Monatsarchive: April 2012

Nostalgischer Charme: Friedrich von Flotow zum 200. Geburtstag

Ach so fromm, ach so traut – aber wer hat sie in letzter Zeit geschaut? Friedrich von Flotows „Martha“ ist wohl vor allem älteren Operngängern ein Begriff. Auch zum 200. Geburtstag ihres Schöpfers, eines Sprosses aus mecklenburgischem Uradel, bleibt die heiter-harmlos wirkende Spieloper den Bühnen fern. Und das, obwohl mit der zitierten Arie viele Tenöre Schmelz und Schwärmen demonstriert haben – vom Duisburger Rudolf Schock bis zum Modeneser Luciano Pavarotti. Aber „Martha, Martha“ ist entschwunden, und mit ihr – nein, nicht das Portemonnaie, wie eine Parodie beklagt, sondern die knapp vierzig anderen Opern, Operetten, Singspiele und Ballette, die Kammermusik- und Salonstücke des Herrn von Flotow.

Ja, Groß Flotow gibt es wirklich, in Mecklenburg, mit 184 Einwohnern und einem schlicht gehaltenen … Weiterlesen

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Als Hörde noch groß und wichtig war

Ein Reprint einer Landkarte aus dem Jahre 1791 kam mir vorgestern in die Hände. Da sieht man, welche Maßstäbe damals der Wiener Kartograph Freiherr von Reilly setzte.

Eine noch ältere Karte der Grafschaft Mark.

Der Ort Hörde ist neben Bochum und Wattenscheid als gleichwertige Stadt dargestellt, daneben gibt es noch den Weiler „Lutken Dortmund“, und Blankenstein an der Ruhr sieht genauso groß aus wie „Herdicke“ und „Westhoven“. Radevormwald hieß noch „Radt vor dem Walde“, das heute recht beschauliche Breckerfeld wird als Zentrum dargestellt, ebenso wie Limburg und „Elverfeld“. Natürlich gab es den Namen Wuppertal noch nicht.

Wien war ja weit weg, und so schlichen sich auch wohl einige Hörfehler ein: Stiepel findet sic h in der Karte als „Stieget“, Albringhausen … Weiterlesen

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Der „Alte Fritz“ in ungeahnter Vielfalt

Friedrich in Öl und mit dem Dreispitz in der Hand. Friedrich als Schlachtenlenker und als volksnaher Staatsdiener im Gespräch mit den Bauern. Friedrich in Porzellan und in stolzer Herrscherpose. Friedrich in Holz und als Tabaklade. Friedrich auf Papier und als politisches Plakat. Friedrich als reitender Bote für Berliner Bier. Friedrich als Erinnerungsplakette an den „Tag von Potsdam“, flankiert von Bismarck und Hitler. Friedrich im Heimatfilm und Friedrich als Teddybär. Friedrich als Kinderspielzeug und als Karikatur. Soviel Friedrich in so vielen Varianten und Ausformungen, Deutungen und Zurichtungen wie jetzt im Deutschen Historischen Museum war nie.

Filmzeitschrift zum Ufa-Spielfilm "Das Flötenkonzert in Sanssouci" (August Scherl GmbH/Film-Kurier GmbH, Berlin 1930). Berlin, DHM, Foto Angelika Anweiler-Sommer

Filmzeitschrift zum Ufa-Spielfilm "Das Flötenkonzert in Sanssouci" (August Scherl GmbH/Film-Kurier GmbH, Berlin 1930). Berlin, DHM, Foto Angelika Anweiler-Sommer

Und das will etwas heißen. Denn zum 300. … Weiterlesen

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Meilensteine der Popmusik (10): Pink Floyd

„Underground“ war  d e r  Nährboden für die Popmusik der „swingin´ sixties“. Etliche Interpreten und Gruppen wurden dort erst einmal Kult, bevor sie dann in den Hitparaden auftauchten. Für Plattenmillionäre gab es natürlich keinen Platz mehr im Underground. Dafür tauchten sie jetzt vermehrt im Kulturteil seriöser Wochenmagazine auf.

Pink Floyd on YouTube

Diese berichteten auch von dem Millionenaufwand und der coolen Strategie, mit der im März 1973 die dunkle Seite des Mondes beleuchtet wird. Als „Dark side of the moon“ der ehemaligen Undergroundband Pink Floyd erscheint, wird gleichzeitig auch schon der Riesenaufwand für das ganze Projekt bilanziert. Allein das bestechende und doch schlichte Cover ist von der Gruppe aus acht verschiedenen Vorschlägen ausgesucht worden. Ein lichtbrechendes Prisma gewann, und es

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Schwarzgelb getränkt

Vor Jahresfrist war hier schon die Rede davon, dass – als Grundzug im Leben – gleich hinter der Erfüllung ein kaum merklicher Anflug der Enttäuschung lauern mag. Damals war die siebte deutsche Fußballmeisterschaft von Borussia Dortmund der Anlass, diesmal ist es die achte, die ein paar Worte hervorruft. Wer hätte das vor drei oder vier Jahren für möglich gehalten?

Wenn man seine ersten Dortmunder Stadionbesuche noch als Kind in der „Roten Erde“ absolviert hat, freut man sich natürlich zutiefst. Doch manchmal hätte man es jetzt gern eine Spur verhaltener. Die Regionalzeitungen im Dortmunder Dunstkreis haben es übertrieben. Sie sind heute von vorne bis hinten schwarzgelb getränkt und komplett durchjubelt. Ein Overkill. Bereits jetzt laufen ziemlich viele Leute (und längst nicht … Weiterlesen

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Mit der Mark kam die Mode

Ab und zu sollte man seinen Blick vom Alltag lösen und versuchen, von ferne auf unsere Probleme zu blicken. Das gilt nicht nur räumlich sondern auch zeitlich. Zum Beispiel aus dem Jahre 1950.

Damals war der Krieg gerade fünf Jahre vorbei, die neue Währung gab es seit zwei Jahren, und doch ging es aufwärts. In Gevelsberg fand sogar 1951 schon eine Modenschau statt: “Entzückende modische Neuheiten auf dem Laufsteg“, schrieb die Westfälische Rundschau am nächsten Tag über das Ereignis im hinteren Saal einer Gaststätte. Große und schlanke Frauen zu kleiden, das sei ja kein Kunststück, schreibt der Reporter, aber „wie steht es mit jenen, denen ein Sahneteilchen und eine Tasse Bohnenkaffee wichtiger ist als die tägliche Sorge um die schlanke … Weiterlesen

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Hemden ohne Taschen – eine Verlustmeldung

Wo sind bloß die Brusttaschen geblieben? Welche textile Verschwörung ist da im Gange?

Gestern in drei Geschäften gewesen, um 1 bis 2 Oberhemden zu erwerben. Gestaunt. Geärgert. Nichts gekauft. Alle Hersteller scheinen sich – gleichsam über Nacht – darauf geeinigt zu haben, keine Brusttaschen mehr aufzunähen. Eine Verkäuferin begründet das mit dem schlanken Schnitt, der jetzt en vogue sei. Unsinnige Mode. Doch auch die Marke, die seit jeher für den umfänglicheren Herrn schneidert, lässt die Taschen weg. Also ist das mit dem engen Schnitt wohl nur eine Ausrede.

Es ist wie damals in den blöden 80er Jahren, als allüberall Bundhosen aufkamen – mit wahrhaft elefantigen Silhouetten. Wenn man engere Röhrenform haben wollte, schaute man in die (nicht mehr vorhandene) … … Weiterlesen

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„Hütchen sind immens wichtig“ – Frank Goosen auf Lesereise

„Schnell rein, schnell raus. Keine Gefangenen.“ Dieser Plan ist schon bei Stefan, der Hauptfigur in Frank Goosens neuem Roman „Sommerfest“ nicht aufgegangen. Natürlich kommt auch der Erfinder des „Woanders-iss-auch-Scheiße-Koffergurts“ bei seiner Lesereise (z. B. jetzt im Ebertbad Oberhausen) nicht nur einfach schnell rein und schon gar nicht schnell wieder raus.

Will er wohl auch gar nicht. Goosen ist ja nicht nur Schriftsteller, sondern auch gelernter Kabarrettist. Die Erfahrungen aus den Lehrjahren mit den „Tresenlesern“ kommen ihm heute zugute.

Einen klug ausgewählten Querschnitt aus dem neuen Buch trägt er vor. Das Publikum bekommt einen guten Einblick, bleibt aber dennoch neugierig auf das große Ganze. Seine Romanfiguren, „die bedrohte, schützenswerte Sprache des Ruhrgebiets“ und „die Storys, die nur so auf der Straße … Weiterlesen

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Hermann Ungars Roman „Die Klasse“: Ein Lehrer leidet wie ein Hund

Einer gegen alle: Der Lehrer Josef Blau fühlt sich immerzu von aufsässigen Schülern umzingelt und im Wesenskern bedroht. Falls er kein strenges Regiment führt und dabei jede Maßnahme strategisch plant, droht die allzeit schlummernde Rebellionsbereitschaft aufzulodern und ihn zu vernichten. So denkt Blau jedenfalls. Kein Augenblick, der nicht mit Angst getränkt wäre. Einer gegen alle, auch gegen sich selbst.

Hermann Ungar hat 1927 in seinem Roman „Die Klasse“ eine Innenansicht des Verfolgungswahns gezeichnet. Gemeint ist nicht nur die Schulklasse, sondern auch die Klasse als soziale Schichtung. Man kann hier schaudernd in die Gefühlswelt eines durch und durch verkorksten Pädagogen jener Zeit eintauchen. Vor allem in der ersten Hälfte liest sich das Buch über weite Strecken als aufregend dicht gewobenes Psychogramm, … Weiterlesen

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Zuerst die Musik, dann die Worte – das neue Programm der Ruhrtriennale

Heiner Goebbels, neuer Intendant der Ruhrtriennale. Foto: Triennale

Wenn der Intendant eines internationalen Festivals von Haus aus Komponist ist, kann es kaum verwundern, dass die Musik eine Hauptrolle im Programm spielt. Wie bei der Ruhrtriennale, deren Leitung Heiner Goebbels für die nächsten drei Jahre übernommen hat. Die Vorstellung seiner ersten Spielzeit hat nun beredtes Zeugnis davon gegeben. Oper, Konzert und Tanz stehen im Mittelpunkt. Und selbst die Theaterproduktionen entbehren kaum des Tönenden.

Goebbels ist im Ruhrgebiet kein Unbekannter, vielmehr – indirekt zumindest – ein Pionier all dessen, was sich die Triennale auf die Fahnen geschrieben hat. Denn seine Musik wurde von den Bochumer Symphonikern schon in der Jahrhunderthalle, also einer einst industriell genutzten Spielstätte, aufgeführt, als noch niemand an ein … Weiterlesen

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Schuld und Sühne im Tessin – Dea Lohers Romandebüt „Bugatti taucht auf“

Es ist ein eher unbekannter Bugatti, der zu Beginn auf den Seiten dieses erstaunlichen Romans auftaucht: Rembrandt Bugatti, jüngerer Bruder des legendären Erfinders und Konstrukteurs Ettore. Dieser Rembrandt lebt zurückgezogen und unglücklich als Bildhauer. Aus seinen Tagebüchern aus den Jahren 1914/15 erfährt der Leser einiges über die stilprägende italienische Dynastie, aber auch aus dem tragischen, unglücklichen Leben des Rembrandt Bugatti, eines Menschen, für den die „Routine des Wiederkehrenden“ nicht tröstlich ist, sondern „der Beweis, dass es kein Entkommen gibt.“

Szenenwechsel: Gegenwart. Februar 2008. Im schweizerischen Locarno wird die Stranociada, der Tessiner Karneval gefeiert. Ein junger Mann, Luca, gerät unbeabsichtigt in eine alkoholisierte Auseinandersetzung, wird kaltblütig zu Tode geprügelt und getreten. Aus nüchternen Protokoll-Aufzeichnungen ergibt sich die Chronik eines beiläufigen und … Weiterlesen

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Titanic: Der Mythos lebt weiter

Das neue "Titanic"-Building in Belfast/Nordirland. Foto: Häußner

An einen Schiffsbug erinnern die vier Spitzen des Ende März eröffneten "Titanic" Buildings in Belfast/Nordirland. Foto: Häußner

Um 2.12 Uhr nachts kündigt sich das Ende an: Ein Ruck, ein Zittern, dann beginnt sich das Schiff zu drehen, hebt sein Heck aus dem eiskalten Wasser. Sechs Minuten lang steigt das Ruder aus dem Meer, ragen die riesigen Schrauben in die klare Luft.

Um 2.18 Uhr donnert es im Rumpf des Giganten. Die gewaltigen Maschinen, die 50 000 PS auf die drei Schiffsschrauben brachten, rauschen durch den Schiffskörper, losgerissen aus ihren Verankerungen. Es ist das Todesbrüllen des Meeresriesen: Die Lichter erlöschen; zwei Minuten später gleitet die „Titanic“, in zwei Teile zerbrochen, fast geräuschlos in die Tiefe. 1 500 Menschen reißt sie in … Weiterlesen

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Wie sich Pflegedienste nennen

Wer zählt noch die putzmunteren Glossen über Friseurläden und deren abgrundtief pfiffige Namen? Nein, damit hat man längst aufgehört. So wohlfeil ließ es sich stets über haarige (!!!) Wortspielchen witzeln, dass einem die – na? na? – Haare (!!!) zu Berge standen. Harr, harr, harr.

Immer mit Herz... (Foto: Bernd Berke)

Immer mit Herz… (Foto: Bernd Berke)

An dieser Stelle also nichts mehr über Coiffeure als Wortjongleure. Im Rahmen unseres Forschungsbereichs „Sondersprachen“ (bisherige Projekte: Maklerdeutsch und Weinverkostungsjargon) wenden wir uns hingegen umso lieber den Pflegediensten zu, die in der Seniorenrepublik vielfach florieren, jedoch füglich auf sich aufmerksam machen sollten, denn die Konkurrenz schläft nicht.

Stockseriös, wie wir sind, verlassen wir uns auf eine einzige Quelle, nämlich auf das bundesweite Verzeichnis http://www.pflegedienst.de Dort lassen sich die … Weiterlesen

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Fachwerk neben moderner Architektur im Hagener Freilichtmuseum

Nach längerer Zeit waren wir mal wieder im Hagener Freilichtmuseum. Offiziell heißt es ja „LWL-Freilichtmuseum Hagen – Westfälisches Landesmuseum für Handwerk und Technik“ und liegt zwischen Wald und Landwirtschaft im idyllischen Mäckingerbach-Tal am Südrand der Stadt.

Ein altes Antriebsrad im Museum Hagen. (Foto: Ruhrtourismus)

Von früheren Besuchen mit den Kindern in deren Anfangsjahren kannten wir vieles, aber noch nicht den neuen Eingangsbereich und die NE-Metallwerkstätten und –gießereien, den schnuckeligen Friseurladen und das gerade eröffnete Restaurant.

Dieser glatte Neubau mit der großen Terrasse spaltet offensichtlich die Geister. Sowohl aus den Gesprächen anderer Besucher als auch aus den Kommentaren in der Familie kann man überwiegend Ablehnendes hören. Ähnlich der Glaspyramide am Louvre beißt sich die moderne Glas-Holzkonstruktion natürlich mit dem großen Fachwerkhaus, … Weiterlesen

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Meilensteine der Popmusik (9): Rod Stewart

Den Hüftschwung von Elvis, die Grazie eines John Travolta, eine Ausstrahlung fast schon wie Michael Jackson, die blonde Mähne trug er schon Jahrzehnte vor John Bon Jovi, nur die Stimme war und ist unverwechselbar.

Every picture tells a story

Rod Stewart hatte für all das Zeit genug, um es intensiv zu üben. Vom Skiffle zur Folkmusik, vom Blues dann endlich zum Rock. Der Anfang einer Karriere im Schnelldurchgang: Von Long John Baldry auf einem Bahnsteig Mundharmonika blasend entdeckt, spielte er mit Brian Auger, Julie Driscoll und Jeff Beck, bis ihn schließlich Ron Wood zu den Faces holte. Zwei Plattenverträge hatte der 23-jährige plötzlich in der Tasche. Einen für die Gruppe, den anderen als Solist. So ausgestattet, galt es weiter am Image zu basteln. Zuerst musste

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Zum Tod des „Revierflaneurs“

Sein Blog www.revierflaneur.de war eines der anspruchsvollsten im Lande. Seine stupend kenntnisreichen Streifzüge auch durch entlegene und buchstäblich erlesene Gefilde der Literatur haben oft genug Neuland erschlossen, Hochinteressantes, meist von den Rändern her betrachtet. Beobachtungen des Flaneurs in seinen Essener Revieren konnten noch das Unscheinbarste erhellen, ja leuchten lassen; ganz ohne alle Ruhrgebiets-Klischees.

Jetzt ist der „Revierflaneur“ Manuel Hessling verstorben. Viel zu früh. Bestürzend früh. Man will es nicht wahrhaben. Sein Tod lässt einen nicht in Ruhe. Ganz so, wie er in kontroversen Diskussionen ungern Ruhe gegeben hat.

Manches hat er harsch verweigert, mit großer, geradezu erhabener Konsequenz. Er war ein entschiedener Gegner und Verächter des Autowahns, der Fernsehverblödung. Unausweichlich schien ihm die Apokalypse, der Niedergang der Menschheit, doch ohne … Weiterlesen

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Ein Nachtwächter mit Rübenkraut in der Mütze

Manche Traditionen sehen wir heute nur noch als romantische Folklore, obwohl sie ursprünglich einen sehr praktischen und wichtigen Grund hatten. Dazu gehören auch die Nachtwächter – ein Begriff, der heute gelegentlich nur noch als Schimpfwort benutzt wird.

„Die Aufgabe des Nachtwächters war es, nachts durch die Straßen und Gassen der Stadt zu gehen und für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Er warnte die schlafenden Bürger vor Feuern, Feinden und Dieben. Er überwachte das ordnungsgemäße Verschließen der Haustüren und Stadttore, und häufig gehörte es auch zu den Aufgaben des Nachtwächters, die Stunden anzusagen.“ So beschreibt Wikipedia die historische Aufgabe.

Tourismusexperten haben seit Jahren den Werbeeffekt eines Nachtwächters entdeckt. Führungen mit entsprechend verkleideten Personen sollen Besucher der jeweiligen Stadt amüsieren. In Bad … Weiterlesen

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Gestern, heute, morgen am liebsten keine Grass-Debatte

Schon von Anfang an haben mich ein Unbehagen und eine ausgeprägte Unlust beschlichen, mich in die allfällige Grass-Debatte zu mengen. Schnellfertige Schuldzuweisungen, harsche Positionierungen und Denkverbots-Umständlichkeiten waren zu erwarten. Tatsächlich hat sich das mediale Gestrüpp inzwischen derart verheddert, wie man es aus manchen früheren Grass-Debatten kennt. Grass selbst möchte jetzt nicht mehr so recht zu seinem „Gedicht“ (literarisch drittklassig, weil platte Meinungsprosa, vom Inhalt mal abgesehen) stehen und sagt, er hätte es anders formulieren sollen. Mit anderen Worten: Die sprachlichen Mittel stehen ihm offenbar nicht mehr zu Gebote, er schreibt tatsächlich mit „letzter Tinte“.

Doch nun kein Wort mehr davon. Möge das Gerede über den eitlen Großdichter bald wieder abschwellen. Es gibt so vieles, was nicht gesagt werden mus…

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Meilensteine der Popmusik (8): Dire Straits

An einem lauen Sommerabend entspannt auf der Veranda im Schaukelstuhl kauernd, auf den Knien sanft die Gitarre streichelnd, dazu einen zumeist banalen Text zu einer sanften Melodie vor sich hin nuschelnd. Ganz zurückgenommen, geradezu „laid back“ (wenn man es englisch ausdrückt) hatte J.J. Cale aus Oklahoma Anfang der 70er seine kleine Karriere begonnen. Viele berühmte Zupfkollegen beneideten ihn um diese lässige Spielweise. Genauso lässig war die Person von Cale. Er hasste das Drumherum des Showbiz, mied Plattenstudios und Promotion-Auftritte. Seine Lieblingsbühne waren die heimische Veranda, oder die Kneipe nebenan. Diese Art des „Laid Back“ weltweit in die Charts zu bringen, blieb einem ebenso unscheinbaren Gitarristen aus Großbritannien vorbehalten.

Der ehemalige Lokaljournalist und Teilzeit-Englischlehrer Mark Knopfler war Mitglied einer kleinen Musiker-Kommune … Weiterlesen

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Künstlerisches Muskelspiel zum Abschied

Die Sopranistin Anna Prohaska gastiert in Essen. Foto: Patrick Walter/DG

„Nirgends … wird Welt sein, als innen“: Das Zitat aus Rainer Maria Rilkes siebenter Duineser Elegie könnte gemünzt sein auf den Dirigenten und Pianisten Christoph Eschenbach, der sich zur kommenden Spielzeit als Residenz-Künstler der Essener Philharmonie präsentiert. Doch wir wagen es nun, diese Sentenz dem analytisch präzise, in steter Zurückhaltung arbeitenden Intendanten Johannes Bultmann zuzueignen. Weil er wahrscheinlich, nach jener für ihn letzten Saison (2012/13), seine Wirkungsstätte ohne große Geste verlassen wird. Weil er sich vorstellen kann, soviel gab er preis, während eines Sabbatjahres jenseits aller künstlerischen Betriebsamkeit zu leben. 

Noch aber, gewissermaßen zur finalen Essener Saison, lässt Bultmann die Muskeln spielen. In Form jener hochkarätigen Dirigenten, Sängerinnen oder Orchester, … Weiterlesen

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Die Gespenster, die Lessing rief

Das Stück Lessings Gespenster im Schauspiel Dortmund, inszeniert vom kainkollektiv. Foto: Birgit Hupfeld

Das Stück Lessings Gespenster im Schauspiel Dortmund, inszeniert vom kainkollektiv. Foto: Birgit Hupfeld

Lessings Nathan der Weise ist ein Klassiker, gefeiert als Versöhnungsdrama der Toleranz zwischen den Weltreligionen. Die Künstlergruppe „kainkollektiv“ sperrt sich allerdings gegen diese Lesart – und sucht in „Lessings Gespenster – Eine Heimsuchung nach Nathan der Weise“ die anarchistische Seite des Aufklärers. Die Stückentwicklung feierte jetzt ihre Uraufführung im Dortmunder Schauspiel als On Stage Produktion.

Die Zuschauer stehen in langer Schlange am Hintereingang des Schauspiels, laufen durch die Katakomben des Theaters, lesen ein Schild mit den Worten „Lessings Gespenster. Rumlaufen erforderlich“, um dann mitten auf der Bühne zu landen, ohne Stühle, nur mit Raum, der erobert werden will. Alles anders als gewohnt. Ein sinnstiftender Einstieg, wenn es … Weiterlesen

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Aprilscherz ohne Gnade

Die Milchstraße wird in Schmidtstraße umbenannt, um den Altbundeskanzler zu ehren. Heinrich und nicht Thomas Mann hat den Löwenanteil der „Buddenbrooks“ verfasst. Galileis Erben fordern  Entschädigungszahlungen vom Vatikan. Maschmeyer kandidiert für die FPD. Bundesligatrainer müssen künftig über 65 Jahre alt sein, wobei vielleicht für Jürgen Klopp eine Aussnahme gemacht wird.

Haha. Hahaha. Aber Achtung, Achtung: Das stimmt ja alles gar nicht. Haha. Reingefallen.

Worum geht’s? Nun, die FAZ-Sonntagszeitung gibt sich heute ganz puppenlustig. Die Redaktion hat die gesamte Seite 1 (abgesehen von Anreißern fürs Blattinnere, Wetter und Lottozahlen) mit allerlei Aprilscherzen dicht gemacht, vulgo abgefüllt, noch mehr vulgo: zugeschissen, wie man zuweilen unter hemdsärmeligen Journalisten zu sagen pflegt. Hoho.

Offenbar ist sonst in der Welt nichts los. Da kann man … Weiterlesen

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Der Preis für Eis ist heiß

Neulich in Dortmund-Hörde: Nach der Anfahrt mit der Bahn und einem Gang um den neuen Phoenixsee folgte ein Besuch in der Fußgängerzone, und da lockte ein leckeres Eis. Zwei Bällchen im Hörnchen für zwei Euro vierzig.

Teurer Eisladen am Hafen in St. Tropez. (Foto: Pöpsel)

Für eine solche Gegend eine ganz schön happige Summe, dachten wir uns, aber marktwirtschaftlich verständlich. Immerhin muss man doch auf so ein Touristenziel wie den Phoenixsee entsprechend reagieren und den Eventcharakter einpreisen, und lecker war das Eis auch noch.

Dabei war das noch gar nicht das teuerste Eis in unserer Ausflugswelt: In der Düsseldorfer Altstadt kosten zwei Kugeln drei Euro vierzig, und das kostbarste „Glace“ erstanden wir bei „Barbarac“ im alten Hafen von St. Tropez: … Weiterlesen

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