Osnabrück wohnt nicht nur das Glück, sondern auch die Real-Satire.

Harald Martenstein, bekannter Journalist, Autor und Kolumnist, nimmt sich unbeirrt dieser Fragen an. 34 Betrachtungen und Geschichten aus den Jahren 1999-2012 hat er ausgewählt, überarbeitet und zu einer erstaunlich zeitlos aktuellen Betrachtung unseres Landes zusammengefasst. Alle Artikel aus seiner Sammlung „Romantische Nächte im Zoo“ … Weiterlesen

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Rauchzeichen, später: Andreas Rossmann erkundet das Ruhrgebiet

Andreas Rossmann, Foto: Anna Wolfinger

Andreas Rossmann, Foto: Anna Wolfinger

Sein Revier beginnt hinter der Ruhrtalbrücke, von auswärts mit dem Auto kommend. Hier fährt der NRW-Feuilletonkorrespondent in einen wichtigen Sektor seines Berichtsgebiets ein. Kunst und Kultur dieser Region sind Gegenstand seiner Reportagen und Rezensionen, die er seit über 20 Jahren für die FAZ verfasst. Nun hat Andreas Rossmann eine Auswahl davon unter dem Titel „Der Rauch verbindet die Städte nicht mehr“ als Buch im Verlag der Buchhandlung Walther König herausgebracht.

Der „Reiseführer fürs Handschuhfach“ ist illustriert mit Schwarzweiß-Fotografien aus dem Archiv von Barbara Klemm, entstanden zwischen 1974 und 1999, die dem Paperback einen eigenwilligen Retro-Charme verleihen. Gegliedert ist der Band nach Städten von B wie Bochum bis W wie Waltrop. Selbst versierte Ruhrgebietsbewohner können beim … Weiterlesen

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Verspielte Chancen, kein Mitleid: Der Roman „Rechnung offen“ von Inger Maria Mahlke

RechnungoffenBerlin, Neukölln. Ein gewachsener Stadtteil, der teils noch als schwierig gilt, sich aber bereits anschickt, das nächste Szeneviertel für junge, erfolgreiche Menschen mit „urbanem Lifestyle“ und „hippen Kinderwagen“ zu werden.  

Ein Mietshaus in Neukölln. Ein Haus mit schönen, aber leicht heruntergekommenen Wohnungen. Begehrtes Sanierungsobjekt in einer Stadt, die offiziell arm und sexy ist, inoffiziell aber längst nicht mehr genug Platz und Raum für ihre Bewohner bietet. Die Mieter dort sind die Protagonisten in „Rechnung offen“, dem neuen Roman der Autorin Inger Maria Mahlke. Oder treffender ausgedrückt: Sie sind ihre Forschungsobjekte, denn wie unter dem Mikroskop beobachtet und seziert Mahlke die verschiedensten Lebensentwürfe. Jeder in sich gescheitert, jede Existenz bedroht. Wahlweise von der Krise, der Entmietung, der Globalisierung, zum allermeisten aber … Weiterlesen

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Schönes Gefühl: Sämtliche Gedichte unseres Herrn von Goethe in zeitlicher Abfolge

Manchmal überkommt es mich, dann will mein Bildungsbürgerdasein ans Licht, und so habe ich mir in der Buchhandlung meines Vertrauens das Insel-Taschenbuch mit sämtlichen Gedichten des Herrn Goethe „in zeitlicher Folge“ zugelegt. Das ist natürlich ein interessantes Sammelsurium von wechselnder Qualität, aber immer Goethe.

Goethe

Was ist es doch für  ein schönes Gefühl, einen Dünndruckband mit dem feinen Papier in den Händen zu halten, vorsichtig zu blättern und bei bekannten und unbekannten Textstellen hängen zu bleiben, gar nicht zu vergleichen mit dem Wisch-Computer in der Hand. Neulich habe ich im Fernsehen gesehen, wie ein Kita-Bursche versuchte, mit der typischen Smartphone-Bewegung im gedruckten Bilderbuch die Zeichnung von Rotkäppchen zu vergrößern.

Also Goethe. In zeitlicher Folge heißt natürlich, dass nicht nur Meisterwerke, sondern … Weiterlesen

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„Zügig ins Jenseits“: Kurzkrimis rund ums Bahnfahren

Zügig.CoverDer Dortmunder hat es bekanntermaßen gerne spannend – nicht nur beim Fußball. Der Spannung verschrieben hat sich folgerichtig der in der Stadt des Champions-League-Halbfinalisten ansässige Grafit Verlag, der jetzt mal wieder eine neue Sammlung von Krimi-Kurzgeschichten herausgegeben hat.

„Zügig ins Jenseits“ nimmt sich all jener an, die während des Schienenverkehrs auf die schiefe Bahn geraten sind. Ort der Geschehnisse ist im vorliegenden Band die Deutsche Bahn. Klar, denn das Unternehmen Zukunft Deutsche Bahn ist ja mehr als fahren. Und vom Wetter reden sie auch nicht. Manch einem mögen beim Anblick der bekannten Werbeslogans gelegentlich die Gesichtszüge entgleisen und mörderische Gedanken kommen.

Immer gut für einen Erregungstumult

Der Ärger über verspätete Züge, ausgefallene Klimaanlagen oder besonders uncharmante Zugbegleiter wächst sich hierzulande … Weiterlesen

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Abenteuer des Adrian Tuppek im Ruhrgebiet – ein Glücksfund aus der E-Book-Szene

Glücksfall CoverKalt ist es in Dorsten, doch nicht nur deswegen schüttelt es den erfolglosen, aber ambitionierten Schriftsteller Adrian Tuppek.

Special Agent Jankowiak vom Finanzamt Marl sitzt ihm im Nacken und überhaupt – der Nebenjob als Testdieb hilft auch nur sehr bedingt über die Runden. Da liest er eine Bemerkung eines Erfolgsautors über die kurze Ent­stehungszeit seines Krimis und denkt bei sich, das kann er auch. Krimis gehen schließlich immer, das löst seine Finanzprobleme und wenn er sich selber unter Druck setzt, einen Krimi in sechs Tagen zu schreiben (unter Druck ist er immer am besten), dann schafft er das auch.

Eine Idee, ach was, zwei oder drei hat er bereits und probiert sie alle aus. Da braucht man ja nur in … Weiterlesen

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Aus legendären Zeiten beim Suhrkamp-Verlag: Briefwechsel zwischen Handke und Unseld

Welch ein Autor! Welch ein Verleger! Welch ein schwieriges Wechselspiel. Mit solchen Ausrufen, zuweilen auch Seufzern, könnte man diese umfängliche Lektüre begleiten und beschließen: Peter Handkes Briefwechsel mit dem einstigen Suhrkamp-Chef Siegfried Unseld hat zwar hin und wieder überraschend kleinliche, oft aber auch erhebende oder sogar monumentale Momente. Hier begegnen sich zwei Menschen, die einander bestärkt und die je auf ihre Weise Literaturgeschichte geschrieben haben.

Wer Handke nur für einen Bewohner des Elfenbeinturms hält, wird sich vielleicht wundern, wie penibel und argwöhnisch er – wenn es um seine Werke geht – Auflagenhöhen, Werbeaufwand und vor allem Honorare überwacht. Ohne Vorschüsse und Darlehen wäre es ja zu Beginn auch schwerlich gegangen. Doch hernach hat er den Ruhm des Verlages wahrlich gemehrt. … Weiterlesen

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Eine stolze Partei feiert ihren 150. Geburtstag – ein Geschichtsbuch gehört dazu

In diesem Jahr feiert die deutsche Sozialdemokratie ihren 150. Geburtstag. Stolz erklären ihre Anführer, die älteste demokratische Partei Europas zu sein, und die SPD sei nie – wie andere – gezwungen gewesen, ihren Namen ändern zu müssen. Am Gründungstag, dem 23. Mai, wird es in Leipzig einen pompösen Festakt geben. Möglicherweise beehrt ja sogar die Bundeskanzlerin ihre politischen Gegner mit ihrer Anwesenheit.

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Passend zu diesem Jubiläum ist im parteieigenen Vorwärts-Buchverlag ein neues Buch über die Geschichte der SPD erschienen: Peter Brandt, Sohn des ehemaligen Parteivorsitzenden und Bundeskanzlers Willy Brandt und Professor für Geschichte an der Fernuniversität Hagen, hat es zusammen mit Detlef Lehnert, Professor für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin, verfasst. „Mehr Demokratie wagen – Geschichte der Sozialdemokratie 1830-2010“ … Weiterlesen

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Formgerechtes Beamtenleben: Joris-Karl Huysmans‘ Erzählung „Monsieur Bougran in Pension“ endlich auf Deutsch

Wie lässt sich Dekadenz mit Fortschritt vereinbaren? Den Autoren rund um die von Anatole Baju herausgegebene Zeitschrift „Le Décadent“ (1886–1889) gelang es erstaunlich gut, mit Verfall und Auflösung zu liebäugeln und sich zugleich als Speerspitze einer der Avantgarden zu verstehen, die unter den Begriffen Ästhetizismus, Symbolismus, Fin de siècle oder eben Dekadenzdichtung auftraten. Gerade in Zeiten der Krise gewinnen solche Haltungen an Charme.

Ein Shooting Star der Bewegung war Joris-Karl Huysmans, der 1884 mit seinem Roman „À rebours“ (deutsch: „Gegen den Strich“) gleichsam ein Handbrevier der Dekadenz veröffentlichte. Kapitel für Kapitel werden darin Themen behandelt, die den kultivierten Décadent beschäftigen: Kunstbetrachtung (besonders die Gemälde Gustave Moreaus); eine literarische Ahnentafel, die vom spätrömischen Satiriker Titus Petronius über mittelalterliche Mystik, Schopenhauer, Poe, … Weiterlesen

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Albus und Debus lassen nicht locker: Das Ruhrgebiet muss endlich Hauptstadt werden !

Ein einflussreiches US-Magazin schmäht Berlin – und schon wird dort im vorauseilenden Gehorsam fieberhaft überlegt, ob man nicht eine neue Hauptstadt braucht. Zur Auswahl stehen München, Hamburg, Köln – und das Ruhrgebiet. Hossa!

Auf geht’s. Kanzlerin Merkel beauftragt den Berliner Sozialwissenschaftler John Fettersen mit der heiklen Angelegenheit. Dessen Gewährsfrau fürs Revier ist die zungenfertige (vulgo: geschwätzige) Mia Mittelkötter, mit je einem Bein im Sauerland und in Dortmund daheim. Fettersen muss die Dame brieflich intensiv nach etwaigen Vorzügen des Ruhrgebiets befragen.

Daraus entspinnt sich – wenn auch anders als jüngst bei Martin Walser („Das dreizehnte Kapitel“) – das Hin und Her eines Briefromans. Der heißt wortspielneckisch „In der Ruhr liegt die Kraft“ und ist eine gemeinsame Schöpfung der Kabarettistin Lioba Albus … Weiterlesen

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2011 im Rückspiegel: Schöner scheitern mit Patricia Görgs „Handbuch der Erfolglosen“

Cover Download Berlin Verlag War 2011 der Anfang vom Ende? Oder doch bloß der übliche Schlamassel? Diese Frage stellt der Berlin Verlag auf seiner Internetseite zum Handbuch der Erfolglosen. Eine provokante Frage, welche man angesichts der überbordenden Fülle der Ereignisse des Vorjahres berechtigt stellen kann. Die aufgespannten Rettungsschirme, der Tod von Osama bin Laden, der „Arabische Frühling“, der Lügenbaron, der Ausstieg aus der Atomkraft – dies nur wenige der Ereignisse, welche die Welt 2011 in Atem hielten.

Die Schriftstellerin Patricia Görg kam der Bitte nach, 2011 ein Tagebuch zu führen und nannte es „Handbuch der Erfolglosen“. Chronologisch greift sie darin zu jeder Kalenderwoche ein mediales Ereignis auf, beschreibt und verdichtet es. Die meisten Geschehnisse lässt sie unkommentiert auf den Leser wirken, nur wenige sind … Weiterlesen

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Mark Boogs „Mein letzter Mord“: Ein Polizist zieht Lebensbilanz

Cover Download, zur Verfügung gestellt von Dumont Buchverlag, Köln Es ist sein letzter Mord, die letzte Ermittlung, die ein alter niederländischer Polizist vor seiner Pensionierung noch durchführt. Einen ganz alten Fall hat man aus den Akten gekramt. Einen alten, ungelösten Fall, den der alte Polizist noch einmal neu aufrollen soll. Vielleicht ein letzter Versuch, diesen Fall noch zu klären, wahrscheinlicher aber der Versuch, den Polizisten auf seine letzten Tage vor dem Altenteil zu beschäftigen.

Der alte Polizist wählt einen ungewöhnlichen Weg, um den Fall zu lösen. Er versetzt sich in den Mörder hinein, geht dessen Wege gedanklich und real nach, besorgt sich eine Waffe, schläft mit dessen Witwe und schreibt darüber einen außergewöhnlich langen Ermittlungsbericht an seinen Vorgesetzten. Der Bericht ist nicht nur ein Bericht über die Ermittlungen, sondern … Weiterlesen

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Recherchen in der Biosuppen-Firma – Krimi „Neben der Spur“ von Ella Theiss

Download Cover des Grafit Verlags, Dortmund  Die Fabrikantenfamilie Hepp bereitet sich auf die Feier eines ganz besonderen Geburtstages vor. Der Seniorchef wird sagenhafte hundert Jahre alt. Karo Rosenkranz, freiberufliche Journalistin, hat in der Redaktion die Niete gezogen und soll über den Geburtstagsempfang berichten. Widerwillig macht sie sich auf den Weg zur Firma, doch plötzlich wird es spannend.

In der Produktionshalle explodieren ganz unfeierlich zwei Sprengsätze. Zu Schaden kommt niemand, die herumfliegenden Kadaver gehören tiefgekühlten Hähnchen. Karo wittert Morgenluft und eine spannende Story. Umso mehr, als Biosuppenhersteller Hepp eigentlich streng vegetarisch produziert. Was also hatten dann die tiefgekühlten Flattermänner dort zu suchen? Und von welchem Krieg brabbelt der Hundertjährige dauernd? Die Zeit des dritten Reiches hat er doch angeblich gut abgeschirmt in einem Sanatorium verbracht. Und wo … Weiterlesen

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Benjamin Leberts Roman „Im Winter dein Herz“ – Deutschland im Kälteschlaf

Cover-Download von Hoffmann und Campe  Robert, ein junger Mann, der in seinem Leben schon manches schlucken musste und nun keinen Bissen mehr herunterbekommt, begibt sich für eine Zeit der Komtemplation in das Haus Waldesruh, eine Klinik für psychosomatische Erkrankungen. In die Zeit seines Aufenthaltes fällt der jährliche Winterschlaf, den die Menschen seit einigen Jahren den Tieren gleich halten. Eine jährlich wiederkehrende Zeit, in der „nichts, rein gar nichts zu tun war. Keine Grenzen zu passieren, keine Himmel abzusuchen“.

Früher empfand Robert diese Zeit als schön und wohltuend, doch in diesem Jahr ist alles anders. Es gibt Dinge, die zu tun, zu klären sind und die sich nicht aufschieben lassen. So verweigert er den Schlaf des Winters und begibt sich auf eine Reise quer durch ein … Weiterlesen

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„Kindheiten“ oder: Die untröstliche Heiterkeit des Jean-Jacques Sempé

Nein, eine schöne Kindheit hat er nicht gehabt: Vor den allzeit lautstarken Streits der Eltern flüchtete er, wenn er konnte, zum Radio und wob sich eine Phantasiewelt aus dem Gehörten. Wurden Mutter und Stiefvater zwischendurch auf ihn aufmerksam, dann hagelte es meistens Ohrfeigen. Mindestens.

Wir reden von Sempé. Jean-Jacques Sempé. Wer seine wunderbaren Zeichnungen kennt, weiß, dass wohl kaum jemand sich den Duft und Hauch der trotz allem unbeschwerten, stets zu Streichen aufgelegten Kindheitstage so bewahrt hat und wachzurufen weiß wie dieser aus Bordeaux stammende Mann, der morgen (17. August) 80 Jahre alt wird und immer noch als besessen arbeitsam gilt. Er selbst findet es verstörend, dass und wie er dermaßen der Kindheit verhaftet geblieben ist. Nebenbei bemerkt, war damals … Weiterlesen

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Michel Houellebecq: „Karte und Gebiet“ – Schauplatzbesichtigungen

Wird sich Michel Houellebecq auf seine alten Tage zu einem Autor von Frankreich-Reiseführern entwickeln? Unwahrscheinlich. Dennoch laden die detaillierten Ortsangaben in seinem zuletzt erschienenen Roman Karte und Gebiet zu Schauplatzbesichtigungen ein. Und mit dem Fotografen, Maler und zuletzt auch Videokünstler Jed Martin hat Houellebecq einen Protagonisten gewählt, der französische Städte, Dörfer und Landschaften mit distanzierter Neugier beobachtet – „dieses Land, das unbestreitbar das seine war.“

Jed Martin wohnt in einem Dachgeschoss-Atelier im 13. Arrondissement. Durch die Fenster sieht er hinter der Place des Alpes die „in den Siebzigern erbauten viereckigen Festungen, die in totalem Gegensatz zur Ästhetik der restlichen Pariser Landschaft standen und die Jed vom architektonischen Standpunkt aus allen anderen Gebäuden in Paris vorzog.“

Obwohl sozusagen intra muros gelegen, … Weiterlesen

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Gerhard Roth und die Gugginger Künstler: Tolle Bilder, empathisch einfühlsame Texte

Rechtzeitig vor dem Geburtstag Gerhard Roths, des bedeutenden österreichischen Schriftstellers, der am 24. Juni 70 Jahre alt wurde, erschien im Mai im Residenz Verlag ein opulenter Text– , Bild– und Foto–Band: Gerhard Roths „Im Irrgarten der Bilder / Die Gugginger Künstler“.

So wichtig Gerhard Roths Texte für diesen Bildband auch sind, sie legen allesamt Wert darauf, die individuelle Besonderheit der Gugginger Künstler vordringlich und in uns Leser…n nachhallend zur Geltung kommen zu lassen. Was in meinem Falle zweifellos gelungen ist.

Also: Legen Sie alle Vorurteile und Vorbehalte, die Sie trotz Hans Prinzhorns Buch von 1922 und trotz Leo Navratils Veröffentlichungen vielleicht immer noch gegen die „Bildnerei“ und Gestaltungskraft von Schizophrenen und „Geisteskranken“ haben, wenigstens versuchsweise ab und lassen Sie sich … Weiterlesen

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Höchstgebot für die Geheimnisse der Scheherazade

Welche Geheimnisse birgt Scheherazade und warum geraten ihretwegen so viele Menschen in Gefahr? Im neuen Krimi des deutsch/niederländischen Autoren-Duos Thomas Hoeps und Jac. Toes handelt es sich bei Scheherazade nicht um die geheimnisumwitterte Geschichtenerzählerin aus 1001 Nacht, sondern um ein bis dato der Öffentlichkeit unbekanntes Gemälde von Rene Magritte.

Dieses Bild befand sich jahrzehntelang im Familienbesitz der Aachener Industriellenfamilie Roeder, die das Bild nun aus unbekannten Gründen zur Versteigerung gibt. Die Scheherazade wird auf einer Kölner Auktion von einem unbekannten Bieter zu einem legendären Höchstgebot ersteigert. Kunstrestaurator Robert Patati hat das Bild auf Bitten seines Freundes Carsten Roeder für die Auktion aufbereitet und begleitet auch den Transport des geheimnisvollen Bildes auf seinem Weg zum neuen Besitzer, einer ebenfalls geheimnisvollen Firma … Weiterlesen

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Nützliches und Kurioses übers Ruhrgebiet

Das Cover gibt sich internetaffin: Die Buchkapitel werden durch bunte Icons angekündigt, als müsse man nur noch klicken. Überdies heißt das Ganze „Smartbook“. Wenn das kein Appell an jüngere Kundschaft ist…

Im kleiner gedruckten Untertitel wird dann ganz konventionell verraten, worum es geht: „Ruhrgebiet für Fortgeschrittene“ versammelt auf 192 Seiten Wissenswertes und vielfach auch Kurioses übers Revier. Da finden sich nicht nur Ausführungen über spektakuläre Aussichtspunkte oder einschlägige Rekorde der Region, sondern etwa auch die Rubriken „Dummes Zeug“, „Schräges“ oder „Unnützes Wissen“.

Da mag der Eindruck aufkommen, es sei nach dem Larifari-Prinzip munter drauflos gelistet und getextet worden. Irrtum! Gerade die schrilleren Mitteilungen erhellen oft den speziellen Charakter der Gegend. Das Buch taugt zwar in erster Linie zum schnellen Blättern, … Weiterlesen

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Eine Marotte im Buchdesign

Bei Durchsicht der neuen Buchkataloge (Herbstprogramme 2012) ist mir eine Eigenart des Schriftdesigns aufgefallen. Ich weiß nicht, ob das Kind in der Fachwelt einen Namen hat. Jedenfalls haben sich etliche Umschlaggestalter stillschweigend darauf geeinigt, Titelzeilen in mehr oder weniger willkürlich abgehackter Schreibweise zu präsentieren. Die einzelnen Buchstaben werden dabei gleichsam zu Hauptdarstellern, bildliche Elemente rücken in den Hintergrund oder fehlen ganz.

Da ich das Copyright an den aktuellen Entwürfen keineswegs verletzen möchte, stelle ich hier keine Originalcover ein, sondern habe zwei denkbar gewichtige Titel der Weltliteratur handschriftlich portioniert und das Ergebnis abgelichtet. Voilà!

Schriftdesign (Hihi) und Foto: Bernd Berke

Schriftdesign (Hihi) und Foto: Bernd Berke

Natürlich sind die wirklichen Buchumschläge typographisch und auch sonst ungleich gewiefter gestaltet, es gibt gar vereinzelt veritable „Hingucker“. Das Prinzip bleibt … Weiterlesen

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Die schwebende Komik des Bernd Pfarr

Der leider so früh verstorbene Bernd Pfarr (1958-2004) war ein unvergleichlicher Cartoonist, Zeichner und Maler. Kaum auszudenken, welche Figuren und Szenen er noch hätte erschaffen können, wenn ihm mehr Jahre geblieben wären. Seine Bilder führen in ungeahnte Vorstellungsräume, sie sind nicht einfach nur hochkomisch, sondern heben mit allem Inventar gleichsam sachte ab vom Boden der Verhältnisse, öffnen unversehens Türen in eine andere Wirklichkeit. Ach, es ist verteufelt schwer, diese wunderbar schrägen, immer auch geheimnisvoll schwebenden Bilder mit Worten zu erfassen. Pfarrs zutiefst merkwürdige Figur „Sondermann“ zählt jedenfalls zu den grotesken Legenden neuerer Zeitrechnung.

Wer, wenn nicht solche erhabenen Könner wie Pfarr, der überdies auch ein höchst feinsinniger Texter gewesen ist, gehörte in eine Buchreihe mit dem Obertitel „Meister der komischen … Weiterlesen

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Eine Herzmanovsky-Verführung

Kaum dass der vor kurzem im Residenz Verlag erschienene Bild- und Textband „Forscher im Zwischenreich / Der Zeichner Fritz von Herzmanovsky-Orlando“ uns in den Blick gerät, schon nehmen wir ihn in die Hand und ahnen sofort, welch schönes, welch interessantes Buch wir da in Händen halten.

Die Bildreproduktionen sind einladend, eröffnen einen Blick in eine ganz eigene, durch mangelnde große Bekanntheit noch recht unverbrauchte Welt. Druckbild, Farbgebung, etc. alles einwandfrei, ja hervorragend.

Es mag dabei ein beträchtlicher Vorteil sein, dass FHO (= Fritz von Herzmanovsky-Orlando) zum Beispiel in Deutschland noch nicht allzu bekannt ist, aber auch in Österreich dürfte der beeindruckende Zeichner FHO weit weniger bekannt sein als der Schriftsteller. Zwar kamen auch in Deutschland FHOs sämtliche schriftstellerischen Werke erst … Weiterlesen

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Ansichten eines Hörbuch-Junkies (1): Die Eberhofer-Krimis

Wenn Ihnen einmal im Regionalexpress zwischen Hagen und Unna oder umgekehrt ein strubbeliger Eisbär gegenüber sitzt, dessen Ohren mit ordentlichen Stöpseln befüllt sind und dem Tränen die stoppeligen Wangen hinunter rinnen, dann saßen Sie in der Regionalbahn mir gegenüber.

Keine Sorge, ich betrauere dann nicht das unerwartete Dahinscheiden eines geliebten Haustieres, auch nicht den Verlust eines Menschen, der sich ausnahmsweise mal ebenso viele Gedanken um Gegenwart und Zukunft gemacht hat wie ich – nein – ich lese. Ich bin seit ein paar Monaten ein ausgewachsener Hörbuch-Junkie, kriege die Ohren nicht voll, bitte meine Umgebung ständig um neue Tipps, was ich unbedingt noch hörlesen möge.

Alles begann damit, dass ich irgendwann einmal nach unzähligen Pendelfahrten zwischen Wohn- und Arbeitsstadt die landschaftlichen … Weiterlesen

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Ich bin dann mal weg: Heiner Goebbels‘ „Ästhetik der Abwesenheit“

Prof. Heiner Goebbels © Wonge Bergmann für die Ruhrtriennale

Prof. Heiner Goebbels © Wonge Bergmann für die Ruhrtriennale

Der Intendant als sein eigener Theoretiker: Im Gegensatz zu den meisten Künstlern, die die Deutung ihrer Werke gerne mit dem Hinweis verweigern, das Geschaffene solle für sich sprechen, liefert Heiner Goebbels die Dramentheorie zu seinen Musiktheaterinszenierungen gleich mit.

Mehr noch: Die ästhetische Theorie entwickelt sich scheinbar organisch aus seinen Kompositionen und aus der Art, wie er glaubt, sie in Szene setzen zu müssen. Das ist ebenso originell wie überzeugend. Doch Heiner Goebbels ist eben nicht nur Komponist, neuer Intendant der Ruhrtriennale und Musiktheaterregisseur, sondern auch Professor für angewandte Theaterwissenschaft in Gießen. Seit 2009 ist er außerdem Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und Künste in Düsseldorf, wo er kürzlich in einem

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Europa, die Krise und der Kick

Es ist mal wieder so weit: Ein großes Fußballturnier greift ab heute (mindestens) in die Freizeit vieler Menschen ein – bis hin zum persönlichen Ausnahmezustand.

Leute, die eigentlich gar keinen Schimmer haben, schwingen sich plötzlich zu erprobten Experten auf und nerven mit ihren Kurzschluss-Ansichten. Bald wird wieder alles beflaggt sein, was sich nicht wehren kann. Auch werden wieder grausige Maskottchen (siehe Schlumpf- und Schlumpfinchen-Bild) auf den Markt geworfen. Am innigsten stöhnt es sich freilich über jene, die mit dem niederziehenden Neutralitäts-Spruch „Der Bessere möge gewinnen“ aufwarten. Diese Lauen wird ausspeien der Fußballgott.

Schlumpf und Schlumpfinchen, erhältlich bei einer großen Lebensmittelkette (Foto Bernd Berke)

Schlumpf und Schlumpfinchen, erhältlich bei einer großen Lebensmittelkette (Foto Bernd Berke)

Mag auch Europa politisch und ökonomisch ein wacklig gewordenes Projekt sein, so wird doch ab heute immerhin … Weiterlesen

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Labyrinth aus Liebe und Lügen – William Boyds Roman „Eine große Zeit“

Wien ist nicht nur die Hauptstadt des galanten Selbstmordes und der morbiden Friedhofskultur. Die österreichische Metropole ist auch der Geburtsort der Psychoanalyse. Wenn Anfang des vorigen Jahrhunderts ein an traumatischen Kindheitserlebnissen und erotischen Unpässlichkeiten leidender junger Engländer dorthin flüchtet, wo Sigmund Freud gerade über Traumdeutung, Totem und Tabu nachdenkt und die auf seiner Couch liegenden Patienten auf ihrer Reise ins verdrängte Innerste ihrer Seele begleitet, so ist das eine einleuchtende Idee.

Für William Boyd, den 60jährigen britischen Autor, der seine Leser mit einem fein ausgetüftelten psychoanalytischen Spionagethriller begeistern will, liegt die Idee jedenfalls auf der Hand. Sein Held wider Willen, der englische Jungschauspieler Lysander Rief, hält sich im Jahr 1913, also am Vorabend des Ersten Weltkrieges und des katastrophalen Zivilisationsbruchs, … Weiterlesen

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Klagelied eines Zimmermädchens: So schlimm sind die betuchten Hotelgäste

Wo gibt es hierzulande noch zackig steile Hierarchien wie vor 60 oder 90 Jahren? Wo kann eine Arbeitswoche 70 bis 100 Stunden dauern – und das für ein äußerst bescheidenes Entgelt?

Im Hotelfach. Zumindest „ganz unten“, auf der Zimmermädchen-Ebene, muss sich das Berufsleben elend anfühlen. Ein privates Dasein gibt es auf dieser Stufe ohnehin nicht mehr.

Mit etwas Einfühlungsvermögen hat man sich das vielleicht schon vorstellen können. Doch die junge Frau mit dem Decknamen „Anna K.“ gibt – mit Hilfe zweier Ghostwriter – in ihrem Buch „Total bedient“ etwas genauere Einblicke ins Gewerbe.

Ein preiswerteres Hotel - mit netteren Gästen? (Foto: Bernd Berke)

Ein preiswerteres Hotel - mit netteren Gästen? (Foto: Bernd Berke)

Nach dem Abitur hat diese Anna K. einige Praktika in Berliner Hotels und auf einem Kreuzfahrtschiff absolviert; … Weiterlesen

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