Archiv des Autors: Bernd Berke

Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.

Enzensberger und die Luxusuhren

Hans Magnus Enzensberger ist allzeit ein federführender Intellektueller gewesen, der uns allen meist zwei bis fünf Drehungen voraus war. So einen, der auch im leuchtenden Jahr 1968 zur schreibenden Avantgarde gezählt hat, wünscht man sich gleichsam rein, möglichst ohne Fehl und Tadel. Ach, wie naiv!

So kommt es einer gelinden Irritation gleich, wenn man jetzt auf jene mit goldenem Krönchen verzierte Anzeige stößt: HME gibt sich dafür her, die Uhrenmarke Rolex im Gespräch zu halten.

Nein, ich möchte nicht all die Goldkettchen-Typen kennen, die sich ein Produkt dieser Firma ums Handgelenk winden.

Gedichtband von und Anzeige mit Enzensberger (Foto: Bernd Berke)

Gedichtband von und Anzeige mit Enzensberger (Foto: Bernd Berke)

Rolex gibt sich die Ehre, jeweils einen Mentor und einen Meisterschüler miteinander zu koppeln und zum fruchtbaren Dialog anzuregen. … Weiterlesen

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Der RVR und die koordinierte Kultur

Heute verscherze ich’s mir mal mit – nun? – dem Regionalverband Ruhr (RVR). Und zwar so:

Der RVR-Presseservice (idr = Informationsdienst Ruhr) hat heute eine nichtssagend gravitätische Mitteilung versandt, die besagt, dass das „Erbe“ der Europäischen Kulturhauptstadt Ruhr (Ruhr 2010) nunmehr gesichert sei.

Da möchte man doch auftamen.

Dann freilich liest man, dass just der RVR den (Zitat) „Staffelstab“ übernehmen wird, um die „nachhaltige Entwicklung von Netzwerken und Projekten“ der gewesenen Kulturhauptstadt sicherzustellen.

Auch ist die gestanzte Rede von der neuen Programmsäule namens „Künste im urbanen Raum“, die vor allem auch Exzellenzprojekte anstoßen soll.

Eingebunden sind die Kultur Ruhr GmbH, die Ruhr Tourismus GmbH und das European Center für Creative Economy (ECCE). Hört sich gewaltig an, wenn … Weiterlesen

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Dortmund – Zwickau: Prekäre Partnerschaft

Gläserne Rathauskuppel in Dortmund (Foto: Bernd Berke)

Gläserne Rathauskuppel in Dortmund (Foto: Bernd Berke)

Städtepartnerschaften schlafen mit der Zeit meist ein. Nur wenn sich Daten unabweisbar runden, kommt es zu hehren Fensterreden unter Einsatz von Streichquartetten. Oder so ähnlich.

Dortmund ist verbandelt mit Amiens (Frankreich), Leeds (England), Buffalo (USA), Netanya (Israel), Rostow (Russland), Novi Sad (Serbien) und Xi’An (China). Eine stattliche Liste. Doch längst nicht jede Partnerschaft ist mit Leben erfüllt.

Hinzu kommt seit Dezember 1988 die innerdeutsche Städtefreundschaft mit Zwickau.

Zwickau. Moment. Da war und ist doch was?

Ja, sicher. Dort ist zu DDR-Zeiten der Trabant gebaut worden. Außerdem hat sich die sächsische Stadt in den letzten Jahren als ein Gravitationszentrum rechtsradikaler Umtriebe erwiesen. Mit entsetzlichen Folgen.

Sagt da jemand, dass im Westen der Republik für … Weiterlesen

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Revierderby

Über das Derby an und für sich ist eigentlich alles gesagt. Die Formkurvenverläufe von Borussia Dortmund und Schalke 04 sind ebenso bekannt wie die jeweilige Verletztenliste. Alle Statistiken wurden abermals umgewälzt und liegen abrufbereit in den Datenspeichern. Mit teils absurdem Zahlenstoff füllen TV- und Hörfunkreporter dann wieder das Vakuum, wenn eine Palaver-Pause „drohen“ sollte. Ach, wie gut könnte man da auf manchen Wortschwall verzichten!

Auch die Prähistorie des Fußballklassikers im Revier ist wahrlich hinreichend aufgearbeitet worden. Heute finden sich, vorzugsweise in der regionalen Presse, mal wieder Rückblicke bis in die Vorkriegszeit, als Schalke dominierte. Seit den späten 40er Jahren hatte Dortmund meist mehr Erfolg. Doch wem sage ich das?

Zum Ritual gehört das ständige Kokettieren mit der alten Rivalität. In … Weiterlesen

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Was Georg Kreisler über Gelsenkirchen sang

Der famose, unvergleichliche Liederdichter, Chansonnier, Schriftsteller, Vortragskünstler, Kabarettist etc. etc. Georg Kreisler ist mit 89 Jahren gestorben.

Am liebsten würde man sich weigern, diese Tatsache zu akzeptieren. Immer und immerzu diese Zumutungen des Todes, in diesem Falle eine monströse Zumutung. Können die höheren Mächte denn nicht mal über andere Maßnahmen nachdenken?

Wir wollen nicht sagen, er habe ein gesegnetes Alter erreicht, denn das hätte er selbst nicht hören mögen und wahrscheinlich sarkastisch beiseite gefegt. Auch ein schlichtes „Ruhe in Frieden“ hätte ihm wohl nicht gefallen. Überhaupt wollen wir nicht das Offenkundige nachbeten: dass er einer der ganz Großen gewesen ist. Stattdessen hier sein grandioses Lied über Gelsenkirchen.

P. S.: Sehe soeben, dass Stefan Laurin von den Ruhrbaronen auf die (für … Weiterlesen

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Worüber wir inzwischen nicht geschrieben haben

Holla! Als dieses Blog jetzt zwangsläufig für einige Tage offline gewesen ist, hat man erst einmal so richtig gemerkt, wie die Zeit verfliegt und wie die Ereignisse sich türmen.

Was hätte man nicht alles schreiben können, sollen, müssen!

Vom tödlich aggressiven Rechtsextremismus hätte man wohl auch hier nicht schweigen dürfen. Obwohl schon einem Karl Kraus zu Hitler nichts mehr eingefallen ist (ein Ohnmachtsgefühl, das er freilich höchst wortgewaltig zu entladen wusste).

Man hätte dem sauberen Signore Silvio B. einige Worte nachwerfen können.

Man hätte dem am Rande des Reviers (Schwelm) geborenen Franz Josef Degenhardt einen Nachruf widmen müssen. In anderen Atemzügen hätte man Wolf Biermann zum 75. Geburtstag gratulieren sollen. In beiden Fällen hätte es sich dringlich empfohlen, Worte wie … Weiterlesen

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Die Kunst, die Putzfrau und Kippenbergers Kichern

Lasset uns offen und ehrlich sein: Im Kunst-Diskurs der Republik spielt Dortmund keine tragende Rolle. Jetzt aber berichten die Medien landauf, landab über einen musealen Vorfall, der einem elend bekannt vorkommt. Ja, es scheint sich hierbei um eine der regelmäßig wiederkehrenden urban legends zu handeln, wie sie immer mal wieder – in leicht variierten Formen – durch die Presse geistern.

Machen wir’s kurz, aber nicht schmerzlos: Eine Putzfrau hat ein teures Kunstwerk (Versicherungswert etwa 800 000 Euro) reinigen wollen und dabei offenbar irreversibel beschädigt. Leider geschehen im Dortmunder „U“, wo auch das Ostwall-Museum untergekommen ist.

Diesmal hat es mit dem in Dortmund geborenen Martin Kippenberger (1953-1997) einen Künstler getroffen, der selbst virtuos und artistisch auf dem Grat wanderte, ja tänzelte, … Weiterlesen

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Zum Tod der Musikjournalistin Sonja Müller-Eisold

Rund 55 Jahre lang hat sie für die Westfälische Rundschau (WR) über Oper, Ballett und Konzerte in der Region geschrieben. Welch eine Zeitstrecke, welch eine Lebensleistung! Jetzt ist die Dortmunder Musikjournalistin Sonja Müller-Eisold mit 80 Jahren gestorben. Eigentlich unfassbar, dass sie ihre angestammten Plätze in den Opern- und Konzerthäusern nicht mehr einnehmen kann. Wie sie denn überhaupt aus dem westfälischen Musikleben kaum wegzudenken ist.

55 Jahre lang für dieselbe Zeitung schreiben – solche Betriebstreue gibt es nicht mehr, kann es nicht mehr geben. Sie ging einher mit einer Zuverlässigkeit, wie man sie heute wohl vergebens sucht. Einen Termin ausfallen zu lassen oder sich auch nur zu verspäten, das war für Sonja Müller-Eisold prinzipiell ausgeschlossen. Im täglichen Wirrwarr der Redaktionsarbeit lernt … Weiterlesen

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Dortmunder Krallenfund: Raubsaurier im Ruhrgebiet

Hat der Raubsaurier so ähnlich ausgesehen? Man weiß es nicht. (Bild: LWL)

Hat der Raubsaurier so ähnlich ausgesehen? Man weiß es nicht. (Bild: LWL)

Hier geht’s um Dinosaurier im Revier. Nein, es sind keine gigantischen Hochöfen oder Gasometer gemeint. Für derlei Zeugnisse der historisch gewordenen Industrielandschaft erstrebt die Region jetzt gleichsam pauschal den Titel eines UNESCO-Weltkulturerbes. Vielleicht leben wir eines Tages alle in einem großen, großen Freilichtmuseum.

Davon erst einmal genug.

Parallel gab’s gestern eine Nachricht, die selbst die „Bild“-Redaktion elektrisierte und zur Dino-Schlagzeile anstachelte. Die Botschaft klingt ja so schön konkret, jedoch auch surreal, stellt sie einen doch vor gewaltige Zeitläufte: An einer Baustelle der B 1 (Ruhrschnellweg) ist in Dortmund die versteinerte Sichelkralle eines Sauriers gefunden worden. Geschätztes Alter: rund 91 Millionen Jahre. Damals war das spätere Ruhrgebiet eine Küstenlandschaft, … Weiterlesen

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Ernst Meister: An den Grenzen des Daseins

Aus der Münsteraner Ausstellung (siehe Hinweis am Ende des Beitrags): Ernst Meister, Selbstporträt o. J., Pastell ung Kohle auf Papier (Foto: LWL)

Aus der Münsteraner Ausstellung (siehe Hinweis am Ende des Beitrags): Ernst Meister, Selbstporträt o. J., Pastell ung Kohle auf Papier (Foto: LWL)

„Abend erscheint. Rauchig ist die Stadt meiner Mutter, rauchig die Stadt meines Vaters von den Eisenöfen.“

Was haben wir da? Ruhrgebietsliteratur der bodenständigen, realistischen Art? Eigentlich ganz und gar nicht, obwohl sich die Verse auf Hagen beziehen. Es handelt sich um den Anfang eines Gedichts von Ernst Meister (1911-1979), der dieser Stadt sein Lebtag treu geblieben ist – wie der Maler Emil Schumacher. Da könnte man fragen: Was hatte Hagen, was andere Ruhrgebiets-Kommunen nicht hatten? Aus all den weiteren Revierstädten haben sich die Größen doch zeitig verabschiedet.

So fassbar konkret wie im anfänglichen Zitat klingt es im gesamten … Weiterlesen

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Nachruf, lass nach!

Kürzlich bin ich wieder einmal in Versuchung geraten…

In die Versuchung, einen Nachruf zu schreiben. Der Verstorbene aus der Film- und Theaterwelt ist wahrlich bedeutsam genug gewesen und hat einem große Momente gegeben. In solchen Fällen ist es beinahe, als wäre ein Freund oder Familienmitglied gegangen.

Doch dann habe ich mich bezähmt. Im Gegensatz zu früheren Jahren bin ich nicht mehr gehalten, solche Beiträge ad hoc zu liefern. Ja, ich kann es sogar ganz bleiben lassen. Oh, schöne Freiheit! Oh, Segen des Verzichts! Außerdem muss man doch oft einsehen, dass es Berufenere gibt, die den posthum zu Rühmenden zeitlebens publizistisch begleitet haben. Fünfzehntes Gebot, leider selten in Stein gemeißelt: Du sollst nicht unberufen nachrufen.

Vor allem die überregionalen Zeitungen können … Weiterlesen

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Promis imponieren uns gar nicht

Letzten Samstag habe ich wahrhaftig einen fernsehprominenten Schauspieler im Dortmunder Westfalenpark gesehen. Er war offenbar zu Besuch bei Freunden, mit denen er auch auf den Kinderspielplatz ging.

„Na und?“ rufen sie jetzt unisono in Berlinhamburgmünchenköln und wenden sich wieder stärkeren Reizen zu.

In Dortmund, erst recht in weiten Teilen des sonstigen Ruhrgebiets, sind Promis im Stadtbild tatsächlich immer noch etwas Seltenes. Das wird sich auch mit dem neuen Dortmunder Status als „Tatort“-Stadt nur unwesentlich ändern.

Doch was soll’s. Man schert sich um bekannten Leute ohnehin nicht sonderlich. Von Glamour lassen sich hier eh die wenigsten blenden. Es gibt es genügend andere Sorgen (und Freuden).

Einst sah ich den Schriftsteller Walter Kempowski trübsinnig über den Ostenhellweg schleichen – offenbar unerkannt wie … Weiterlesen

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Hier daafsse nichma bekloppt werden!

Materialien zur psychotherapeutischen Behandlung des Ruhrgebiets

 

Die Statistik ist wohl nicht mehr taufrisch, doch bemerkenswert: Im Ruhrgebiet warten Klienten im Schnitt 17 Wochen auf psychotherapeutische Hilfe. Im Bundesdurchschnitt sind es 12,5 und im Osten der Republik 16,1 Wochen. Grund für die offenbar eklatante Unterversorgung: In anderen Großstädten werden rund 40 Therapeuten je 100 000 Einwohner zugelassen, im Revier nur ungefähr 10.

Diese Zahlen hat Prof. Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, in einem Gastbeitrag für die Süddeutsche Zeitung (Ausgabe vom 6. Oktober) genannt.

Welche Schlussfolgerungen könnten sich daraus ergeben? Ein paar knappe Ansätze:

Die spontane Reaktion: Wieder ein Bereich, in dem das Ruhrgebiet trübe Schlussfunzel ist und pfeilgrade mal wieder die „Süddeutsche“ das Elend aufgreifen kann. Zwischen Duisburg und Dortmund … Weiterlesen

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Nicht fein genug?

Die Edeljuwelierkette Wempe hat mal wieder die Anzeige geschaltet, in der ein smarter, souverän entspannter, rundum arrivierter, aber noch nicht vollends saturierter Top-Entscheider-Vater seinem gleichfalls schon rundum veredelten Sohnemann (welcher gewiss zu den schönsten Hoffnungen berechtigt), gleichsam feierlich gelobt, ihm dereinst die aber so was von kostbare Uhr einer Nobelmarke zu vererben, denn: „…eigentlich bewahrt man sie schon für die nächste Generation“.

Unter dem Schmonzes steht eine Liste von Wempe-Niederlassungen. Vergleicht man diese mit der Aufstellung aller bestehenden Filialen auf www.wempe.de, so fällt auf, dass – abgesehen von einem Luxusschiff – genau drei Orte fehlen. Kampen/Sylt muss wohl wegen der Insellage aussortiert worden sein. Bei Mannheim und Dortmund kann man sich hingegen andere Gründe denken. Vielleicht sind diese beiden Städte … Weiterlesen

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Pinguin-Verlag in Dortmund? Nie davon gehört!

Auch wenn der Lexikon-Vorvater Friedrich Arnold Brockhaus hier geboren wurde, so ist Dortmund nie durch ein reges Buchverlagswesen aufgefallen. Das Defizit gilt bis heute.

Böser Fuchs, guter Hase (Copyright 1963 by editrice AMZ, Milano / Pinguin-Verlag, Dortmund)

Böser Fuchs, guter Hase (Copyright 1963 by editrice AMZ, Milano / Pinguin-Verlag, Dortmund))

Gewiss, vereinzelt wurden in der Stadt Verlage tätig. Um nur die trübe Gegenwart zu betrachten: Die kommerziell erfolgreicheren Zeiten von Harenberg sind längst vorüber. Eigentlich hält nur noch der Grafit-Verlag tapfer die Stellung, der vor allem mit (Regional)-Krimis gewachsen ist.

Und zwischendurch war da ja auch nicht sonderlich viel, oder?

Umso mehr fällt es auf, wenn man doch einmal ein Büchlein aus Dortmunder Produktion in den Händen hält. Durch Zufall ist mir jetzt ein schmales Kinderbuch in die Hände geraten, das irgendwann in … Weiterlesen

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Currywurst hier und da

Bochumer Currywurst in Holland (Foto: Bernd Berke)

Bochumer Currywurst in Holland (Foto: Bernd Berke)

Unterwegs hält man hier und da nach Exporten des Ruhrgebiets Ausschau – und stößt dabei immer mal wieder auf die Currywurst. Nein, dies wird weder eine Grönemeyer-Hommage noch ein Wursttest.

Auch ist’s keine Weltsensation, original Bochumer Currywurst in Holland vorzufinden, aber immerhin… man fühlt sich ein klein wenig angeheimelt.

An der holländischen Nordseeküste machen bekanntlich sehr viele Revierbewohner Urlaub oder sie kommen mal eben am Wochenende. Da lohnt es sich wahrscheinlich, ihnen neben Frikandel & Fritjes auch ihre Currywurst anzubieten.

Andererseits mag es einen piefigen Beigeschmack haben, in Egmond aan Zee Currywurst aus Bochum zu ordern. Nochandererseits ist das aber piepegal. Oder auch wurst. Mit Meerblick und Salzgeruch isst man die Dinger ja … Weiterlesen

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Mensch, werde nebensächlich!

Gerade an den Rändern des Alltags, im Unscheinbaren, kann sich unvermittelt das Wesentliche zeigen. Diese Erfahrung lässt sich, Zeile für Zeile, vielleicht bei keinem anderen Autor so verdichtet erleben wie bei Wilhelm Genazino. Hinter jeder Wegbiegung kann bei ihm schier alles geschehen. Doch weit ausgreifende Weltentwürfe sind hier nicht zu haben. Warum denn auch?

Genazinos neuer Roman „Wenn wir Tiere wären“ erkundet abermals rätselvolle Vorfälle im undeutlichen Weichbild der Stadt und in den Untiefen der Beziehungen mit gewohnter Diskretion, ja sogar Scheu, hinter der sich freilich scharfe Präzision verbirgt. Mit sanftmütiger, fast schon phlegmatisch erschlaffender Ruhe wird hier auch das Ungeheuerliche gesagt.

Wieder einmal hatte ich mir vorgenommen, mit möglichst wenigen Notizen und Anstreichungen auszukommen, doch bei Genazino drängt es … Weiterlesen

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Die vertraute Markenwelt

Es mag ja betrüblich zu sagen sein, doch ist es wahr: Unter allen Dingen und Verhältnissen, die uns Weltvertrauen einflößen, sind nicht zuletzt die seit Kindheit vertrauten Marken. Ziemlich klar, woran es liegt: Unser Weltausschnitt ist vorwiegend eine Markenwelt.

Einige Beispiele, ohne jeden Schleichwerbe-Effekt, abseits jeder Qualitätsvermutung, streng alphabetisch: Bosch, Hansaplast, Haribo, Langnese, Märklin, Miele, Nivea, Opel, Osram, Persil, Philips, Pril, Rama, Ritter Sport, Tempo, Tesafilm, Volkswagen. Und viele andere, je nach Generation wechselnd. Für manche beginnt die Erinnerung mit Nogger oder Nutella. Kaufartikel halten längst für die Benennung ganzer Altersgruppen her, siehe „Generation Golf“ etc. etc. Ich kaufe das, also bin ich. Ich stilisiere mein Leben mit Waren, also gelte ich.

Schon wenn man erfährt, dass sich hinter den … Weiterlesen

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Wie man ganz schnell in die Zeitung kommt

Früher war’s gar nicht so leicht, als Normalsterblicher namentlich in die Zeitung zu kommen. Anonym hatte es erst recht keinen Zweck. Auch drangen etliche (unbequeme) Themen nicht vor bis in den Druck. Weitaus mehr als jetzt waren Zeitungen noch Sortier- und auch Kontrollinstanzen, sie verstanden sich gar als Leuchttürme. Journalisten glaubten einfach noch, den besseren Durch- und Überblick zu haben. Diese Selbstgewissheit hat sich längst verflüchtigt.

Ein Symbol muss sein: Früher verstanden sich Zeitungen noch als Leuchttürme... (Foto: Bernd Berke)

Ein Symbol muss sein: Früher verstanden sich Zeitungen noch als Leuchttürme... (Foto: Bernd Berke)

Seit einigen Jahren gibt es zudem jene „Bürgerreporter“, die manchen (vorwiegend lokalen oder „bunten“) Redaktionen einige Recherche-Arbeit abnehmen und kräftig Kosten sparen helfen. Das lockt (neben redlichen, doch unprofessionellen Zuträgern) auch viele Nachbarschafts-Aufpasser und Wichtigtuer an. Überdies zapfen Zeitungen heute … Weiterlesen

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„Tatort“ Dortmund: Ja, hömma!

Nachtrag am 12. Oktober 2011:

Jetzt ist es heraus: Dortmund wird „Tatort“-Metropole. Und schon überschlägt man sich in der Stadt. Die Presse hat sich schon mal feine Mordgeschichten mit Lokalkolorit ausgedacht. Derweil versucht OB Ullrich Sierau (SPD), sich den Erfolg an seine Fahnen zu heften. Die Westfälische Rundschau zitiert das Stadtoberhaupt heute mit dem Satz: „Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass mein Werben für Dortmund als Krimischauplatz so erfolgreich ist. Ich finde es super…“

Ist ja gut, Herr Sierau, Sie allein haben das bewirkt, keine Frage. Die Leutchen beim WDR mussten das fertige Konzept nur noch abnicken.

Schon im Vorfeld hatte Sierau eine Idee für den ersten Dortmunder Fall lanciert: Fiese Typen sollten demnach einen erfolgreichen Start-up-Unternehmer bedrängen. Dabei … Weiterlesen

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Zum Tod des Fotokünstlers Bernhard Blume: Erinnerung an eine Dortmunder Ausstellung von 2006

Der 1937 in Dortmund geborene Fotokünstler Bernhard Blume ist mit 73 Jahren in Köln gestorben. Aus diesem Anlass eine Erinnerung an eine Dortmunder Ausstellung:

Dortmund. Ja, was machen d i e denn da?! Wir sehen ein Paar im ehedem romantischen deutschen Wald. Der Mann kniet in anbetender Haltung vor einem Baum, später wird er gar himmelwärts fahren. Derweil hängt die Frau hilflos im Geäst, zappelt eingeklemmt zwischen zwei Stämmen oder saust unsanft hernieder.

Die fotografisch auf großen Schwarzweiß-Tafeln festgehaltene Groteske füllt jetzt den Lichthof des Dortmunder Ostwall-Museums. „Metaphysik ist Männersache“ heißt die Arbeit von Anna und Bernhard Blume. Das ist, wie eigentlich alles bei den Blumes, ironisch gemeint. Bernhard Blume erklärt: „Männer schwelgen schnell in abstrakten Theorien, Frauen bleiben selbst … Weiterlesen

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Feridun Zaimoglus Roman „Ruß“: Tristesse im Ruhrgebiet

Auf den ersten Seiten betätigt sich die Hauptfigur namens Renz als Ikonenmaler. Man wähnt sich schon in einer Fälschungsgeschichte. Doch darum geht es nicht.

Die halb schäbig, halb kostbar anmutende Ikonen-Mischung aus Ruß und Goldblatt ist eigentlich schon das edelste, was uns in diesem Roman unterkommt. Der spielt überwiegend in einem gar düsteren, desolaten Ruhrgebiet, noch dazu in winterkalter Trübsal. Man lese nur ab Seite 95 die deprimierende Typenparade aus der Duisburger Fußgängerzone. Vergesst alles Gold, hier bleibt nur Ruß.

Renz ist Arzt gewesen, doch er ist längst ein gebrochener Mann und hilft nur noch seinem Schwiegervater im Kiosk aus. Da treffen sich die Abgehalfterten, die Säufer. Der Handlungsort Duisburg muss abermals für gesteigerte Tristesse herhalten, doch wir wollen gerecht … Weiterlesen

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Der Koloss von Dortmund

Dortmunds Innenstadt steht unmittelbar vor dem radikalsten Umbruch der letzten Jahrzehnte. Am 15. September wird ein Einkaufscenter mitten in der City eröffnet, das rund 160 Geschäfte umfasst und sich (wesentlich auf dem Gelände der früheren Thier-Brauerei) vom Wallring bis zum Westenhellweg erstreckt.

Schon jetzt steht fest, dass sich mit der „Thier-Galerie“ Charakter und Schwerpunkte des Stadtzentrums gründlich ändern werden. Der Investor und Betreiber ECE hat etwa 300 Millionen Euro in den weitläufigen Bau gesteckt und kalkuliert mit einem Einzugsgebiet, in dem etwa 3 Millionen Menschen leben. Das sind schon höhere Hausnummern.

Der riesige Komplex prunkt auf seiner Schauseite mit einer nahezu klassizistisch anmutenden, machtvollen Säulenformation und zitiert damit eine uralte Würdeformel der Architektur. Im Kontext der Dortmunder City wirkt dies … Weiterlesen

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Helga am Küchentisch in bester Wohnlage…

43-jährige Bibliothekarin sucht Mann und veranstaltet deshalb ganz gezielt Literaturlesungen, auf denen der Richtige auftauchen möge. Bringt nichts. Schließlich gibt sie eine Annonce unter „Bekanntschaften“ auf und trifft einen Programmierer. Doch beim ersten Kino-Date taucht dummerweise auch eine Freundin aus der Frauengruppe im Lichtspielhaus auf.

Nun gut. Kann sein, dass so etwas vorkommt. Warum denn nicht?

Im vorliegenden Buch wird daraus eine strenge Versuchsanordnung, die Lage wird mit allem Für und Wider umständlich erörtert; feministisch grundiert, mit langjähriger (Selbst)erfahrenheit unterfüttert, schließlich kolumnenhaft zubereitet wie für eine halbwegs gediegene Zeitschrift. Nur: Ist das eigentlich Literatur?

Es sind meistenteils nur Vorüberlegungen, denen eine literarische Verarbeitung erst folgen müsste.

Im neuen Erzählband der vor allem als Filmemacherin bekannten Helke Sander (täuschend knackiger Buchtitel: … Weiterlesen

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Wenn Leere und Fülle eins werden: Bochum zeigt Kunst aus dem Geist des Buddhismus

Die Ruhrtriennale begibt sich (nach Streifzügen durch Judentum und Islam) diesmal auf spirituelle Erkundungen im entgrenzten Kraftfeld des Buddhismus. Selbst in Wagners „Tristan“, Shakespeares „Macbeth“ und Kafkas „Schloss“ will man solche Impulse freilegen.

Zu den szenischen Künsten gesellt sich das Bildnerische: Das Kunstmuseum Bochum zeigt jetzt – als Triennale-Begleitprogramm – die Ausstellung „Buddhas Spur“. Sie ist streckenweise meditativ, aber nicht esoterisch geraten. Sie bietet beileibe keinen umfassenden Überblick zum Thema, sondern schmeckt hie und da nach beherzter Gelegenheits-Auswahl, lässt aber einige Streiflichter kreisen.

Museumsleiter Hans Günter Golinski und Triennale-Intendant Willy Decker haben bei der (relativ kurzen) Vorbereitung kooperiert. Sie versprechen sich eine fruchtbare Wechselwirkung der verschiedenen Kunstformen, womöglich gar spannende Grenzüberschreitungen. Decker, der auch ganz persönlich und lebensweltlich auf buddhistischen … Weiterlesen

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Abschied von Loriot

Es darf doch nicht wahr sein. Es soll doch bitte nicht stimmen!

Die Nachricht vom Tode Loriots macht sehr, sehr traurig. Doch sie macht die meisten nicht sprachlos. Denn nun lassen alle die Loriot-Sprüche oder sonstigen Werkpartikel vom Stapel, die ihnen ans Herz oder gleichsam ans Zwerchfell gewachsen sind. Auch das Netz vibriert heute vor lauter Hoppenstedt, Müller-Lüdenscheidt, Die Ente bleibt draußen, Heinzelmann und allem anderen. Wie wohltuend und entlastend, wenn man die Trauer ins kollektive Lachen kleiden kann – oder wenigstens in eine wehmütige Erinnerung an einstigen Frohsinn. Möge man ihn nur nicht irgendwann auf den „Hausschatz des goldenen Humors“ reduzieren. Er steht für ganz andere Dimensionen.

Das weithin presseübliche Verfahren, einen alten Artikel (etwa zum 80. oder 85. … Weiterlesen

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Das Salz, der Tabak und die Ärzte

Der Befund ist wahrlich nicht brandaktuell, es finden sich seit den alten Griechen über Molière bis zur Neuzeit immer wieder zahllose Hinweise darauf, somit haben wir eine kulturgeschichtliche Konstante: Ärzte stochern oft im Nebel.

Gestern standen gleich zwei einschlägige Beiträge in der FAZ-Sonntagszeitung. Im einen ging es darum, dass Salzverzehr womöglich gar nicht so gesundheitsschädlich (Blutdruck!) ist, wie bislang weithin angenommen und ziemlich penetrant propagiert. Ja, es gibt sogar eine wachsende Mediziner-Fraktion, die davor warnt, zu wenig Salz zu konsumieren. Längst nicht alle, die diese Meinung vertreten, dürften im Sold der Salz-Industrie stehen. Ähnliche Trendwenden oder auch vergleichbaren Wankelmut kennt die Medizingeschichte zuhauf. Es soll sogar Raucher geben, die darauf hoffen, dass der Tabak eines Tages rehabilitiert wird.

Arzt-Spielkoffer für Kinder (Bild: Bernd Berke)

Arzt-Spielkoffer für

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„Anrührend, mitreißend, feinfühlig“ – die Prospekt-Prosa der Buchverlage

Klappentexte tendieren bekanntlich dazu, noch das vertrackteste Werk in rasch konsumierbare Formeln zu pressen. Da sind nicht selten Meister der gerade gängigen Floskeln am Werk. Ein lesenswerter „Zeit“-Artikel hat das Genre jüngst wieder aufgegriffen.

Ganz ähnlich, ja zuweilen wortgleich ergießt sich der Schwall aus der Prospekt-Prosa der Buchverlage. Ob nun Testimonials oder lobhudelnde Pressezitate ausposaunt werden, oder ob der Marktjubel direkt aus den PR-Abteilungen tönt – vieles scheint abrufbereit auf den Sicher-Hole-Tasten zu liegen. Manchmal hört sich das an wie auf dem Hamburger Fischmarkt, dann wieder raunt und säuselt es so filigran feingeistig, dass einem Rilke die Tränen kämen.

Die folgende kleine Kollektion aus Originalzitaten wird ganz bewusst ohne Ansehen der Einzelbücher präsentiert, es geht ja allgemein um den Sound … Weiterlesen

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Alles ist ermattet, doch Elvis lebt!

Elvis als Automaskottchen (Bild: Bernd Berke)

Elvis als Automaskottchen (Bild: Bernd Berke)

Die Mehrheit der „Revierpassagen“-Autorinnen und Autoren ist derzeit auf Reisen, weite Bereiche des Kulturbetriebs haben jetzt eh geschlossen. Ohnehin hat der Müßiggang seine unwiderstehlichen Reize…

Aber das ist ja das Schöne am Bloggen. Während Zeitungen im Druck und mit ihren Ablegern im Netz sich abquälen müssen, trotz alledem täglich ihre Seite(n) zu füllen (ein bis auf weiteres unvergängliches Motto dabei: „Große Bilder sind schnell geschrieben“), können wir es zuweilen geruhsamer angehen lassen.

Aus gutem Grund haben wir niemandem tägliche Lieferungen versprochen, erst recht kassieren wir nicht für Abo oder Einzelverkauf, auch erheben wir keinerlei Gebühren, stecken ferner null Subventionen oder sonstige Zuschüsse ein.

Doch wenn auch die hiesige Kulturkritik ein wenig ermattet darnieder liegt … Weiterlesen

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Als der Widerstand wuchs: Gesichter der „Wende“

Des welthistorischen Tages wollen wir auch an dieser Stelle gedenken: Vor 50 Jahren, am 13. August 1961, hat das DDR-Regime mit dem schändlichen Mauerbau begonnen. Doch wir zäumen die Sache von hinten auf und betrachten ein Buch über die „Wende“ von 1989, die diese Mauer schließlich zu Fall gebracht hat.

Gesine Oltmanns (Foto: Dirk Vogel)

Gesine Oltmanns (Foto: Dirk Vogel)

Der Dortmunder Fotograf Dirk Vogel porträtiert in dem Bildband „Gesichter der Friedlichen Revolution“ insgesamt 63 Protagonist(inn)en jener bewegenden Phase deutscher Geschichte. Es sind durchweg aufrechte, anständige Charaktere, deren Lebensleistung hohen Respekt verdient. Unter teilweise großem persönlichem Risiko haben sie Courage in einer Diktatur bewiesen. Auch wenn einige es selbst nicht gerne hör(t)en, so darf man sie wohl Heldinnen und Helden der Zeitgeschichte nennen, Vorbilder weit … Weiterlesen

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Wer jetzt schon kräht, ist früher dran

Nach den Regeln der Tagfresser-Branche wird’s nun aber langsam Zeit für die Rückblicke aufs Jahr 2011. Spätestens kurz nach den Sommerferien heben die ersten Abgesänge an. Kurz danach sieht man dann die ersten Weihnachtsdekos in den Geschäften. Aber schleunigst!

Hurtig, hurtig, atemlos: Fukushima, Ehec, Norwegen, Finanzkrise. Eine Apokalypse nach der anderen, journalistisch allseits abgegriffen, in Kürze dann in der Wiederaufbereitungs-Anlage. Königs- und Fürstenhochzeiten hinzugeben, mit Kachelmann und einem Strauss Kahn würzen, umrühren, fertig. Dann noch Spocht und Wetter.

Zackzack, holterdiepolter. Auch Gedenktage werden inzwischen lange vor dem eigentlichen Datum aufgerufen und bekakelt – beileibe nicht nur im Sommerloch. Der 11. September 2001 jährt sich in mehr als einem Monat zum zehnten Male und wird bereits jetzt um und um gewendet. … Weiterlesen

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Soziale Miniaturen (11): Einkaufserlebnis

Der kleine Dortmunder Supermarkt hat seit einiger Zeit jeden Abend bis 22 Uhr geöffnet und so seinen Einzugsbereich erweitert. Ab 19 Uhr ändert sich rasch die Struktur der Kundschaft, besonders ausgeprägt freitags und samstags. Wer früher vielleicht „anne Bude“ ging oder zur Tanke fuhr, um späten Saufstoff zu holen, taucht nun schon mal hier auf. Es ist ja auch billiger. Obwohl das wiederum vielen egal ist.

Hinzu kommen traurige Gestalten von einiger Art, die hier tatsächlich so etwas wie ein „Einkaufserlebnis“ suchen – auf äußerster Schwundstufe. Am Tage trauen sie sich kaum noch heraus. Dies hier gehört zu ihren letzten Verbindungslinien zur „Normalität“, die dem Namen jedoch Hohn spricht. Aber wenn diese Fäden auch noch gekappt werden…

Manche von denen, … Weiterlesen

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Facebook: Das Leben der Anderen

Da lungert man schon seit geraumer Zeit bei Facebook herum und hat noch nichts darüber geschrieben. Das geht nicht an!

Zumal Facebook ansonsten das meistbekakelte Ding in der Medienlandschaft sein dürfte. Wir haben hier also das unoriginellste aller Themen. Das mutmaßliche Interesse ist in etwa so breit gestreut wie früher bei TV-„Straßenfegern“. Millionen können mitreden oder glauben dies jedenfalls. Wo gibt es das sonst noch – außer vielleicht beim Fußball.

Nein, hier wird keine schneidige oder geschmeidige Analyse geliefert, sondern nur die schlichte Beschreibung von ein paar Phänomenen und Phantomen.

In der Regel treffen hier alle auf Ihresgleichen: So ergeben sich lauter geschlossene Gesellschaften, die sich da in ungezählten Zirkeln oder Behaglichkeits-Blasen zusammenfinden. Wer treibt sich denn da so herum? … Weiterlesen

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Soziale Miniaturen (10): Am Friedhofstor

Impression vom Dortmunder Ostfriedhof (Bild: Bernd Berke)

Impression vom Dortmunder Ostfriedhof (Bild: Bernd Berke)

Vier Rentnerinnen am schmiedeeisernen Tor zum Friedhof. Trautes Tratschen im Vorfeld der letzten Dinge.

Auf einmal kommt Bewegung in das Grüppchen. Schräg gegenüber, nah beim Hospiz, haben sie ein noch älteres Paar erblickt, vielleicht um die 85 Jahre. Es sind zwei, die innig zueinander gehören. Jetzt und für immerdar. Das sieht man sofort, wenn man es sehen will. Sie sind rührend umeinander bemüht. Die Erde wird ihnen daher so leicht, wie es noch irgend geht. Man mag an den Mythos von Philemon und Baucis denken. Aber diese beiden hier machen den Eindruck, als hätten sie sich erst kürzlich kennen gelernt. Etwas Neues, wie frisch Verliebtes ist in ihrem Tun, in ihrer ganzen Haltung, … Weiterlesen

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Es glitzert das Meer, es funkelt die Seele – Eduard von Keyserlings famoser Roman „Wellen“

Bereits das Baudelaire-Motto, das Eduard von Keyserling (1855-1918) seinem Roman „Wellen“ vorangestellt hat, lässt keinen Zweifel: Das Meer und die Menschenseele, so heißt es da sinngemäß, sind so tief, dass sie ihre Geheimnisse letztlich niemals preisgeben.

Immer wieder spiegeln sich in diesem Roman seelische Regungen in den wechselhaften Erscheinungen des Meeres. Sozusagen jede Farbstufe und jeder neue Lichteinfall werden da sprachlich zum Funkeln gebracht – soweit und so genau, wie es irgend geht. Dieses Werk um des Meeres und der Liebe Wellen darf als Zeugnis des literarischen Impressionismus gelten. In etlichen Passagen fühlt man sich an flirrende Gemälde jener Stilrichtung erinnert. Doch es ist beileibe kein unvermischtes Schwelgen. Schon auf Seite 8 heißt es vielsagend: „Das kränkliche Knabengesicht verzog sich, … Weiterlesen

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Zum Tod des Malers Norbert Tadeusz

Der 1940 in Dortmund geborene Maler Norbert Tadeusz ist tot. Der Schüler von Gerhard Hoehme und Meisterschüler von Joseph Beuys ist am Montag in seinem Düsseldorfer Atelier gestorben. Tadeusz besuchte anfangs die Dortmunder Werkkunstschule, studierte von 1961-1965 an der Düsseldorfer Kunstakademie, wo er später (1981-1988) als Professor wirkte. Um eine ungefähre Vorstellung von seiner Kunst zu geben, hier ein Rückblick auf seine letzte größere Ausstellung im Ruhrgebiet, die 2009 im Museum Bochum zu sehen war:

Dem Werk von Norbert Tadeusz kann man sich von vielen Seiten her nähern. Wollte man den physischen Zugang betonen, so würde man sich wohl bevorzugt seinen Fleisch-Bildern widmen. Deren immer wieder obsessiv durchmessene Bandbreite reicht vom prall ausgekosteten Frauenakt bis zum tierischen Kadaver im Schlachthaus. … Weiterlesen

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Soziale Miniaturen (9): Pornosammler

Sein Spitzname klingt so ähnlich wie „platsch!“ Als würde da jemand steinschwer ins Wasser plumpsen. Unrettbar und doch irgendwie brunzlustig.

Einem wie ihm gibt man früher oder später einen solchen Spitznamen. Er gehört zu jenen, die wohl nie mit einer Frau leben werden. Schwul ist er wahrscheinlich nicht, sondern ein manischer Onanist. Ein bekennender. Nein, ein herausprustender.

Mag sein, dass man ihn früher einen „Hagestolz“ genannt hätte. Obwohl man sich einen solchen eher mager und ausgedörrt vorstellt. Er hingegen ist füllig, früh aus jeder Form geraten. Wie wird er altern? Wie ist er als Kind gewesen?

Es ist schon einige Jahre her. Lange bevor das Internet in alle Öffnungen eingedrungen ist, hat er eine Sammlung von Pornoheften und Filmchen aufgehäuft … Weiterlesen

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Max Pechstein: Verlorenes Paradies

Max Pechstein "Selbstbildnis mit Hut und Pfeife", 1918 (Kunsthaus Zürich/Copyright: Pechstein - Hamburg/Tökendorf)

Max Pechstein "Selbstbildnis mit Hut und Pfeife", 1918 (Kunsthaus Zürich/Copyright: Pechstein - Hamburg/Tökendorf)

Das ursprüngliche Leben – wer hätte es nicht zuweilen im Sinn? Etliche Vor- und Wunsch-Bilder des „Zurück zur Natur“ lassen sich im deutschen Expressionismus finden, beispielsweise bei Max Pechstein (1881-1955). Ihm widmet jetzt das zwischen Ruhrgebiet und Münsterland gelegene Kunstmuseum Ahlen eine Retrospektive mit 140 Exponaten.

Sowohl finanziell (erkleckliche Versicherungssummen) als auch räumlich ist man bis an die Grenzen gegangen. Selbst in Treppenhaus-Winkeln hängen noch Bilder, entgegen einer puristischen Lehre der Präsentation. Doch man kann den Antrieb des Museumsleiters Burkhard Leismann verstehen, der auch einige Raritäten aufbietet: Dies dürfte für lange Zeit die letzte Gelegenheit zu einer weiter ausgreifenden Werkschau sein, welche auch Gebrauchskunst (Schmuck, Buchillustrationen, Speisekarten … Weiterlesen

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Soziale Miniaturen (8): Geschlossene Abteilung

Sie haben J. in die „Geschlossene“ eingewiesen, denn er ist mehrmals aus dem Altenheim geflüchtet. Die Polizei musste ihn jeweils einfangen. Wie schnell dann solch eine Einweisung geht.

Er gehört hier ganz offenkundig nicht hin. Ringsherum die schweren „Fälle“, stundenlang in endlos wiederholten Bewegungen kreisend. Ob ihnen noch zu helfen wäre? Das übersteigt nicht nur den Laienverstand.

Mit J. ist man schlichtweg „nicht fertig geworden“, wie es schon bei widerspenstigen Kindern heißt. Er beharrt auf seinen Rechten. Er will hier raus. Er schreibt Briefe an Behörden, „Eingaben“, mit sorgfältig ausgeschnittenen Pressezitaten gespickt. Er droht, dem „Focus“ das brisante Material zuzuspielen. Manchmal redet er krauses Zeug, das sich nicht erschließt, doch dann ist er wieder ganz und gar zugänglich und zugewandt. … Weiterlesen

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Gsellas Schmähgedichte: Jede Stadt ist fürchterlich

Da haben wir also das nächste Listen-Buch: Stichwörter anhäufen, launig assoziieren, alphabetisch abhaken – und fertig. Nach dem Muster entstehen mittlerweile nennenswerte Anteile des Buchmarkts. Doch hier verhält es sich etwas anders.

Der geübte Reimschmied Thomas Gsella, vormals schon mal Chefredakteur des Satireblatts „Titanic“, hat sich über weite Strecken Mühe gegeben, um in seinen Versen Städte zu schmähen, zu besudeln, zu beleidigen und in den Orkus verdienten Vergessen hinabzustoßen, aus dem sie möglichst nie wieder auftauchen sollen. Die kleine Gedichtsammlung ist aus einer Gsella-Kolumne bei Spiegel online hervorgegangen.

Nun gut, zu München („stinkt“), Hannover („Am katastrophsten und saudoph“) und ein paar anderen Kommunen ist Gsella praktisch nichts eingefallen, was er freilich allemal durch Unverfrorenheit wettmacht. Doch es finden sich etliche … Weiterlesen

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