Archiv der Kategorie: Alltag

Was soll das?

Man fragt sich das im Straßenverkehr, im Garten,

am Herd, an der Theke, vorm Fernseher,

im Bett, an der Tastatur, bei H&M,

in der Badewanne, im Café, an der Ampel…

Immer fragt man sich: was soll das?

Man liest die Zeitung: was soll das?

Man bohrt in der Nase: was soll das?

Zweifellos suchen wir nach Erklärung, manchmal nach Sinn.

Das kann man auch Bestandschutz nennen.

In einer dynamisierten Welt sehnen wir uns nach Schutz.

Wir zweifeln, ob wir das Tempo mithalten können…

Alles geht so rasant.

Das Diktat der Rasanz.

Wir hecheln hinterher, bitten um Zeit, bitten um Gnade.

Aber es gibt keine Gnade, sagt man uns.

Wir seien auf dem freien Markt und hätten den Richtlinien zu folgen.… Weiterlesen

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Und ewig grüßt das Facebook-Tier

Es ist Morgen.

Computerlogdaten: Web 0, 17690

Langgezogene Breitengrade. Rotweinreste im System.

Schwerkraft beträchtlich.

Die Vögel pfeifen trotzdem.

Zur Untermalung, prasselnder Regen.

Auf Facebook gibts  quasselnden Regen.

Da trommelts auf die Festplatte.

Manchmal fühlt man sich wie Spock.

Vulkanisiert.

Da geht nichts mehr durch.

Man ist dicht.

Eine gummierte Haut schottet einen ab.

Was hat man mit der Welt zu tun?

Welche Welt überhaupt?

Man spricht so leicht von Welt.

Als ob man wüsste, was das sei.

Man gibt sogar vor zu wissen,

was das ist.

„Die Welt zu Gast bei Freunden“ – hieß das nicht so?

Das wäre eng geworden.

Weltfußballer. Weltmeister. Weltbaumeister. Weltschriftsteller.

Welthausfrau. Weltpolitiker. Weltbademeister…

Wir sind getitelt.

Wir sind sowas von getitelt, dass uns manchmal etwas … Weiterlesen

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Soziale Miniaturen (5): Eheliche Lektionen

Sprachkursus bei der VHS. Auch ein Ehepaar im fortgeschrittenen Alter nimmt teil. Sie ist Studienrätin für eine Sprache, die der hier zu lernenden eng verwandt ist. Sie bewegt sich also stets vornan – mit kaum verhohlener, mühsam gebändigter, nur deshalb nicht offen triumphaler Gebärde. Ihre gelebten Jahre sucht sie derweil mit aufgesetzter Jungmädchenhaftigkeit zu überspielen. Es wirkt nicht sonderlich würdig.

Ihr Mann ist Physik-Professor, von spürbar anderer Wesensart als sie. Ein spröder Geselle. Er hat sich offenbar widerwillig „mitschleppen“ lassen. Dementsprechend mürrisch quält er sich durch die Lektionen. Macht er einen Fehler, so kommt die Kursleiterin gar nicht dazu, ihn zu korrigieren. Dafür fühlt sich seine Frau zuständig, die schon auf der Lauer liegt und ihn entweder vernehmlich anzischelt oder … Weiterlesen

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Spieglein

Spieglein, Spieglein an der Wand, oh Schreck, man hat sich selbst erkannt

 

 

 

 

 

 

Foto: by Stefan Dernbach… Weiterlesen

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Schubladen

Schublade auf, Schublade zu.

Nochmal auf, gucken, und wieder zu.

Kompaktes Format.

Sehr überschaubar.

Das gibt Sicherheit.

Noch ein paar Nägel in die Rahmung.

Man weiß ja nie was kommt.

Aber man weiß, was sich in der Schublade befindet.

Das weiß man.

In der Schublade liegt das Vermächtnis.

Man hat uns etwas vermacht,

oftmals völlig ungefragt.

Eine Gabe.

Milde Gabe, lustige Gabe, langweilige Gabe, ärgerliche Gabe, liebevolle Gabe …

Alles in die Schublade …

Dort gibt es Fächer wie in Besteckkästen.

Für das Süße, gibt es Kuchengabeln. Kleine Gäbelchen.

Die Messer liegen rechts, damit kann geschnitten, wenn nötig getötet werden.

Aber meistens schaut man auf die Löffel.

Schublade auf, Schublade zu.

Die Teller sind nicht besonders groß,

aber dennoch fällt … Weiterlesen

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Soziale Miniaturen (4): Sandburg

Ein zweijähriges Mädchen am Inselstrand. Selbstvergessenes Spiel. Die Eltern müssen nur zuschauen.

Da erscheinen zwei Gymnasialklassen (man bemerkt sofort den Mittelschichts-Habitus), sechstes und siebtes Schuljahr. Die Phase, in der es zu „knistern“ beginnt. Mindestens.

Zunächst die Mädchen. Eine von ihnen kümmert sich sogleich rührend um das Kleinkind, baut eine Sandburg mit ihm. Ganz aus freien Stücken. Ganz geduldig. Die anderen schauen interessiert hin, freilich mehr oder weniger verstohlen; manche vielleicht auch mit dem Vorbehalt, ob das denn „cool genug“ sei. Die eine, sozusagen Pionierin, macht unverdrossen weiter – und bricht alsbald den Bann. Ein ums andere Mädchen schließt sich dem Spiel an, bis schließlich ein ganzer Kreis beisammen ist, alle um das Kleinkind geschart, das beglückt lacht.

Von der so … Weiterlesen

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Soziale Miniaturen (3): Profis

Vierköpfige Schülergruppe, nachmittags. Ungefähr 9 bis 10 Jahre alt. Plötzlich entfährt dreien von ihnen der gegen den Vierten gewendete Ruf: „Loser!“ Tadellos ausgesprochen, geradezu mit Kennerschaft dahingesagt. Man merkt die medial vermittelte Gewohnheit. Sagt man so. Macht man halt. Kommt in jedem dritten „Tatort“ vor. Anlass zweitrangig. Und sie kennen noch ganz andere Worte…

Dann die unvermeidliche und doch erstaunliche Steigerung: Die Drei skandieren „Mob-bing, Mob-bing, Mob-bing…“ Sie ironisieren es und lassen es doch nicht bleiben. Sie mobben sozusagen auf höherer Ebene, laut und schmutzig – und stehen zugleich drüber, sind abgebrühte Profis.

Zutiefst dümmlich und zugleich hochreflektiert.

Doch, das geht. Anything goes.… Weiterlesen

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Thanks for your company, Bobby

Keine Ahnung, wann es war, aber ich war ganz sicher ein Jüngelchen, da trällerte ich auf dem Schulweg, so etwa in Höhe der Kreuzung Lindemannstraße/Kreuzstraße in Dortmund „Like a rollin‘ stone“ – hatte ich nächtens gehört, via Transistorradio. Keine Ahnung wer da sang, aber es ging widerstandslos ein und blieb in Erinnerung.

Ehrfürchtig meinte mein damaliger Schulfreund, der mich wie jeden Morgen begleitete: „Ah, Bob Dylan …“ Und ich tat so, als wüsste ich, wer das ist. Wenig später wusste ich es, wusste ich, wer dieser Robert Allen Zimmermann war, der sich (man weiß nie, ob man ihm wirklich glauben darf, oder er einen schlicht auf den Arm nimmt), der sich also nach Marshall Matt Dillon nannte, weil ihm die … Weiterlesen

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Was hättest Du getan?

Melanie Lüninghöner und Liam Adler in "Waisen". Foto: Birgit Hupfeld

Melanie Lüninghöner und Liam Adler in "Waisen" Foto: Birgit Hupfeld

Ein Stück „über das, was hier und jetzt passiert“ und über das, „woran man glaubt“ wollte der britische Dramatiker Dennis Kelly schreiben – und hat mit „Waisen“ tief in das Herz unserer Gesellschaft geschossen. Schauspieldirektor Kay Voges positioniert seine Inszenierung im ehemaligen Gebäude des Ostwallmuseums und rückt sie so atemlos nah an uns heran.

Im ersten Moment fühlt man sich wie bei einer Vernissage: Videos von Daniel Hengst zeigen Szenen der Stadt, interessiert beschaut von den Besuchern, die durch die wohlbekannten Museumsräume wandeln. Die Holzbox im Lichthof wirkt da fast wie ein Störfaktor, eine Black Box, in die sich doch nach und nach alle hineinbegeben. Um den eigenen Monstern hallo … Weiterlesen

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Soziale Miniaturen (2): Kontoauszug

Ein stilecht abgewrackter Punk schlurft daher, heftig tätowiert, flächendeckend gepierct. Wie es das Klischee verlangt.

Auf seinem rissigen Shirt prangt die Aufschrift „Ihr seid alle ätzend!“ Hasserfüllt die ganze Haltung, jeder Blick Abwehr und Angriff. Oh, der hat Schluss gemacht mit allen Übereinkünften. Der ist sternenweit entfernt von jedem Spießertum, von jeder Normalität. Fast könnte man ihn beneiden.

Doch was tut er jetzt? Er nestelt aus dem abgewetzten Rucksack seine EC-Karte der Volksbank hervor, verschafft sich routiniert Zutritt zum Raum mit den Geldautomaten seines Vertrauens. Zieht alsdann noch die Kontoauszüge, damit das gleichfalls seine Ordnung hat. Gewiefte Marketing-Strategen könnten mit ihm ein Filmchen drehen und so für die allseits tolerante Bank werben. Man will nicht wissen, über wie viel Geld … Weiterlesen

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Gütige Diktatur

Der und jene könnten Anwandlungen haben. Sie könnten sich wünschen, eine „gütige Diktatur“ zu errichten. Dann würde vieles geradezu hingebungs- und liebevoll verboten, ja das Ungefüge würde gleichsam zärtlich von der Erde weggestreichelt.

Wohlig ließe man sich treiben zwischen zeitweiligem Überdruss und bleibendem Widerwillen gegen Dinge und Worte. Wachsende Verbotslust. Anschwellende Verfügungslaunen.

Nun aber frisch begonnen:

Internet? Schluss mit dem infantilen Quatsch. Fernsehen? Ab dafür! Mobiltelefonie? Weg damit. Schleunigst. Keine Leute mehr mit Headsets, die vor sich hin palavern und den Anschein erwecken, als führten sie wirre Selbstgespräche. Ist doch peinlich.

Stracks kommen nun die so genannten SUVs an die Reihe. Diese gewaltförmigen „Spaß“-Tonnagen mit gefühlten tausend PS. Alltagskriegsgeräte, Macht-Maschinen. Ab zum Schrottplatz, wo sie alle sinnvoll zu Granulat zermahlen … Weiterlesen

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Absurditäten des Alltags

Manche Tage beginnen mit einer Ansammlung von Skurrilitäten.

Es fing schon am Kiosk an. Auf die Frage „Haben Sie auch einen Spiegel?“ sah mich die Verkäuferin derart entgeistert an, dass ich schnell hinzufügte „Also, ich meine, die Zeitschrift.“ Da jauchzte die Frau, kriegte sich kaum noch ein und japste „Danke für den besten Witz des Morgens.“

Am Bahnhof dann stand und saß eine Klasse schwer pubertierender Jugendlicher auf dem Weg zu einem Schulausflug, mitsamt einer um Ordnung bemühten Lehrerin. Nach und nach rief sie die Schüler zu sich, um ihre Handynummern abzufragen. Zwischendurch die Durchsage, dass ein Zug ausfällt.

„Frau …, der Zug fällt aus.“ „Ja, aber wir nehmen den nächsten.“ „Tiiiiiiimmmm, kommst Du mal!“ Ein Junge schlurft herbei und … Weiterlesen

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Soziale Miniaturen (1): An der Kasse

Die Frau, wahrscheinlich in den Fünfzigern, ist vielleicht ein wenig verhuscht, aber überhaupt nicht verwahrlost. Sie hält noch etwas auf sich, wenn auch nicht mehr so viel wie ehedem. Sie ist auf unscheinbare, gläsern verletzliche Art adrett. Es ist, als stünde sie auf papierenen Füßen. Sie lebt allein, so viel scheint gewiss.

Sie steht an der Kasse. Bevor sie an die Reihe kommt, sortiert sie ihren bescheidenen Einkauf auf dem Laufband sehr sorgfältig um und um. Geradezu liebevoll. Unsinnig liebevoll.

Der Kassierer tippt die Beträge ein und drückt die Additionstaste. 19 Euro und… Mit Mühe kratzt sie knapp 16 Euro zusammen. Ihr hilfloser Blick.

Dieser Kassierer, ein massiver Mensch, schlägt vor: „Was brauchen Sie denn nicht so dringend? Dann lassen … Weiterlesen

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Erfüllter Wunsch

So ist das vielleicht mit allen erfüllten Wünschen: Auf einmal fehlt der ganz große Glanz, der schon seine funkelnden Vorboten ausgesandt hatte und den man sich vorher aus der Ferne erhofft hatte.

Nicht, dass nun alles schal schmeckte. Doch man muss von den ersehnten 100 Prozent etwas abziehen. Wieder mal keine Apotheose. Die Vorlust war abermals größer als die die Erfüllung.

Wer wird denn da an Erotik denken?

Es sei dargetan am banalen Beispiel: Gesetzt den Fall, man hätte die ganze Saison über, Spiel für Spiel, mit einem Fußballverein gefiebert (nennen wir ihn mal probehalber Borussia Dortmund), und der würde am Ende tatsächlich obsiegen, so wird sich in alle Freude etwas ernüchternd Prosaisches mengen. Kann es sein, dass viele just … Weiterlesen

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Der Name des Werkzeugs

(Möchtegern)-Intellektuelle halten sich etwas zugute – auf einen gewissen Wortschatz, auf ein hie und da, ja möglichst universell geschmeidig anwendbares, halbwegs hochgeschraubtes Reflexionsniveau nebst anhängendem Zynismus, der schon mal gar nichts gelten lässt. Und dann heißt es noch, die daraus resultierende Eitelkeit zu kaschieren. Eine Heidenarbeit, nicht immer von Nutzen gekrönt.

Solchen Leuten fehlt doch was?

Nein, nein, diesmal gibt’s keine Glaubenspredigt. Auch Hoffnung und Liebe wollen wir hier nicht aufrufen.

Aber denen, die mit Sprache zu schaffen haben, mangelt es beispielsweise oft am mathematischen, technischen und naturwissenschaftlichen Rüstzeug. Ein alter Hut, doch immer noch der Rede wert. Man schlage bei Hans Magnus Enzensberger nach, der immer wieder auf dieses Thema zurückgekommen ist und die Ignoranz der Geisteswissenschaftler gescholten hat.… Weiterlesen

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Der Tod des Margarine-Mädchens

Seit kurzem ist sie nicht mehr da. Sie hat uns wohl für immer verlassen;  eine Gestalt, die das deutsche Alltagsleben durch viele Jahrzehnte recht unscheinbar, doch stetig begleitet hat: das „Rama-Mädchen“.

Auf Schachteln, Bechern und Einwickelfolien war sie (in einer zunehmend stilisierten Tracht) all die Jahre treulich und sittsam zugegen. Ihr Erscheinungsbild hatte sich mit der Zeit gewandelt, aber man hat sie immer gleich wiedererkannt.

Doch die Hersteller der Margarine (Konzern Unilever) haben sich nun mal entschieden, der Marke ein völlig anderes Design beizumessen. Dafür haben sie ihre „Ikone“ geopfert, die – wie man nun gleichsam posthum erfährt – sogar einen Namen hatte, nämlich Jule. So hat das Seufzen der Nostalgiker wenigstens eine benennbare Adressatin: „Ach, Jule, kehr zurück!“ Doch … Weiterlesen

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Zurück zum Körper

Immer raffiniertere Techniken haben unser Leben entsinnlicht, so dass sich das Bedürfnis einstellt, verlorene Körperlichkeit wiederzugewinnen. Das ist ein Grundgedanke, der den Literaturwissenschaftler Hans Ulrich Gumbrecht umtreibt – und beileibe nicht nur ihn.

Der in Würzburg geborene Gumbrecht (Jahrgang 1948) war bereits mit 26 Jahren Professor in Bochum, wechselte dann an die Uni Siegen, lehrt seit 1989 an der Stanford University (Kalifornien/USA) und gilt als einer der einflussreichsten Geisteswissenschaftler deutscher Herkunft. Geographisch, biographisch und thematisch hat er einen weiten Horizont. Beispielsweise hat er schon früh (bevor es intellektuelle Mode geworden ist) auch Phänomene des Sports in den Blick gefasst.

Im neuen Aufsatzband „Unsere breite Gegenwart“ verfolgt er Spuren einer noch ausführlich zu schreibenden Geschichte der Körperlichkeit. Ein schmales Buch, doch … Weiterlesen

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Ergiebige Heimatkunde

Das glauben vielleicht viele zu können: „Einfach“ über einen seltsamen Verwandten schreiben, dessen Dasein einem auf der Seele liegt. Aber wehe, wenn man es versucht. Dann kommt in den seltensten Fällen Literatur dabei heraus.

Umso höher ist dieser Schriftsteller einzuschätzen: Andreas Maier (Jahrgang 1967, Romanerfolg „Wäldchestag“) erinnert sich in „Das Zimmer“ eingehend an seinen „Onkel J.“ Dieser nur mit dem Initial benannte Mensch war geistig zurückgeblieben, nach seinerzeit landläufigen Maßstäben also ein „Idiot“. Doch sein nahezu unbemerkt und folgenlos verstrichenes Leben war, so wie Maier davon berichtet, durchaus bemerkenswert.

Zum einen verblieb Onkel J., trotz (vornehmlich nach innen gekehrter) aggressiver Anwandlungen, im nahezu kindlich-naiven Stande der Unschuld, zum anderen brachte er ungewollt einige Wesenszüge der Wetterau auf den (weitgehend wortlosen) … Weiterlesen

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Chatroulette: Menschen wegklicken

Immer wieder neue Hypes im Netz. Und welche Sau wird jetzt gerade durchs globale Dorf getrieben? Nun, ein angeblich ganz dickes Ding dieser Tage und Wochen sind „Chatroulette“-Angebote, bei denen Bilder, Töne und Texte in Echtzeit ausgetauscht werden. Es soll Leute geben, die süchtig danach sind. ABC News zitiert eine US-Studentin: „I think it’s a little creepy. And I can’t stand away.“ Ein bisschen gruselig und dennoch unwiderstehlich also?

Seiten dieses Zuschnitts sind an der Benutzer-Oberfläche sehr simpel und locken mit ausgesprochen laxen Bedingungen: völlig anonyme Teilnahme am weltweiten Video-Chat, keine Passwörter, Alterskontrollen, besondere Pflichten, Spielregeln oder sonstige Barrieren. Kein Wunder, dass sich angesichts solcher Vorgaben auch ungemein viele arme Würstchen (wahlweise „arme Teufel“), Spinner und Idioten mehr oder weniger … Weiterlesen

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„Jugendroman“: Stoff des Lebens

Hat der Mann ein beneidenswertes Gedächtnis, oder hat er schon als Kind und Jugendlicher fleißig Tagebuch geführt und wertet dies nun ausgiebig aus?

Nach seinem „Kindheitsroman“ (2004) legt Gerhard Henschel jetzt ganz folgerichtig den „Jugendroman“ vor. Und wieder enthalten die Erinnerungen enorm viel Zeitkolorit. Ja, es ist, als würden jene früheren Jahre mitsamt den längst vergangenen Tagesnachrichten derart detailtreu herangezoomt, bis sie fast wieder „eins zu eins“ vor uns erstehen. So banal und wiederholungsträchtig manche Passagen im einzelnen klingen mögen (so ist der Alltag eben), auf Dauer ergibt sich ein Sog, dem man sich schwerlich entziehen kann.

Diesmal führt der Erzähler Martin Schlosser, der mit dem Autor innig verwandt, wenn nicht identisch ist, sich und uns zurück in die Jahre … Weiterlesen

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Wunder mit Widerhaken – F. C. Delius‘ Roman zur Erfindung des Computers

US-Amerikaner rühmen sich der Erfindung des Computers, doch irgendwann haben sie anerkannt, dass einst ein Deutscher die kreative Vorhut bildete: Konrad Zuse (1910-1995).

Stoff genug für Phantasien mit realistischer Sättigungsbeilage. Jetzt liegt ein Roman über Zuses Leben vor – verfasst vom vielfach bewährten Friedrich Christian Delius, der etwa auch schon das fußballerische „Wunder von Bern“ zum literarischen Spielfeld erkoren hat („Der Sonntag, an dem ich Weltmeister wurde“, 1994).

Der Titel des neuen Buches klingt artverwandt und beschwört ebenfalls „Wunder“ herauf: „Die Frau, für die ich den Computer erfand“ geht von der Fiktion aus, dass eben jener Konrad Zuse anno 1994 einen öden Braunschweiger Festakt zu seinen Ehren „schwänzt“ und statt dessen einem Journalisten zwölf Stunden lang (!) Bekenntnisse auf Band … Weiterlesen

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Kleine Fluchten mit Faltboot

Zusammengelegt passt das Faltboot in einen mittelgroßen Rucksack. Mit ein wenig Geschick ist es in etwa 20 Minuten gebrauchsfertig montiert, der Rekord wurde bei einem Aufbau-Wettbewerb mit 6 Minuten gestoppt.

In den 1930er und den 1950er Jahren rief das Sportgerät wahre Massen-Bewegungen hervor. Es ermöglichte die „kleinen Fluchten“ an den damals noch kurzen Wochenenden – ein frühes Signal für die gerade erst als solche wahrgenommene und gestaltete Freizeit. Ohne diese Boote hätte sich auch das Campingwesen nicht so rasant entwickelt. Wenn man den ganzen Tag gepaddelt hatte, wollte man abends entlang der Wasserläufe übernachten. Also mussten Zelte und Zubehör mit ins Gepäck.

Das Herner Emschertal-Museum präsentiert jetzt im Schloss Strünkede Ausstellung rund um das populäre Wasserfahrzeug. Motto ist die einst … Weiterlesen

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Im Billiggetümmel der Vorstädte – Wilhelm Genazinos Roman „Das Glück ins glücksfernen Zeiten“

Gerhard Warlich hat einst Philosophie studiert. Brotlose Weisheit, wie sich sehr bald zeigte. Irgendwann verdingte er sich als Auslieferungsfahrer einer Großwäscherei. Jetzt ist er dort seit vielen Jahren Geschäftsführer. Immerhin. Aber ist der 41-Jährige auch glücklich?

Diese schwierige, vielfältige Frage wird im neuen Roman von Wilhelm Genazino genauestens durchbuchstabiert. Der Ich-Erzähler mit dem sprechenden Namen Warlich sucht „Das Glück in glücksfernen Zeiten” (Titel), doch er verzagt immer wieder.

Er führt ein Leben auf Beobachter-Posten und nimmt Alltags-Ereignisse bis in die letzten Verästelungen wahr – wie es Genazinos Streuner und Flaneure seit jeher tun. Dabei verstrickt er sich in ziellosen inneren Aufruhr, den er mit einer „Schule der Besänftigung” ruhigstellen möchte – ein rätselhaftes Vorhaben, das er seinen Mitmenschen kaum vermitteln … Weiterlesen

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„Payback“: Das Leben besteht aus Schuld und Schulden – Margaret Atwood denkt über Tage der Abrechnung nach

Auf den ersten Blick scheint es ein Buch der Stunde zu sein. Unter dem Titel „Payback” (Rückzahlung) befasst sich die weltweit prominente kanadische Autorin Margaret Atwood mit Krediten, Zinswucher, Schuldnern und Gläubigern. Erste Ausläufer der jetzigen Wirtschaftskrise spielen schon mit hinein.

Doch Atwood bedient offenkundig keine kurzatmige Aktualität, sondern bereitet ihr Thema gründlich auf. Sie beginnt nicht etwa erst bei Adam und Eva, sondern setzt viel früher an: in den unvordenklichen Urzeiten der Evolution, in denen unser genetisches Erbe entstanden ist.

Daraus erwächst eine Kernthese. Die Idee eines gerechten Gleichgewichts zwischen Schuld(en) und Abzahlung sei tief in uns eingesenkt, sie habe sich – in wechselnden Formen – durch alle Epochen und Kulturen erhalten. Sprich: Wir ernten irgendwann, was wir gesät … Weiterlesen

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Im Spiel findet der Mensch sich selbst – nachgefragt beim Dortmunder Spieleforscher Rainer Korte

Dortmund. Klingt beneidenswert: Der Sozialwissenschaftler Professor Rainer Korte von der Dortmunder Fachhochschule befasst sich beruflich mit Spielen. Seit 25 Jahren leitet er die bundesweit einzigartige „Arbeitsstelle für Spielforschung und Freizeitberatung”.

Weihnachten ist die Spiele-Zeit des Jahres schlechthin. Was also sagt der Freizeitberater: Sollen wir zu Heiligabend und an den Feiertagen in gemütlicher Runde etwa aufs Brettspiel zurückkommen? Wird das unseren ersehnten Familienfrieden befördern und den beteiligten Menschen ein Wohlgefallen sein?

Professor Rainer Korte (64) ist sich da gar nicht so sicher. Die Erwartungen seien an solchen Tagen oft zu hoch gespannt. Alle sollen mit dem Stand der Beziehungen, mit Speis und Trank sowie ihren Geschenken rundum froh und zufrieden sein. Möglichst soll auch noch Schnee liegen. Oje.

„In solchen Fällen … Weiterlesen

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Hochzeitskultur im deutsch-türkischen Vergleich – die Dortmunder Ausstellung „Evet – Ja, ich will!“

Dortmund. Alte Erfahrung derer, die im größeren Rahmen geheiratet haben: Als Braut oder Bräutigam bekommt man vor lauter Stress von Einzelheiten des Festes wenig mit. Wie passend also, dass einen nun die Dortmunder Hochzeits-Schau „Evet – Ja, ich will!” glücklich verwirrt.

Im Museum für Kunst und Kulturgeschichte (MKK) geht’s nämlich abwechselnd munter vorwärts und rückwärts in der historischen Zeit, außerdem hin und her zwischen der Türkei und Deutschland, zwischen Stadt und Land. Oft darf man rätseln, von wo und wann einzelne Exponate stammen.

Kleider, Kleider und nochmals Kleider

Da heißt es eben: ausgiebig die Beschriftungen lesen oder sich mit dem Katalog ausrüsten. Alles ist zweisprachig (deutsch/türkisch) in dieser Ausstellung, die einen Dialog zwischen den Kulturen stiften soll. Und was würde … Weiterlesen

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Macht uns das Internet dumm?

Nicht nur in Internet-Debatten macht derzeit ein Beitrag Furore, der sich grundsätzlich mit den Folgen des Netzes befasst. Der US-Autor Nicholas Carr fragt im Magazin „Atlantic Monthly”: „Is Google Making us Stupid?” Übersetzt: Macht uns Google dumm? Gemeint ist viel mehr als die Suchmaschine, nämlich die gesamte (Online)-Kultur.

Aber kann man hier überhaupt noch von Kultur im herkömmlichen Sinne reden? Carr kommt nämlich zu einem Befund, der inzwischen die allermeisten Menschen betrifft: Das Internet gewöhne uns immer mehr an raschen, ja rasenden Informations-Konsum in Häppchen-Form. Man klickt sich hierhin und dorthin, nimmt alles nur wie im Fluge wahr – und verliert dabei Stück für Stück die traditionelle Lesefähigkeit.

Klicken vermindert die Lesefähigkeit

Carr schildert eigene Erfahrungen und die seines durchaus … Weiterlesen

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Rechtschreibreform: Blick zurück im Zorn

Hohenlimburg. Die Rechtschreibreform? Ist doch wohl eine weitgehend erledigte Sache. Man ereifert sich nicht mehr so sehr. Doch es herrscht keineswegs Zufriedenheit. Den in Hohenlimburg lebenden Professor Hermann Zabel lässt das Thema erst recht nicht los. Er hat sich über Jahrzehnte eingehend damit befasst. Die Reform ist ein Teil seines Lebenswerks.

Ab 1980 gehörte Zabel (Jahrgang 1935) der hochoffiziellen Kommission für Rechtschreibfragen an, die das umstrittene Reformpaket schnürte. Auch saß er im Internationalen Arbeitskreis für Orthographie. Seit fast einem Jahr gelten die Beschlüsse, verbindlich zumal in Schulen und Behörden. Ist also alles schön und gut? Lehnen sich wenigstens die Verfechter der Reform beruhigt zurück?

Gelehrtenstreit ging oft unter die Gürtellinie Weit gefehlt. Es ist eher ein Blick zurück im Zorn: … Weiterlesen

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Die Welt besteht aus Zahlen – eine anregende Ausstellung in Paderborn

Paderborn. „Am Anfang war das Wort”. Wirklich? An dem biblischen Satz könnte man zweifeln, wenn man diese Ausstellung gesehen hat: „Zahlen, bitte!” zeigt unsere Welt als Ansammlung berechenbarer Verhältnisse. Wie schon der alte Grieche Pythagoras gesagt haben soll: „Die Zahl ist das Wesen aller Dinge.”

Viele kokettieren ja gern mit ihrer Unkenntnis auf diesem Felde: „In Mathe war ich immer schlecht!” Doch 2008 ist nun mal hochoffiziell zum „Jahr der Mathematik” ausgerufen worden. Und nicht nur der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger mahnt seit längerem, diesen Teil der Kultur bloß nicht zu vernachlässigen. Also ist tätige Reue fällig: Auf nach Paderborn, auf ins Heinz Nixdorf Museum!

Da merkt man rasch: Was immer uns ästhetisch erfreut, hat letztlich mit Zahlen zu tun. … Weiterlesen

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Was die Kultur dem Schaf verdankt

Vreden/Münsterland. Ausstellungen kann man über alles und jedes machen, wenn man nur die richtigen Belegstücke hat. Warum also nicht mal die Schafe als Figuren der Kulturgeschichte betrachten? Aber mäh!

Das volkskundlich orientierte Hamaland-Museum im münsterländischen Örtchen Vreden (bei Borken) liegt in einer Landschaft, in der früher vielfach Schafzucht betrieben wurde. Heute beschränkt sich das Gewerbe fast nur noch auf touristische Streichelangebote.

Mit der einschlägigen Redensart „Bring dein Schäfchen ins Trockene” hatte das Museum die Bevölkerung aufgefordert, Schafe in jeder Form zeitweise zu stiften. Die versammelten Niedlichkeiten (aus Stoff, Holz, Plastik usw.) füllen nun gleich mehrere Vitrinen. Und es lässt sich nicht leugnen, dass die Tierchen es dort trocken haben.

Von der Bibel bis zum Krimi

Überhaupt die Redewendungen: Der sprichwörtliche … Weiterlesen

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Silvester und der Alkohol

„In Sachen Alkohol ist Silvester eindeutig der gefährlichste Tag des Jahres.” Das sagt einer, der es wissen muss. Der Bottroper Peter Kruck hat sich tief ins Thema versenkt. Er ist Autor des Standardwerks mit dem glasklaren Titel „Alcohol”.

Am letzten Tag des Jahres sind Sekt, Wein, Bier und Konsorten so selbstverständlich wie sonst nie. „Da feiert man den ersten Tag vom Rest seines Lebens intensiver als sonst”, weiß Kruck (42). Auch werden womöglich negative persönliche Jahresbilanzen „ertränkt”. Andentags folgt unweigerlich der Neujahrskater.

Und noch eine Besonderheit zu Silvester: „Es wird zunächst oft nicht einfach drauflos getrunken, sondern eher mit Maß und Ziel – schließlich will man gegen Mitternacht noch die Uhr im Blick behalten.” Aber dann…

Gut möglich, dass Relikte … Weiterlesen

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Die Kultur des Rauchens schwindet

Tja, Leute, bald ist es so weit. Dann darf man an vielen, vielen Orten nicht mehr ungestraft rauchen. NRW-Gaststätten werden ab 1. Januar 2008 vermutlich fast durchweg zur qualmfreien Zone, bei der Bahn ist ab 1. September auch in Fernzügen Sense. Das bedeutet auch, dass eine Kulturepoche verrinnt. Pflichtschuldiger Hinweis: Dieser Zeitungsartikel wird Ihrer Gesundheit nicht schaden!

Die europäische Ära des gekräuselten blauen Dunstes hat im Prinzip mit Kolumbus begonnen, in dessen Gefolge das von Anfang an umstrittene Tabakszeug aus der „Neuen Welt” zu uns kam. Es gab Zeiten, in denen manche Ärzte das Laster sogar als gesund einstuften. Doch früh wurde es auch als „Saufen des Nebels” geschmäht. Goethe war strikt dagegen, Hitler auch. Aber was besagt das schon?… Weiterlesen

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Wo Kummer sich auf Nummer reimt

Poesie auf Straßen und Autobahnen? Das muss wohl ein Irrtum sein, denkt man spontan. Doch dann besinnt man sich: Es sind einem – auf Lkw und Lieferwagen – unterwegs doch schon manche muntere Sprüche begegnet. Oder etwa nicht?

Wenn man zu heftig danach Ausschau hält, wird es freilich nichts. Umweltschützer, bitte weghören: Auf der Suche nach poetischen, möglichst sogar gereimten Lkw-Botschaften bin ich eigens von Dortmund nach Arnsberg und Schwerte gefahren – mit recht magerer Ausbeute. Man muss sich eben Zeit lassen und Sätze sammeln. Es könnte ja auch ein (Familien)-Spiel zum Zeitvertreib werden.

Welche Texte sieht man also auf der Autobahn? Nun, allerhand Wegweiser natürlich – und die Nummernschilder der Autos, deren Anspielungsreichtum oft vergnüglich ist – beispielsweise im … Weiterlesen

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Alltägliche Vorfälle in schmerzlicher Nahsicht – Wilhelm Genazinos Roman „Mittelmäßiges Heimweh“

Von Bernd Berke

Dieter Rotmund ist Controller in einer Frankfurter Pharma-Firma. Doch den Vor- und Nachnamen des Finanzexperten erfährt man erst an weit verstreuten Stellen im hinteren Teil des Romans „Mittelmäßiges Heimweh“. Tatsächlich muss die neue Figur des Büchner-Preisträgers Wilhelm Genazino ihre schüttere Identität mühsam behaupten.

Der 43-Jährige lebt, getrennt von Frau und Tochter, in einem lieblos möblierten Appartment und vereinsamt dort zusehends. Buchstäblich mit Controller-Blick streift er in seiner Freizeit durch die Stadt. Das heißt, er registriert das Verhalten seiner Mitmenschen sçhmerzlich genau.

Gleich anfangs verändert ein surrealer Vorfall sein „Leben in wortloser Verdutztheit“: Abends in einer Kneipe verliert er unversehens ein Ohr. Er lässt es liegen. .Später wird er noch einen Zeh vermissen. Einfach so. Beinahe schmerzfrei. Durch … Weiterlesen

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Sons meck Chef

Ob diese Zeilen gelingen? Das wage ich zu bezweifeln. Langsam fürchte ich nämlich, dass ich zu den „Pechvögeln der Woche“ gehöre. Vielleicht sollte ich schnell noch einen Blick ins tägliche WR-Horoskop werfen. Da steht doch tatsächlich unter Steinbock: „Bereits wegen einer Kleinigkeit könnte es Ärger geben.“ Stimmt.

Meine Strähne fing mit einem kostspieligen Auffahrunfall an. Tags darauf gab der Dienst-Computer seinen Geist auf. Wahrscheinlich hat das hundsgemeine Auto ihn dazu angestiftet. Geräte-Verschwörung!

Am Wochenende ging’s unverdrossen zum schwedischen Möbelhaus. Beim Öffnen des Pakets hat mich eine tückische Metallschiene geschnitten. Keine Details. Klar, dass anderntags die EC-Karte nicht mehr am Geldautomaten funktionierte. Wozu braucht man auch den schnöden Mammon? Apropos: Am selben Morgen lag prompt Post vom Finanzamt im Briefkasten. Keine … Weiterlesen

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Navigation oder: Im Alltag schwindet das Abenteuer

Sie waren der absolute „Renner“ – nicht nur im letzten Weihnachtsgeschäft: mobile Navigationsgeräte fürs Auto. Fast 2 Millionen Stück hat die Industrie 2006 in Deutschland abgesetzt. Da fragt sich doch allmählich: Was bedeuten die erstaunlichen Apparate für unsere Alltagskultur?

Es ist ähnlich wie einst mit dem Handy. Als die ersten Leute es benutzten, fand man es affig. Dann hat man sich irgendwann eins zugelegt. Und heute ist kaum noch vorstellbar, wie man früher „ohne“ ausgekommen ist.

Irgendwann gönnt man sich vielleicht auch so ein tragbares „Navi“ und gewöhnt sich sogar an das piefige Kurzwort. Trotzdem ist es ein Kauf mit gemischten Gefühlen. Denn das bedeutet ja, dass man Gewohnheiten aufgibt: Nie mehr während der Fahrt fluchend in Stadtplänen blättern, nie … Weiterlesen

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Bilder aus einer aufgeräumten Welt – Der neue Ikea-Katalog ist da / Nur die Bibel und Harry Potter haben höhere Auflagen

Von Bernd Berke

Bei diesem Druckwerk ist die Multi-Millionenauflage garantiert. Fast alle haben es dieser Tage im Briefkasten. Die einen nennen es den neuen Ikea-Katalog. Für andere ist es auch ein Dokument zur Alltagskultur.

„Lebst du schon?“, ruft einem der diesmal 380 Seiten starke Bilderroman vom Wohnen auf der Titelseite zu. So ist denn auch der Anfangsteil gleichsam der Lebensphilosophie vorbehalten. Kernsatz: „Arbeiten, machen, tun, hierhin hetzen, dahin hetzen – wo ist es geblieben, das herrliche Nur-zu-Hause-Sein im gemütlichen Nest daheim?“ Nachdrückliche Werbe-Prosa mit dem Verstärker-Effekt der variierten Wiederholung: zu Hause, daheim, Nest. „Einfach mal einen Termin sausen lassen“, rät man uns sodann. Alles klar, Chef. Nein, nein, in solchen Fragen hören wir nur bedingt auf Ikea.

Alles wirkt so … Weiterlesen

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Digitales Leben ohne Lustaufschub – Abschied von Fotografie auf Film hat Folgen für die alltägliche Wahrnehmung

Von Bernd Berke

Die Nachricht klingt nüchtern: Der japanische Kamerahersteller Nikon will nur zwei herkömmliche Modelle im Programm behalten. Ansonsten verlegt er sich völlig auf digitale Apparate. Die wirtschaftliche Entscheidung setzt allerdings ein markantes Zeichen der Zeit.

Bei Canon und anderen Firmen wird es über kurz oder lang kaum anders sein. Es erhebt sich die Frage, wie lange es die Fotografie auf Film überhaupt noch gibt. Vielleicht wird sie demnächst eine sündhaft teure Sache für Spezialisten und Freaks.

Jedenfalls lässt sich daran die wachsende Geschwindigkeit in unserem Alltag ermessen. Früher konnte die Spannung, nachdem man einen belichteten Film im Fotoladen abgegeben hatte, über Tage hinweg anschwellen. Dann kamen Schnellentwickler („fertig in einer Stunde“) und Polaroid-Fotos, die noch etwas zögerlich und … Weiterlesen

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Philosophische Suche nach dem Sinn

Bochum. Der Bochumer Gregor Nottebom hat eine ganz besondere „Ich-AG“ gegründet. Der studierte Philosoph versucht Menschen bei der Sinnsuche zu helfen – im direkten Gespräch, telefonisch oder auch via e-Mail und Internet. Gegen Gebühr, versteht sich. Ein Gespräch mit ihm über sein wahrhaft weitläufiges Arbeitsfeld.

Frage: Suchen die Leute das ganze Jahr über bei Ihnen Rat?

Gregor Nottebom: Hochsaison ist jetzt, um Weihnachten herum. Es ist tatsächlich so, wie man es sich vorstellt. Wenn zu Weihnachten viele mal etwas mehr Zeit haben, kommen auch manche Konflikte ans Licht. Und die Sinnfrage stellt sich stets in Konflikt-Situationen.

Wie grenzen Sie sich mit Ihren Ratschlägen vom Psychologen ab?

Nottebom: Meine Klienten sind in der Regel nicht krank oder ernsthaft gestört. Falls doch, … Weiterlesen

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Überbleibsel der erlebten Geschichte – Essener Ausstellung „Maikäfer flieg…“ über Kindheitserfahrungen 1940 bis 1960

Von Bernd Berke

Essen. Dinge, die uns umgeben, können Gefühle oder Erinnerungen speichern und beim Anblick freisetzen. Erst recht gilt diese Magie für Sachen aus der Kindheit. Auf dieser psychologischen Tatsache fußt jetzt eine alltagsgeschichtliche Ausstellung im Essener Ruhrlandmuseum.

„Maikäfer flieg… / Kindheitserfahrungen 1940 bis 1960″ versammelt, thematisch gut sortiert, schier tausend Gegenstände des damaligen Kinderlebens. Beispielsweise sieht man jede Menge charakteristisches Spielzeug vom abgewetzten Teddybär bis zum Stabilbaukasten; von der aus Lumpen notdürftig, doch erkennbar liebevoll gefertigten Puppe bis zur ersten elektrischen Eisenbahn. Welch ein Weg vom Elend bis zum bescheidenen Wohlstand – auch in der Kinderstube. Hier wird geschichtlicher Wandel so greifbar wie selten.

Wenn man einem der gemeinten Jahrgänge angehört, fühlt man sich von etlichen Gegenständen sogleich … Weiterlesen

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