Archiv des Autors: Bernd Berke

Über Bernd Berke

Langjähriger Kulturredakteur bei der Anfang 2013 verblichenen Westfälischen Rundschau (Dortmund), die letzten elf Jahre als Ressortleiter. Zwischenzeitlich dies und das, z. B. Prosaband „Seitenblicke" (edition offenes feld, 2021), vereinzelt weitere Buchbeiträge, Arbeit für Zeitschriften, diverse Blogs und andere Online-Auftritte. Seit 2011 hier. Und anderswo. Und überhaupt.

„Der Mensch entgleitet sich immerzu“ – ein Gespräch mit dem Schriftsteller Dieter Wellershoff

Von Bernd Berke

Frankfurt. Der in Köln lebende Dieter Wellershoff zählt seit Jahrzehnten zu den am meisten beachteten deutschen Autoren. Er hat nicht nur zahlreiche Romane, Novellen und Hörspiele verfasst, sondern ist auch als gewichtiger Theoretiker der Roman-Gattung hervorgetreten.

Am 3. November wird Wellershoff 75 Jahre alt – auch aus diesem Anlass ein Gespräch über seinen neuen Roman „Der Liebeswunsch“, geführt am Buchmessestand seines Verlages Kiepenheuer & Witsch.:

In ersten Kritiken zu Ihrem Buch ist bemerkt worden, es ähnele in gewisser Weise Goethes „Wahlverwandtschaften“: Zwei miteinander befreundete Paare, zwischen denen zunächst ein labiles Gleichgewicht herrscht, das dann durch Treuebruch aus der erotischen Balance gerät.

Dieter Wellershoff: Solch eine Vierer-Dramaturgie gibt es in der Tat auch in den „Wahlverwandtschaften“. Es ist … Weiterlesen

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Nächtliche Gespräche mit dem Kühlschrank – Treffen mit Axel Hacke auf der Buchmesse

Von Bernd Berke

Frankfurt. Axel Hacke (44) hat mit seinen Büchern und mit Glossen im Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ die oft absurden kleinen Katastrophen seines Familienlebens höchst unterhaltsam aufbereitet. Sein „Kleiner Erziehungsberater“ geriet zum heimlichen Bestseller, sein neues Buch heißt: „Ich sag’s euch jetzt zum letzten Mal“.

Hauptfiguren: Ehefrau Paola, Söhnchen Luis (nur die Vornamen hat Hacke erfanden), der Autor selbst und der brummige alte Kühlschrank namens „Bosch“. Die WR traf Axel Hacke am Buchmesse-Stand des Verlages Antje Kunstmann.

Wie sind Sie eigentlich auf die Idee gekommen, einen Kühlschrank auftreten zu lassen?

Axel Hacke: Nun ja, der ist noch’n bisschen melancholischer als ich – und damit ein guter Gesprächspartner für nachts, wenn man allein in der Küche sitzt und noch … Weiterlesen

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Ein Rundgang durch das Reich der Zufälle – Buchmesse: Sigrid Löffler, Harry Potter, Beatles und Nobelpreisträger Gao Xingjian

Aus Frankfurt berichtet Bernd Berke

Trübes, kühles Wetter in Frankfurt. Ausgesprochenes Bücherwetter. Hinein also in die Hallen der Buchmesse, hin zu den Büchermenschen.

Man muss sich Fix- und Zielpunkte schaffen, sonst droht man schier unterzugehen im Reich der Zufälle, das hier aus 380.000 Titeln besteht. Da trifft es sich, dass Sigrid Löffler (ehemals beim „Literarischen Quartett“) just die zweite Nummer ihrer Zeitschrift „Literaturen“ vorstellt und eine erste Bilanz ihres ehrgeizigen Projekts zieht. Von der ersten Nummer wurden rund 70.000 Exemplare gedruckt, nun sind es bereits 103.000. Buchhandel und Kioske hätten mehr geordert als zuvor, auch die Abo-Zahlen entwickelten sich ordentlich.

Löffler, leicht pikiert über das vielfach skeptische Echo auf die erste Ausgabe: „Viele Leser sind mir lieber als gute Kritiken.“ … Weiterlesen

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Das Niemandsland am Ende aller Träume – Tennessee Williams‘ „Endstation Sehnsucht“ in Wuppertal

Von Bernd Berke

Wuppertal. Kreuz und quer über die Bühne verstreut sieht man Scheußlichkeiten der 50er Jahre. Verschlissenes Mobiliar, ärmliche Plastik-Kultur. Ringsum schaut’s aus wie auf einem billigen Campingplatz.

Oder wie auf einem melancholischen Gemälde von Edward Hopper: Rechts verläuft ein Gleis ins Niemandsland, daneben erheben sich dürre Telegrafenmasten. Wahrlich, es ist die „Endstation Sehnsucht“. Hier leben und leiden die unbehausten Figuren aus Tennessee Williams‘ Stuck.

Im Wuppertaler Schauspielhaus (Regle: Paolo Magelli / Bühnenbild: Cary Gayler) begegnen sich die Schwestern Blanche DuBois und Stella anfangs so, als wären, sie wieder die kleinen Mädchen von damals. Sie balgen, sie kichern und kitzeln einander. Doch es ist nur ein Nachklang früherer Spiele. Inzwischen ist ja längst das Erwachsenen-Leben mit all seinen Zumutungen … Weiterlesen

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Nichts mehr sehen von dem Schmerz der Welt – Lars von Triers Film „Dancer in the Dark“

Von Bernd Berke

Man sitzt im Kino, und es bleibt einige Minuten lang vollkommen schwarz auf der Leinwand. Wann fängt der Film denn endlich an?

Er hat begonnen. Die musikalisch untermalte Dunkel-Passage gehört schon dazu. So wird man eingestimmt auf die Geschichte einer Frau, die allmählich ihr Augenlicht verliert und sich langsam damit abfindet: „Noch mehr von der Welt sehen zu wollen, wäre Gier“, redet sie sich ein.

Die Isländerin Björk, bislang vor allem als höchst kreative Popsängerin gerühmt, spielt in Lars von Triers 138-Minuten-Film „Dancer in the Dark“ (Goldene Palme in Cannes) jene ärmliche Fabrikarbeiterin Selma. Kann sie das?

Björk als bedauernswerte Fabrikarbeiterin

Und ob! Wie dringlich und mutig sie spielt, als ginge es wirklich ums ganze Leben! Daneben … Weiterlesen

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Sie meinen es ja so gut mit den Autoren – Über Sigrid Löfflers neue Zeitschrift „Literaturen“

Von Bernd Berke

Wenn Sigrid Löffler, nach all dem hässlichen Zank mit Marcel Reich-Ranicki, eine neue Zeitschrift herausbringt – na, da heißt es doch für die meisten Literaturfreunde: Nichts wie hin zum Zeitschriften-Laden! Aber lohnt es sich auch?

Am Dortmunder Hauptbahnhof gab’s das neue Produkt „Literaturen“, das seit gestern mit einer Startauflage von 70 000 Exemplaren offiziell auf dem Markt ist, schon am Vorabend. Nur: Die Verkäufer selbst wussten noch gar nichts von ihrem neuen Angebot, das schier unterzugehen droht im Wust der tausend bunten Spezial-Postillen.

Farbig kommt „Literaturen“ nicht daher, sondern es ist (offenbar ganz bewusst) im meist angenehmen, gelegentlich aber doch etwas kargen Schwarzweiß gehalten. Das Titelbild ist kläglich misslungen, das Layout im Heftinneren höchst konventionell, hie und … Weiterlesen

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Woran die stärksten Frauen scheitern mussten – Jürgen Bosse inszeniert Schillers „Maria Stuart“ in Essen

Von Bernd Berke

Essen. Das soll Maria Stuart sein? Mit kahl geschorenem Haupte betritt sie die Essener Schauspielbühne. Schottlands Königin, die in Friedrich Schillers Drama als Schönheit sondergleichen gepriesen wird, sieht aus wie eine blasse Büßerin in Sack und Asche.

Doch sobald die junge Darstellerin Sabine Osthoff in Jürgen Bosses Inszenierung zu sprechen anhebt, weiß man’s besser: Nicht bußfertig, sondern so selbstgewiss und fordernd klingt ihre rasche Rede, als stehe sie auf feministischen Barrikaden. Aber derlei „Möblierung“ gibt’s in Wolf Münzners kargem, sehr spieldienlichem Bühnenbild nicht.

Mit Maria verglichen, wirkt Englands Regentin Elisabeth (höchst differenziert: Heike Trinker) geradezu sanftmütig, nachdenklich – und damenhaft elegant. Gleichsam als moderne Business-Frau hat sie auch seelische Kältezonen. Dass sie am liebsten jungfräuliche Amazone bliebe, … Weiterlesen

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Die Evolution frisst ihre Kinder – Nicky Silvers Horror-Comedy „Fette Männer im Rock“ in Dortmund

Von Bernd Berke

Dortmund. Die blonde Tussi im Kostüm beklagt sich, als wär’s mit der Pauschalreise nicht so recht gelaufen: Nein, ach nein, Strände habe sie noch nie leiden können. Der ganze Sand in Strümpfen und Schuhen…

Diese Phyllis (Harriet Kracht) und ihr debiler, anfangs immerzu stotternder Sohn Bishop (Sebastian von Koch) sind als einzige Überlebende eines Flugzeugabsturzes auf einer Insel gestrandet. Als Bishop seinen ersten Hunger mit Muttis Lippenstift gestillt hat, darf er die verblichenen Fluggäste tranchieren. Mit dem Unterarm einer Nonne fängt’s an, hernach ist es auch schon mal ein Baby, das er kannibalisch vertilgt und dessen Hirnschale er mit dem Trinkhalm ausschlürft. Hier fragt man sich denn doch beklommen, wohin sich das Theater treiben lässt.

Nicky Silvers … Weiterlesen

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Als die Zukunft brodelte – Wuppertaler Ausstellung aus dem Umkreis der russischen „Futuristen“

Von Bernd Berke

Wuppertal. Mit grell bemalten Gesichtern und in wallenden Phantasie-Gewändern zogen sie durch Moskau oder St. Petersburg. Manche trugen auch schrille gelbe Brillen zur Schau. Wenn sie sich zu Gruppen vereinten, nannten sie sich beispielsweise „Karo Bube“ oder „Eselsschwanz“.

Etwas verrückte „Szenen“ gab es eben schon lange vor unserer Zeit. Besagte Leute waren russische Künstler, Musiker und Dichter um 1910. Mit dem Furor der Jugend forderten sie, die gesamte bisherige, „von Ratten zerfressene“ Kultur müsse erneuert werden. Ganz und gar der Zukunft zugewandt, verstanden sie sich als „Futuristen“ – ein Wort, das in Italien erst später aufkam.

„Die Russen sind da“, verkündet ein großes Transparent vor dem Eingang. Fast klingt’s wie eine Reminiszenz an Ängste aus dem Kalten … Weiterlesen

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Was Experten entgeht oder: Blinde Flecken der Kulturgeschichte

Von Bernd Berke

Über Kulturgrößen wie den Komponisten Hanns Eisler, der viel mit Brecht zusammengearbeitet hat, und den Wiener Chansonnier Georg Kreisler („Tauben vergiften im Park“) gibt es jede Menge Literatur – und erst recht über Charlie Chaplin. Aber eine Kleinigkeit hat bisher gefehlt.

Denn manchmal entgehen auch den fleißigsten Deutern und Biographen interessante Details. Die werden dann – beispielsweise – von einer WR-Leserin aus Unna entdeckt. Wir reichen sie nun weltexklusiv weiter. Allein durch intensive Lektüre und Kombinationsgabe hat Tanja Krienen (43) eine Querverbindung zwischen den genannten Namen ziehen können, die bislang offenbar von allen Autoren übersehen worden ist: Eisler und Kreisler (seinerzeit beide im US-Exil) haben gemeinsam für die Musik zu Chaplins Frauenmörder-Film „Monsieur Verdoux“ (1946) gesorgt.

Gewiss: … Weiterlesen

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Picassos neue Heimat liegt mitten in Westfalen – In Münster eröffnet ein erstaunliches Museum mit rund 800 Lithographien

Von Bernd Berke

Zeit für ein kleines Städtequiz. Wir nennen die klingenden Namen Barcelona, Paris und Antibes in Südfrankreich. Frage: Welcher Ort gehört noch in diese Reihe?

Seit gestern: Münster. Denn hier gibt es jetzt das weltweit vierte Museum, das ausschließlich dem Werk des Pablo Picasso (1881-1973) gewidmet ist. Rund 800 Picasso-Lithographien („Steindrucke“) nennt das schmucke neue Doppelhaus im Druffelschen Hof und dem benachbarten Hensenbau sein Eigen.

Damit besitzt man nahezu Picassos Gesamtwerk in dieser Technik. Nur etwa zehn bis zwölf weitere Arbeiten dürften noch irgendwo auf dem Markt herumgeistern – zu handelsüblichen Preisen zwischen 1000 und 200.000 Mark pro Stück. Natürlich hortet Münster die Blätter nicht exklusiv, denn Picasso hat seine Lithographien meist in Auflagen um 50 Exemplare herstellen … Weiterlesen

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Mario Adorf – einfach denkmalwürdig / Zum 70. Geburtstag des großen Schauspielers

Von Bernd Berke

Diese gedrungene Statur. Dieser dunkel funkelnde Blick unter buschigen Augenbrauen. Die sprungbereite Gefährlichkeit, die sich hinter Leutseligkeit so täuschend verbergen kann. Bei ihm kann das Böse furchtbar charmant und der Charme abgründig böse sein.

Für harmlose Rollen ist er nicht geschaffen. Und so hat Mario Adorf, der heute 70 Jahre alt wird, im Laufe seines Schauspielerlebens denn auch allem die Schattierungen des Gangster- und Ganoventums verkörpert; vom debilen Triebtäter bis zum ehrenwerten Herren im edlen Zwirn. mte: Seinen

Kino-Durchbruch hatte er 1957 in Robert Siodmaks „Nachts, wenn der Teufel kam“ – als geistesgestörter Serienmörder. Pfiffige Spielart: 1959 war er der helle Kopf einer Jugendbande in „Am Tag als der Regen kam“. Gar viele Facetten kamen mit den … Weiterlesen

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Wenn der Alltag ganz leise ins Rutschen gerät – Udo Scheel und seine rätselhaften Bilder-Choreographien in Recklinghausen

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Wer mit Udo Scheel durch seine neue Recklinghäuser Ausstellung geht, bekommt eine Lehrstunde über Sinnen und Trachten der Kunst gleich gratis hinzu.

Ganz geläufig (und sympathisch selbstironisch) parliert der 60-Jährige über seine Bilder und die kunsthistorischen Beweggründe. Immerzu hat er passende Beispiele aus Geist und Geschichte parat – von Malern wie Giotto oder Tintoretto bis zu erlesenen Literaten wie Victor Hugo oder Robert Walser. Scheel ist nicht nur ein bildender Künstler, sondern auch noch ein gebildeter.

Die Auswahl in der Recklinghäuser Kunsthalle bewegt sich zwischen zwei Extremen: Gezeigt weiden ungeheuer große und ganz kleine, sozusagen handliche Bilder. Seit Scheel seinen Lebensmittelpunkt von Münster nach Berlin verlegte und im dortigen Atelier. einen Rundum-Blick auf die Hauptstadt genießt, … Weiterlesen

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Und immer wogt das Werk – Jörg Immendorffs wechselhafte Bilderwelten im Dortmunder Ostwall-Museum

Von Bernd Berke

Dortmund. Die entblößte Frau geht an Krücken. Noch dazu balanciert sie auf zwei Kugeln. Doch wenn man sie so sieht, mag man an ein Wunder glauben: Sie wird, wenn auch staksig, vorankommen.

Das Gemälde, dessen Frauenfigur der altdeutschen Welt des Hans Baldung, genannt Grien entlehnt ist, könnte als Sinnbild für weite Teile des Werkes von Jörg Immendorff (55) stehen. Immer wieder scheint dieses insgesamt so imposante Œuvre ins Stocken oder Schlingern, mithin in produktive Unruhe zu geraten. Doch man kann sich darauf verlassen, dass die Pfade nicht in Sackgassen führen; dass irgendwann eine Wende kommen wird, eine Nahtstelle, ein wegweisendes Schlüsselbild – oder gar ein fulminanter Ausbruch des Neuen.

Erst der Pfusch der frühen Jahre, dann immer … Weiterlesen

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Energische Bilder aus dem Bauch der Erde – Arbeiten aus 50 Jahren von Erwin Bechtold in Ahlen

Von Bernd Berke

Ahlen. Ein Mann hält Rückschau: Erwin Bechtold, vor 75 Jahren in Köln geboren, bewegt sich seit rund einem halben Jahrhundert auf der Kunstszene. Nun blickt er im Ahlener Museum auf sein reiches Schaffen. Etliche Bilder hat er lange nicht mehr gesehen – und nun ist er überrascht, wie treu er sich selbst in all der Zeit geblieben ist.

Man wird nicht gar so viele 75-Jährige finden, die derart neugierig und vital sind wie der hoch aufgeschossene, vom Leben anscheinend gar nicht gebeugte Bechtold. Seine Bekenntnisse sind allemal in die Zukunft gerichtet: „Nichts ist endgültig fertig“. Oder: „Für mich ist nicht so spannend, was ich gestern gemacht habe, sondern was ich morgen machen werde“. Beständiger Zweifel am Geschaffenen … Weiterlesen

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Vom Bergmann zum Baulöwen mit Rolex – Peter F. Bringmanns klischeereicher Dortmund-Krimi „Der Schnapper“

Von Bernd Berke

Ganoven tragen vorzugsweise Rolex-Uhren, büchsen gern nach Rio aus und müssen irgendwann aus diesem Grunde sterben: „Er wusste zu viel…“

Mit solchen längst totgesagten Klischees (Marke 50er Jahre) wirft Peter F. Bringmanns Dortmund-Krimi „Der Schnapper“ (ZDF, Sa., 20.15 Uhr) nur so um sich. Es wäre zum Verzweifeln, gäbe es da nicht die erzsympathische Titelfigur, Horst Krause als Kommissar Schrader. Der verabscheut Handys und all den neumodischen Kram. Auch nimmt er stets den Bus. Nur keine Hektik. Ja, selbst seine Ehe ist, völlig krimi-untypisch, noch nach 25 Jahren glücklich. Mit einer Mischung aus barockem Wesen und ortsüblichen Kumpel-Qualitäten hebt Krause einfach die Laune. Und man hält natürlich zu ihm, wenn er es mit einem jungen Chef-Schnösel zu tun … Weiterlesen

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Die Frau denkt nach, der Mann schweift ab – Gisela Brinkmann und Manfred Vogel im Wittener Museum

Von Bernd Berke

Witten. „Männer sind Kopfmenschen. Frauen haben es mehr mit Gefühlen“. Ein längst widerlegtes Klischee, oder? In der neuen Ausstellung des Märkischen Museums verhält es sich jedenfalls pfeilgerade umgekehrt.

Die Wittener Künstlerin Gisela Brinkmann (Jahrgang 1955) verfolgt strenge Gedanken-Konzepte, während der in Duisburg lebende Prof. Manfred Vogel (Jahrgang 1946) nach eigenem Bekunden „aus dem Bauch heraus“ arbeitet.

Gisela Brinkmann sammelt seit 1991 Tulpen, Tulpen und immer wieder Tulpen. Sie kauft sie jedoch nicht im Blumenladen, sondern pflückt die Pflänzchen hie und da, auch schon mal (mit Leuchtweste und Botanisier-Tütchen ausgerüstet) in öffentlichen Anlagen. Launiges Katalog-Zitat: „Gisela Brinkmann klaut auch. Sie ist eine Tulpenräuberin“. Allerdings eine ganz harmlose – und noch dazu unterwegs im Dienste der Kunst.

Hat sie … Weiterlesen

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Die Sprachschützer sehen Dämme brechen – Hagen: Erste Regionalgruppe des Bundesverbandes formiert

Von Bernd Berke

Hagen. Sie waren bundesweit am schnellsten: Von allen Sektionen des „Vereins Deutsche Sprache e. V.“, der sich vornehmlich gegen ein Übermaß englischer Begriffe wendet, hat sich die Regionalgruppe im Postleitbezirk 58 als erste satzungsgemäß formiert. Sie nennt sich „Verein Deutsche Sprache – Grafschaft Mark“.

Der Name klingt konservativ, und auch die Forderungen, die zur Vereinsgründung im Hagener Lokal „Zum Bauernhaus“ („gutbürgerliche Küche“) erhoben wurden, hatten eher mit ängstlichem Bewahren zu tun. Eigentlich kein Wunder: Das Durchschnittsalter der Erschienenen lag bei 60 Jahren. Jedenfalls war unentwegt von der „Flut“ angloamerikanischer Wörter; die ins Deutsche eindringen, die betrübte Rede.

Vereinzelt vernahm man auch schon mal solche Töne: Warum nur solle man nicht stolz auf die deutsche Sprache sein? Das … Weiterlesen

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Die nüchterne Schönheit – Essener Ausstellung erkundet Einflüsse des Bauhauses in Nordamerika

Von Bernd Berke

Essen. Als neue Vereinigung der spezialisierten Künste verstand sich das ruhmreiche „Bauhaus“ in Weimar und später in Dessau. Alle Kunstformen sollten, auf der Basis soliden Handwerks, in der Architektur wieder zusammenfinden – fast wie in einer mittelalterlichen „Bauhütte“, doch den Ansprüchen des technischen Zeitalters gemäß.

Das Essener Folkwang-Museum führt nun vor, dass die Entwicklung inhaltlich und geographisch weite Kreise gezogen hat. Am liebsten hätten die Bauhaus-Meister (Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe, Josef Albers, Laszlo Moholy-Nagy, Paul Klee, Wassily Kandinsky und etliche andere) mit ihren Künsten wohl das gesamte Leben erfasst. Es sollte keine Schnörkel mehr geben, alle Formen sollten sich an die Funktion schmiegen, und zwar in sämtlichen Sparten: Baukunst, Technik, Werbung, Mode, Theater, Fotografie, … Weiterlesen

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Wild wuchernder Wahnsinn – Martin Kusej bringt in Salzburg „Hamlet“ auf die Bühne

Aus Salzburg berichtet Bernd Berke

Ein riesiges Treibhaus steht auf der Bühne. Darin werden in den nächsten vier Stunden die schlimmsten Dschungel-Pflanzen wuchern: Intrigen, Rachsucht, Wahnsinn, Mord. Zunächst hat hier noch wirkliches Grün gestanden, doch das wird gleich zu Beginn geschnitten, die schütteren Reste dienen bestenfalls noch als Tarnung für die zahlreichen Spitzel im Staate.

Später wird der gläserne Bau (Bühne: Martin Zehetgruber) nackt und kahl sein wie eine aufgelassene Industriehalle, gegen Schluss wird Schnee liegen. Auch sind die meisten Bodenbretter verschwunden, man kann nur über dem offenen Schlund der Hölle balancieren.

Es ist der zunehmend naturwidrige Schauplatz für Shakespeares große Tragödie „Hamlet“. Anfangs haben wir gesehen, wie das Areal von Soldaten umstellt war. Diese Wehrhaftigkeit soll einen perfiden Machtwechsel … Weiterlesen

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Nur noch Zerstreuung und Betäubung – Frank Castorf inszeniert in Salzburg Tennessee Williams‘ „Endstation Sehnsucht“

Aus Salzburg berichtet Bernd Berke

„Big Brother“ hat nun auch Tennessee Williams eingeholt, die allgegenwärtigen Kameras sind bis zur „Endstation Sehnsucht“ vorgedrungen. Lust auf heftige Eheprobleme? Eine Sekunde, wir schalten um von der Küche ins Badezimmer, sehen Sie selbst!

Regisseur Frank Castorf hat Williams‘ Nachkriegs-Klassiker von 1947 (George Orwells Roman „1984″ mit dem „Big Brother“-Motiv erschien übrigens 1948) für die Salzburger Festspiele in unsere Zeit gezerrt; in eine Zeit, die keine privaten Dinge mehr zulässt, in der jedes ordinäre Gezeter sogleich für schrille Talkshows zugespitzt wird. Und so übermittelt denn auch ein TV-Bildschirm in dieser Inszenierung mancherlei Szenen zwischen Dusche und Toilette. Anders als im Originaltext, quetschen sich die Beteiligten auch schon mal zu dritt oder sechst auf der Bettstatt … Weiterlesen

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Die Muster des Sichtbaren – Ein ganz Großer der Abstraktion: Ellsworth Kelly und seine Zeichnungen in Bonn

Von Bernd Berke

Bonn. Ein Amerikaner in Paris. Vielleicht hat er sich zwischendurch im Hotel schrecklich gelangweilt. Unentwegt hat er jedenfalls die Fensterkreuze des Zimmers gezeichnet, als gäbe es in dieser Stadt sonst nichts zu sehen. Doch aus solcher müßigen Selbstbegrenzung quillt oft das Ungeahnte in der Kunst.

Ellsworth Kelly, der 1948 aus Boston/USA nach Frankreich kam und dort bis 1954 lebte, gilt heute als einer der ganz großen Abstrakten der Nachkriegszeit. In Fensterformen, Schienenmustern der Pariser Metro, Spiegelungen auf dem Wasser der Seine oder denLinien- und Netzstrukturen von Tennisplätzen entdeckte er seinerzeit serielle Grundmuster oder „Module“, die sich trefflich variieren ließen – erst recht unter gezieltem Einsatz des Zufalls.

Etwa so: Einige Pinselhiebe vollführen, sodann das Bild zerteilen und … Weiterlesen

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Sanftes Licht aus paradiesischen Gefilden – Amsterdamer Rijksmuseum präsentiert „Das Goldene Zeitalter“

Von Bernd Berke

Amsterdam. Wichtig ist nicht nur wie, sondern auch wo man lebt. Für einen Maler gilt dies wohl erst recht. Da gibt es beispielsweise diese Sache mit dem „Delfter Licht“, das sich unvergleichlich mild ausbreitet und alle Dinge in eigentümlich beruhigender Klarheit hervortreten lässt.

Wer weiß: Vielleicht wäre Jan Vermeer als Künstler ein ganz anderer geworden, hätte ihn nicht dieses Licht umhüllt und ihm die Welt vor Augen geführt. Er musste es „nur“ noch malen…

So ist denn in der famosen Amsterdamer Ausstellung „Der Glanz des Goldenen Jahrhunderts“ ein Kapitel eben jenem Delfter Phänomen gewidmet, dessen Wirkungen auch bei Künstlern wie Pieter de Hooch und Gabriel Metsu zu gewahren sind. Man schaue nur, wie sich dieses Licht, als … Weiterlesen

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Das Fischstäbchen und die Küchen dieser Welt

Von Bernd Berke

Das glaubt einem erst mal niemand. „Ein Fischstäbchen-Kochbuch? Gibt’s doch gar nicht!“ Gibt’s wohl! Von wegen: Packung auf, unaufgetaut rein in die Pfanne, goldgelb braten und rasch verzehren. Diese freudlosen Zeiten sind vorbei. Jetzt können die Freunde des Fischstäbchens in Vielfalt schwelgen.

Obwohl: Eigentlich sind „Fischstäbchen pur“ ja auch nicht zu verachten. Die meisten Kinder mögen sie – ähnlich wie Pommes – sowieso furchtbar gerne. Auch mancher Erwachsene würde sich wohl zur Kabeljau-haltigen Stapelware bekennen, gäbe es nicht diese selbsternannten Gourmets und Lifestyle-Meinungsführer, die uns weismachen wollen, man könne alles nur noch in unendlichen Verfeinerungen genießen. Sie kochen und essen nicht mehr Spinat mit Kartoffelbrei, sondern Spinat „an“ Kartoffelbrei.

Garniert mit allerlei Früchten

„Die besten Rezepte aus … Weiterlesen

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Peter Handke, Serbien und das schiere Nichts – über sein Buch „Unter Tränen fragend“

Von Bernd Berke

Es ist schon ein eigenartiger Perspektiven-Wechsel, wenn man den Kosovo-Krieg einmal aus umgekehrter Sicht bilanziert findet: Hie die teuflisch vernichtende NATO, dort die heldenhaften Serben; hie kriegslüsterne „Kettenhunde“ der westlichen Presse, da die jugoslawische Propaganda, angeblich aus Notwehr geboren und daher zu bejahen…

So jedenfalls will es uns Peter Handke in seinem Buch „Unter Tränen fragend“ beibiegen. Es tut weh, derart Monströses von einem Schriftsteiler zu lesen, den man sonst aufs Höchste schätzt.

Zweimal hat sich Handke 1999 – mitten im Kriege – auf Reisen durch Rest-Jugoslawien begeben, aus Mitgefühl mit dem serbischen Volk. Schon die landesübliche Gastfreundschaft schildert er als Labsal. Setzte man ihm ein gutes Frühstück vor, so trübte sich die Wahrnehmung – und schon … Weiterlesen

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Die Geburt der Phantome – „Surreale Welten“ im Wuppertaler Museum

Von Bernd Berke

Wuppertal. Mit großen Namen wartet die neue Ausstellung im Wuppertaler Von der Heydt-Museum auf. Nur ein paar Beispiele: Goya, James Ensor, Max Ernst, Magritte, Picasso. Sie alle haben „Surreale Welten“ (Titel der Schau) ins Bild gesetzt. Aber was heißt in diesem Falle „surreal“?

Der Begriff wird hier etwas weiter gefasst. Nicht nur der eigentliche Surrealismus (mit Dalí, de Chirico und Ernst gleichwohl prominent vertreten) gerät ins Blickfeld, sondern auch etliche Vor- und Ausläufer dieser Richtung. Phantome aus Traumgefilden haben schließlich nicht erst in unserem Jahrhundert die Bilder bevölkert.

Die von Hamburg her kommende Auswahl stammt aus der beachtlichen Sammlung eînes ungenannten Hanseaten, der als Banker gutes Geld verdient und es mit viel Sinn und Verstand für Kunst … Weiterlesen

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Künstlers Erdenwallen zwischen Porno und Designer-Droge – Mülheimer Stücketage begannen mit Rainald Goetz‘ „Jeff Koons“

Von Bernd Berke

Mülheim. Auf der Bühne zappeln „Adam und Eva“ unter lautem Lustgestöhne. „Sie poppen, sie ficken, sie tun es“, kommentiert einer ungerührt übers Mikrofon. Und dann, vollends gelangweilt: „Mein Gott, ist das geil“.

Drastischer Auftakt zum Mülheimer Dramatikerwettbewerb „stücke 2000″: Mit Adam und Eva sind hier Jeff Koons und Ilona Staller („La Cicciolina“) gemeint. Wir erinnern uns: Der US-Trivialkünstler wurde grell berüchtigt, als er seine Orgasmen mit Italiens Porno-Queen zu grässlichen Kitsch-Skulpturen gefrieren ließ. Auch sonst hat er alle Untiefen, der Banalität durchwatet. Inzwischen ist er ziemlich „out“…

Der Dramatiker Rainald Goetz hat sich freilich noch einmal vehement auf den Mythos gestürzt und ihn – in seinem Stück „Jeff Koons“ – unter Wortkaskaden pompös beigesetzt. Goetz (Jahrgang 1954 … Weiterlesen

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Der Mann mit den wuchtigen Meinungen – Kritiker Marcel Reich-Ranicki wird morgen 80 Jahre alt

Von Bernd Berke

Prägnante Szene bei der letzten Frankfurter Buchmesse: Am Stand der Deutschen Verlagsanstalt (DVA) wird Marcel Reich-Ranicki von Journalisten und Bewunderern umlagert wie ein Popstar. Einer ruft ihm die (müßige) Frage zu, wer denn wohl der größte russische Autor aller Zeiten sei. Von ihm erwartet man eben literarische Urteile wie von einer höchstrichterlichen Instanz.

Der Kritiker lässt sich – wie üblich – nicht lange bitten, mag sich diesmal freilich nicht so recht festlegen: Tolstoi sei ein ganz Großer gewesen, aber auch Gogol, Puschkin und Dostojewski hätten sehr gut geschrieben. Aha!

Bei Licht betrachtet, sind die Maßstäbe des höchst belesenen Reich-Ranicki, der am morgigen Freitag 80 Jahre alt wird, recht simpel: Entweder gefällt ihm ein Buch – oder es … Weiterlesen

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Raserei bis zum Stillstand – Mülheim: Acht Mini-Dramen von illustren Autoren uraufgeführt

Von Bernd Berke

Mülheim. Es klingt fast wie ein Witzanfang: Kommt ein Mann ins dunkle Theater und irrt fluchend umher. Oder: Kommt ein Mann zum Arzt und redet lauter Unsinn. Wie Blitzlichter flackern gleich acht solcher Mini-Dramen an den Zuschauern vorüber.

Illustre Autoren haben zur Uraufführung beigetragen, nämlich acht frühere Preisträger des Mülheimer „Stücke“-Wettbewerbs: Herbert Achternbusch hat eine Zahnarzt-Groteske beigesteuert, Klaus Pohl führt uns an eine ostdeutsche Bushaltestelle, Oliver Bukowski liefert einen rotzigen „Prolo“-Monolog. Sogar der sonst auf Distanz bedachte Höhenwandler Botho Strauß ist dabei.

Binnen Minuten ist jeder Teil abgetan, das Ganze hat die Länge eines Fußballspiels. Man fühlt sich wie beim Zappen am TV-Gerät. Der Schnellgang über den dramatischen Laufsteg, für eine einzige Aufführung inszeniert von Thirza Bruncken, … Weiterlesen

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Ein ungleiches Maler-Trio – Drei Wege zur Autonomie: Cézanne – Manet – Schuch in Dortmund

Von Bernd Berke

Dortmund. Das Wagnis ist nicht gering: Zwei berühmte Heroen der malerischen Moderne, nämlich Edouard Manet und Paul Cézanne, werden jetzt in Dortmund mit einer nahezu unbekannten Größe konfrontiert. Bange Frage: Können die Bilder des Österreichers Carl Schuch (1846-1903) dem direkten Vergleich überhaupt standhalten?

Das Museum für Kunst und Kulturgeschichte, das mit dieser Schau den Abschluss umfangreicher Umbauten begeht, rühmt sich, besagtes Trio erstmals miteinander zu präsentieren. Das mag wohl sein. Auf diese riskante Idee ist eben noch niemand gekommen…

„Drei Wege zur autonomen Kunst“ – so der Untertitel – sind von den Künstlern beschritten worden. Belegstücke sind vornehmlich Stillleben (so viele Äpfel sah man wohl selten beisammen) sowie einige Landschaftsbilder. Als Zugabe sind ein paar sehr tiefgründige … Weiterlesen

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Die Stille vor der Zukunft – Zehn NRW-Künstler beleben die riesige Gladbecker Maschinenhalle Zweckel

Von Bernd Berke

Gladbeck. Filzpantoffeln über die Straßenschuhe streifen und ehrfürchtig über kostbares Parkett wandeln – so kennt man’s von Besichtigungen alter Schlösser. Warum aber sollte man sich in einem verwitterten Industriebau des Ruhrgebiets so verhalten?

Vielleicht, weil ein Künstler es vorschlägt. Werner Haypeter aus Bonn hat 200 Quadratmeter des rissigen Kachelbodens in der (1908 erbauten) früheren Gladbecker Maschinenhalle Zweckel mit einer wächsernen, transparenten Schicht überzogen. Damit diese nicht zerkratzt, soll man in Pantoffeln hinüber gleiten, bis man merkt: Das sonst so unscheinbare Relikt der Zechen-Ära schimmert samtartig durch und strahlt nun etwas Würdevolles aus, es wird zum quasi-archäologischen Zeugnis einer verfallenden Kultur.

Zehn Künstler aus NRW haben eigens für die riesige leere Halle neue Arbeiten geschaffen. „Here we go“ … Weiterlesen

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Neue Gemeinschaft stiften – Jochen Gerz‘ Kunstaktion „Das Geschenk“ in Dortmund

Von Bernd Berke

Dortmund. Gesichter blicken einen an – und es werden immer mehr. Schon gestern waren es 400 Porträts, die die Wände des Dortmunder Ostwall-Museums zierten. Im August sollen es rund 5000 sein. Der Ankauf für die Sammlung ist bereits beschlossene Sache.

Der mit documenta- und Biennale-Weihen versehene Künstler Jochen Gerz (60) beschert den Dortmundern mit seiner Aktion „Das Geschenk“ ein spezielles Gemeinschafts-Erlebnis.

In der Medienkunst-Schau „Vision Ruhr“ (frühere Zeche Zollern II/IV – die WR berichtete) hat Gerz ein Fotostudio mit moderner Digitaltechnik eingerichtet. Studenten der Dortmunder FH lichten dort kostenlos Besucher ab. Möglichst gefasst sollen sie dreinschauen, niemand soll sich in Szene setzen. Gerade dann tritt die Individualität der Gesiebter (frontal und in Nahsicht) hervor. Im Schnitt haben … Weiterlesen

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Sprachlos im Angesicht der gequälten Kreatur – Bruce Nauman im Duisburger Lehmbruck-Museum

Von Bernd Berke

Duisburg. Fünf Tierkörper aus Aluminium hängen, teilweise kopfüber, im Gestänge des „Karussells“. Wenn es sich dreht, werden Rotluchs, Bär, Hirsch und zwei Kojoten quälend langsam im Kreis herumgeschleift. Eine Spur am Boden zeugt von all den vergangenen Umdrehungen. Ein Bild der ohnmächtigen, zutiefst geschundenen Natur, das man nicht so schnell vergisst.

Dabei ist die 1988 entstandene Installation des Amerikaners Bruce Nauman sogar ein wenig „entschärft“. Denn anders als jetzt im Duisburger Lehmbruck-Museum, prallten die träge rotierenden Leiber bei früheren Ausstellungen auch schon mal gegen die Wände und hinterließen hässliche Dellen. Es muss auf den Betrachter noch schmerzlicher gewirkt haben.

Nauman (Jahrgang 1941), seit rund-35 Jahren auf der Szene und längst weltberühmt, wird in Duisburg mit einem 46 … Weiterlesen

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Unterwegs in das Zeitalter der Trance – Botho Strauß‘ neuer Prosaband „Das Partikular“

Von Bernd Berke

Hand aufs Herz: Wer weiß schon, was gemeint ist, wenn jemand „apotropäisch“ blickt, oder was unter dem „feirefizartigen Gehabe“ eines Menschen zu verstehen ist? So kennt man Botho Strauß. Ganz ohne Lexikon geht die Lektüre eben nicht vonstatten.

Doch die manchmal so überaus erlesene Wortwahl täuscht über eines hinweg: Kaum je seit seinen legendären Liebesverwirrungs-Beobachtungen „Paare Passanten“ (1981) ist Strauß kopfüber und kopfunter so tief in den Beziehungs-Alltag eingetaucht wie in „Das Partikular“. Der Titel bezieht sich auf das (alles Zufällige und historisch Bedingte aussondernde) „Auge Gottes“, das den Menschen sieht, wie er wirklich ist…

Die Alltagsnähe ist nur ein Quell, niemals das Ziel. Strauß benennt Dämonen und Phantome der Gegenwart, um sie zu bannen, um sich … Weiterlesen

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Im Taumel der Zukunft – Ausstellung „Vision Ruhr“ in Dortmund / Medienkunst erobert früheres Zechengelände Zollern II/IV

Von Bernd Berke

Dortmund. Du gehst die Treppe hoch, in einen dunklen Tunnel hinein. Du läufst dort oben, etwas bang unter dich blickend, über Felder aus Glas. Plötzlich erscheint, wie aus dem Nichts, dein elektronisch erzeugter Begleiter, geheimnisvoll schimmernd. Er reagiert sogar, wenn du stehen bleibst oder dich umdrehst. Da passt er mal wieder, der Slogan: Du bist nicht allein.

Warum diese vertrauliche Anrede? Weil man von solcher Medienkunst ganz direkt „angesprochen“ und geradezu umfangen wird. Immer wieder sieht man sich, beim weitläufigen Rundgang durch die Dortmunder Riesen-Schau „Vision Ruhr“, von ausgeklügelten Apparaturen ertappt oder animiert. Doch vor allem kann man vielfach selbst das Geschehen beflügeln. Es ist ein Abenteuer-Pfad mit vielen Stationen, an dem auch Kinder Vergnügen haben werden.… Weiterlesen

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Der Geist des Freiherrn vom Stein – Endlich eine Dauerschau auf Schloss Cappenberg

Von Bernd Berke

Selm/Cappenberg. Immerhin 15 Jahre lang, von 1816 bis zu seinem Tode 1831, hat der große preußische Reformer, der Freiherr vom (und zum) Stein, auf Schloss Cappenberg gelebt. Man darf sich wundern, dass ihm dort erst jetzt eine Dauerausstellung gewidmet wird.

Die Schau, die nun mit rund 200 historischen Exponaten das Obergeschoss im Westflügel füllt, wäre längst fällig gewesen. Der Geist des Ortes (wenn nicht gar der des Freiherrn) hat doch geradezu danach gerufen!

Der Freiherr vom Stein erwarb das Schloss als Altersruhesitz. Mit seiner Frau, zwei Töchtern und einigen Bediensteten genoss er hier die Beschaulichkeit nach einem wechselvollen Leben. Brieflich pries er „den weiten, freien Blick in eine große, schöne, von den Gebirgen des Sauerlands begrenzte Ebene.“ … Weiterlesen

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Exotische Blüten einer neuen Lust – Noch titelloser Tanzabend * von Pina Bausch mit berauschend schönen Bildern

Von Bernd Berke

Wuppertal. Szene vom Geschlechter-Markt: Eine Frau hält ein Tellerchen hoch, ein Mann legt Münzen darauf. Nun darf er einer anderen Frau in den Haaren wuscheln und wühlen. Es ist eine beinahe rührend hilflose Lust-Gebärde, die aber unterschwellige Aggression enthält.

Doch man blickt hier nicht nur in die Abgründe fluchwürdiger Käuflichkeit, sondern es ist, als eröffne sich hier unversehens ein von falschen Erwartungen entlastetes, freilich höchst unsicheres Experimentierfeld der Sinne. In Pina Bauschs neuem, immer noch titellosen Tanzabend * erklingt gleich zu Beginn ein Popsong mit dem Refrain „There is no love today“ (Es gibt heute/heutzutage keine Liebe). Suggestiv, ja fast einschmeichelnd hört er sich an, der niederdrückende Befund.

Szenen zwischen Trance und Traum

Vielleicht verhält es sich … Weiterlesen

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Wo das Ungeahnte jederzeit geschehen kann – Ruhrfestspiel-Ausstellung zeigt Arbeiten des Niederländers Waldo Bien

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Ganz gleich, ob auf weltweiten Reisen oder in der Kunst: Dieser Mann hält sich gern im „Niemandsland“ auf, im undefinierten Bezirk zwischen festgelegten Bereichen. Da, wo alle Grenzen verschwimmen und das Ungeahnte geschehen kann.

Der Niederländer Waldo Bien (Jahrgang 1949), der jetzt die Ausstellung der Ruhrfestspiele bestreitet, ist ein Grenz- und Schwellen-Gänger zwischen verschiedensten Stilen, Themen, Materialien. So kommt es beispielsweise vor, dass er Röntgenbilder übermalt oder Fotos, die er mit Walfisch-Öl begossen hat, unter Plexiglas einschließt. Die sämigen Schlieren und das eigentümliche Verwittern künden vielleicht von Vergänglichkeit. Oder ist es nur ein purer ästhetischer Akt, bar jeder anderen Bedeutung?

Eine Schlangenhaut, mit Tinte blau gefärbt, gilt Bien als Zeichen für Dynamik, ja als Vorbild unserer … Weiterlesen

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Bochumer Frage: War Shakespeare ein Antisemit?

Von Bernd Berke

Bochum. „Regt uns Shakespeare noch auf?“ So heißt heute ein Vertrag in Bochum. Um diese Frage rasch zu beantworten: Gewiss tut er das!

Denn die Festrede der Bochumer Shakespeare-Tage hält diesmal die prominente Autorin Mirjam Pressier („Bitterschokolade“). Sie behauptet in ihrem Buch „Shylocks Töchter“ unumwunden, der weltweit verehrte Dramatiker William Shakespeare sei Antisemit gewesen. Sie will dies anhand seiner Figur Shylock, des jüdischen „Kaufmanns von Venedig“, darlegen; wobei sie zugesteht, dass „Antisemitismus“ hier nicht im Sinne des 20. Jahrhunderts zu verstehen sei, allerdings als höchst problematische Vorform der später manifesten Judenfeindschaft.

Da wird es am morgigen Sonntag (ab 11 Uhr im Schauspielhaus Bochum, 800 Plätze) wohl manchen Unmut geben. Denn in der für alle Interessierten offenen Festversammlung … Weiterlesen

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Die Besinnung nach den wilden Zeiten – Ernst Ludwig Kirchners erstaunliches Spätwerk in Essen

Von Bernd Berke

Essen. Als der Künstler Ernst Ludwig Kirchner 1923 nach Davos kam, war er völlig entkräftet, teilweise gelähmt und drogensüchtig. Die vitalen und manchmal wilden Jahre des Expressionismus in Dresden und Berlin lagen hinter ihm. Nun begab er sich in dauerhafte ärztliche Obhut, suchte in der stilleren Schweiz Ruhe und Besinnung, übte als einzigen Sport das eher meditative Bogenschießen aus.

Derlei Lebens-Wandel musste sich auch aufs bildnerische Schaffen auswirken. Wenn jetzt das Essener Folkwang-Museum Kirchners Schweizer Spätwerk (bis zum Freitod des von den Nazis als „entartet“ Verfemten im Juni 1938) ins Zentrum rückt, so können wir einen anderen Kirchner entdecken, als er uns aus Zeiten der Künstlergruppe „Die Brücke“ vertraut ist.

Der Abgesang auf den Expressionismus hatte sich … Weiterlesen

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