Archiv der Kategorie: Geschichte

Hund, Katze, Pferd und viele Rätsel: „Neither“ bei der Ruhrtriennale

© Ruhrtriennale, Foto: Stephan Glagla, 2014

© Ruhrtriennale, Foto: Stephan Glagla, 2014

Unentschlossenheit zum künstlerischen Prinzip erhoben: Eigentlich müsste „Neither“ von Morton Feldman (Musik) und Samuel Beckett (Libretto) meine Oper sein, denn ich kann mich auch sehr schlecht entscheiden.

Doch die neueste Produktion der Ruhrtriennale lässt mich ein wenig ratlos zurück. Verstörend schöne und kraftvolle Bilder, ätherische und zugleich schmerzliche Musik, gespielt von den Duisburger Philharmonikern unter der Leitung von Emilio Pomàrico, schaffen eine unheimliche Traumwelt im Nebel.

Andererseits geht es um hochphilosophische Fragen wie die Grenzen menschlicher Erkenntnis, was gleich zu Beginn am Experiment von Schrödingers Katze veranschaulicht werden soll: Die Tatsache, dass in der Quantenphysik der Beobachter die Untersuchungsergebnisse beeinflusst, lässt sich an Erwin Schrödingers Gedankenexperiment von 1935 zeigen, das versucht, dieses Prinzip auf … Weiterlesen

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Das Leben ist ein langer, schmutziger Fluss: Filmischer Abgesang aufs Industriezeitalter

Foto: Matthew Barney

Foto: Matthew Barney

Detroit ist am Arsch: Verfallene Industrieanlagen, heruntergekommene, entvölkerte Stadtteile und ausgebrannte Autowracks. Und durch alles wälzen sich zwei stinkende, verseuchte Flüsse. Sechs Stunden dauert der filmische Abgesang auf das Industriezeitalter von Matthew Barney und Jonathan Bepler, den die Ruhrtriennale in der Lichtburg zeigte.

Natürlich beinhaltet dieses Epos noch viel mehr: Vorlage ist der Roman „Ancient Evenings“ (Frühe Nächte) von Norman Mailer. Die ersten zwei Stunden von „River of Fundament“ vergehen mit dem Leichenschmaus bei Mailers Witwe in New York, bei dem ein elitärer Village-Voice-Zirkel sich die Ehre gibt. Heimgesucht allerdings durch den aus einem mit Fäkalien angefüllten Abwasserkanal entstiegenen Mailer selbst, der mit Dreck und Kot bespritzt die Veranstaltung als obszönes Gespenst besucht. Untote Gefährten aus der … Weiterlesen

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„Das weiße Gold der Kelten“: Salz hält auch uralte Fundstücke frisch

Wo vor Jahrzehnten noch das „Schwarze Gold“, also Kohle, das Leben bestimmt hat, geht es nun ums „Weiße Gold“ in viel weiter entfernten Zeiten: In Herne zeigt das LWL-Museum für Archäologie die aus Wien kommende Ausstellung „Das weiße Gold der Kelten – Schätze aus dem Salz“.

Es geht um staunenswerte Funde aus Hallstatt (Oberösterreich), wo schon in der Jungsteinzeit Salz gewonnen wurde. Um 1500 v. Chr. waren dann die bronzezeitlichen Kelten schon versiert im Salzbergbau. Etwa 1245 v. Chr. beendete ein katastrophaler Erdrutsch diese Phase. Die Geschichte des quasi (vor)industriellen Abbaus beginnt um das Jahr 850 v. Chr., in der frühen Eisenzeit. Die Kelten meißelten sich ins Innere der Berge vor, entlang der Salzadern stellenweise über 300 Meter tief. So … Weiterlesen

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Die Dekadenz der britischen Oberschicht – Evelyn Waughs Roman „Verfall und Untergang“

Jetzt mal Hand aufs Herz, dies ist doch ein allerliebster Romananfang: „Mr. Sniggs, der Prodekan, und Mr. Postlethwaite, der Schatzmeister, saßen allein in Mr. Sniggs’ Zimmer, das auf den Gartenhof des Scone College ging. Aus der Wohnung von Sir Alastair Digby-Vaine-Trumpington, zwei Aufgänge weiter, drang wildes Grölen…“

Man muss sich diesen ersten Satz im schönsten Oxford-Akzent gelesen vorstellen – und schon kann man sich in jenem herrlichen Loriot-Sketch mit Evelyn Hamann wähnen.

waugh-verfallTatsächlich hat Evelyn Waughs erstmals 1928 erschienener Roman „Decline and Fall“ auch in der neuen deutschen Übersetzung von Andrea Ott (Titel jetzt „Verfall und Untergang“ statt „Auf der schiefen Ebene“), seine ureigenen parodistischen Qualitäten. Durchaus denkbar, dass die begnadeten Komiker von „Monty Python“ diesen Mister Evelyn Waugh (1903-1966) … Weiterlesen

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Highland-Games oder die Lust am Verkleiden

Allerorten finden sie in den letzten Jahren statt, die Mittelalter-Feste oder die Fantasy-Treffen, mit Menschen in den wildesten Verkleidungen, am liebsten aus alter Zeit. Neuerdings kommen an allen Ecken und Kanten sogenannte „Highland-Games“ hinzu, und gerade sie ziehen Unmengen an Zuschauern an.

Schottisches im Hülsenbecker Tal. (Foto: H.H.Pöpsel)

„Schottisches Leben“ auch hier im Hülsenbecker Tal.(Foto: H. H. Pöpsel)

So ein schottisches Wettkampf-Ereignis konnte man am Wochenende – zum zweiten Mal – auch in Ennepetal erleben. Im ansonsten beschaulichen Hülsenbecker Tal ging es unter anderem mit Baumstammwerfen und Sackschlagen zur Sache. Lautstark angefeuert wurden die Kämpfer in ihren Schottenröcken von Fanclubs der Heroen ebenso wie von „normalen“ Zuschauern.

An den bedruckten T-Shirts der Mannschaften kann man erkennen, in wie vielen Orten es inzwischen solche Highland-Games gibt, ob … Weiterlesen

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Rund um das neue Weltkulturerbe Corvey: Klosterlandschaft mit Leben erfüllt

Die Nachricht war lang ersehnt: Das westfälische Kloster Corvey, heute auf dem Stadtgebiet von Höxter, ist von der Unesco in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Als 39. Kulturstätte in Deutschland dürfen sich das karolingische Westwerk und die „civitas“ Corvey nun im Glanz des begehrten Titels sonnen. Seit 1999 standen die Reste der 822 gegründeten Benediktinerabtei auf der Warteliste.

Mit seinem 885 geweihten und im 12. Jahrhundert umgestalteten Westwerk, mit seiner reichen Geschichte und der barocken Klosteranlage – heute Schloss Corvey – ist das neue Weltkulturerbe wohl das bedeutendste, aber nicht das einzige Kloster im Raum zwischen Weserbergland und Teutoburger Wald. 28 monastische Stätten zählt die Region – von der Einsiedelei bis zu aktiven Frauenklöstern mit modernem spirituellem Leben. Das Netzwerk Weiterlesen

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Genial, aber politisch naiv: Musikforscher Ulrich Konrad über Richard Strauss

„Salome“, „Der Rosenkavalier“, „Elektra“: Richard Strauss ist nicht erst im 150. Jahr seiner Geburt auf der internationalen Opernbühne präsent. Er mag nicht zu den meistgespielten Komponisten gehören, zu den meist geschätzten zählt er auf jeden Fall. Kein Dirigent kann es sich leisten, auf Strauss zu verzichten; kein Opernhaus geht an seinen Hauptwerken vorbei. Und dennoch ist der Mensch Richard Strauss seltsam ungreifbar.

Bewandert in Sachen Strauss: Der Musikwissenschaftler Ulrich Konrad. Foto: Werner Häußner

Bewandert in Sachen Strauss: Der Musikwissenschaftler Ulrich Konrad. Foto: Werner Häußner

Seine Selbstinszenierung war „wasserdicht“: Nach außen ein bayerischer Großbürger, nach innen undurchschaubar. Auch die Forschung zu Richard Strauss kommt erst in Gang. Im Interview mit Werner Häußner erklärt Ulrich Konrad, Vorstand des Instituts für Musikforschung an der Universität Würzburg und anerkannter Strauss-Experte, was in Sachen Strauss noch … Weiterlesen

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Kunst statt Krieg – großartiger Auftritt der Sopranistin Anna Prohaska in Dortmund

Prohaska 2_2014(c)Holger Hage_DGIm Trailer der „Junge Wilde“-Reihe des Dortmunder Konzerthauses reißt sich Anna Prohaska wutschnaubend die Perlenkette vom Hals. Als wolle sie, sagen wir, in der Gestalt der Donna Elvira dem so geliebten wie verhassten Don Giovanni den Schmuck vor die Füße werfen. Eine Episode, die voller Symbolkraft steckt: Da ist eine Sängerin der unkonventionellen Art, jung und wild eben, die sich in musikalischen Gefilden auch auf abseitigen Pfaden bewegt.

„Das Ende der klassischen Klassik“ propagiert das Konzerthaus damit, und nichts scheint dem besser zu entsprechen, als Anna Prohaskas jüngster Auftritt, ein Liederabend. Denn die Sängerin bricht mit manchen Gesetzen der Aufführungspraxis, findet den Weg heraus aus kammermusikalischer Intimität oder nach innen gerichteter Emotionalität. Sie und ihr großartiger Klavierpartner Eric Schneider beherrschen … Weiterlesen

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Warum ist Fronleichnam ein Feiertag?

Für die meisten Mitmenschen ist der heutige Donnerstag ein gern gesehener Feiertag, der mit der Freitags-Brücke einen netten Kurzurlaub ermöglicht. „Fronleichnam“ nennt sich das katholische Fest, das vielen Beschäftigten in Deutschland Freizeit verschafft, auch in NRW und im Ruhrgebiet. Kaum aber jemand weiß wirklich, was denn Fronleichnam eigentlich ist.

Der Autor (rechts) 1961 als Messdiener.

Der Autor (rechts) 1961 als Messdiener.

Das Wort stammt aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet „Leib des Herrn“. Nach der Vorstellung der Katholischen Kirche verwandelte ihr Begründer Jesus von Nazareth am Tag vor seiner Hinrichtung durch die römische Besatzung, am Gründonnerstag, das Brot und den Wein des letzten gemeinsamen Abendmahls in seinen Leib und sein Blut, und weil man so ein Ereignis nicht an den stillen Tagen vor Ostern groß feiern konnte, … Weiterlesen

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Die Kriegsbegeisterung war schnell dahin

In den letzten Tagen wurden wir mit Bildern überschüttet, die der alliierten Landung in der Normandie vor 70 Jahren und damit unserer Befreiung von der NS-Diktatur galten. Darüber ist wieder ein wenig das Gedenken an den 100. Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkriegs in den Hintergrund getreten.

Mit Begeisterung waren auch in Deutschland die jungen Männer nach der Mobilmachung Anfang August 1914 in ihre Kasernen eingerückt. Weihnachten wollte man siegreich wieder zu Hause sein.

„Auf zur Visite beim Väterchen Franz in Paris“ malten in Ennepetal junge Soldaten auf ein Schild und stellten sich lächelnd dahinter für den Fotografen auf, doch schon nach wenigen Wochen kamen die ersten Todesnachrichten in der Heimat an, und es wurden immer mehr. Millionen starben schließlich … Weiterlesen

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Antikriegslyrik und Totenmesse – Bochums Symphoniker deuten Brittens „War Requiem“

Der Lyriker Wilfred Owen schuf sprachmächtige Gedichte, um vom Elend des Krieges zu zeugen.

Der Lyriker Wilfred Owen schuf sprachmächtige Gedichte, um vom Elend des Krieges zu zeugen. Britten fügte manche in sein War Requiem ein.

1914 – der Kulturbetrieb läuft auf Hochtouren. Zum Zwecke des Erinnerns und Gedenkens, des Forschens, Debattierens und Mahnens. Gewichtige Bücher sind erschienen, um die „Urkatastrophe“ zu schildern und zu erklären. Ausstellungen illustrieren oder dokumentieren die Gräuel jener Zeit, richten den Fokus auf Künstlerschicksale. Und in den Medien vergeht kaum ein Tag, an dem der 1. Weltkrieg kein Thema ist.

Bei alledem ist erstaunlich, dass die Orchester der Region in ihrem Konzertangebot eher wenig Notiz von den Ereignissen nehmen und lieber die übliche Wald-und-Wiesen-Programmatik pflegen. Anders die Bochumer Symphoniker: Sie haben für die nun bald endende Saison eigens eine … Weiterlesen

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Deckname „Garbo“: Der spanische Doppelagent, der das Nazi-Regime überlistete

Berufsziel Spion klingt schon ziemlich verwegen, aber noch kühner war es wohl, dass sich jemand vorgenommen hat, als Agent gegen das Nazi-Regime zu kämpfen. Es war der Spanier Joan Pujol García, der diesen Entschluss in Zeiten fasste, als die deutsche Wehrmacht Europa überrollte.

Dass Pujol einmal eine Schlüsselrolle in der sicherlich größten militärischen Landungsoperation spielen sollte, die die Welt je gesehen hat, war in den Januartagen 1941 nicht vorhersehbar. Der „D-Day“ (Landung der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944, also morgen vor 70 Jahren) lag noch in weiter Ferne, als der zu jener Zeit in Madrid lebende Pujol seine Frau losschickte, um in der britischen Botschaft nachzufragen, ob man einen Spion gebrauchen könne.

05dd02d048Als „naiven Plan“ bezeichnet Arne … Weiterlesen

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Als auch Westfalen unter Napoleon litt – historische Ausstellung auf Schloss Cappenberg

Was hat der Flachkomiker Mario Barth mit einer seriösen Ausstellung über Napoleons Zeit zu tun? Nun, seine Produktionsfirma hat einen Hartschaum-Nachbau der Quadriga vom Brandenburger Tor zur Verfügung gestellt, den Barth einst als Deko bei seinen Auftritten im Olympiastadion verwendete. Und wo ist jetzt der Zusammenhang?

Es mag nicht direkt der Wahrheitsfindung dienen, ist aber ein machtvoller „Hingucker“: Die größenhalber auf mehrere Raumzonen des Cappenberger Schlosses verteilte Quadriga (hier zwei Pferde, da zwei Pferde, dort der Streitwagen) steht für die Demütigung, die Frankreichs Kaiser Napoleon 1806 den Preußen antat, als er das vierspännige Fahrzeug vom Brandenburger Tor abmontieren und nach Paris bringen ließ, um dort ein europäisches Museum einzurichten.

Unvollendetes Bild ohne ausgeführtes Zepter: "Kaiser Napoleon Bonaparte im Krönungsornat" (Sebastian Weygandt zugeschrieben, 1807/13) (© Museumslandschaft Hessen, Kassel)

Unvollendetes Bild ohne ausgeführtes Zepter: „Kaiser Napoleon Bonaparte im Krönungsornat“ (Sebastian

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Grenzen in Europa zu Opas Jugendzeiten

Wir werden am kommenden Sonntag das Europa-Parlament wählen. Die Frankfurter Sonntagszeitung hat dazu heute eine Sammlung von Grenzerfahrungen veröffentlicht – aus Zeiten, in denen es noch Schlagbäume und Passkontrollen, Geldwechsel und blaue Postsparbücher gab. Zu dem Thema kann wohl jeder aus der Opa-Generation noch Geschichten beisteuern.

Ein ICE der Deutschen Bahn im Bahnhof Paris Gare du Nord.(Foto: Hans H. Pöpsel)

Zum Beispiel 1980: Für einen dreitägigen Kurzurlaub in Holland fuhren wir mit unseren Kindern auf der Autobahn Richtung Arnheim, doch an der Grenzstation konnten wir den niederländischen Zöllnern keine Kinderausweise vorlegen – zu Hause vergessen. Also das Auto gewendet und nachgedacht. Mutig steuerten wir einen anderen, ländlichen Klein-Grenzübergang an, in der Hoffnung, dort nicht kontrolliert zu werden, und so war … Weiterlesen

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Alte Schlachten – junge Sprache: Raoul Schrotts grandiose Übertragung der „Ilias“ des Homer

raoul schrott by u.weier

Raoul Schrott(Foto: U. Weier)

Deutsche litten unter Geständniszwang, heißt es, da mag man nicht nachstehen.

Ja, ich bekenne, ich habe als Abiturient eines neusprachlichen Duisburger Gymnasiums die „Ilias“ des Homer nie kennengelernt, habe als Schüler des Huckinger Reinhard-und-Max-Mannesmann-Gymnasiums in solchen Dingen in die Röhre schauen müssen, obgleich der Lateinlehrer vorrömische Ausblicke sicher hätte eröffnen können. Auch später im Studium lockte uns kein Professor in ureuropäisch-asiatische Gefilde (dazu unten mehr). Und noch viel später bin ich zwar als wilder Leser in die Literatur der Länder und Zeiten aufgebrochen, aber auch dabei habe ich die „Ilias“ weiträumig umgangen.

Und mich immer ein bisschen geschämt dafür, meine Unkenntnis völlig zu Recht als Mangel empfunden. Also kam mir die Gelegenheit gerade recht, vor einiger … Weiterlesen

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Der Irrsinn, die Stadt und der Krieg: Zur Ausstellung „Weltenbrand – Hagen 1914“

Um das Jahr 1900 war das westfälische Hagen – ganz anders als heute – eine prosperierende, aufstrebende Stadt. Mochten auch Nachbarorte wie Dortmund (Freie Reichsstadt im Mittelalter, Hansestadt) eine weitaus längere Geschichte haben, so entwickelte sich doch jetzt auch in Hagen ein bürgerliches Selbstbewusstsein.

Hier wirkte damals der umtriebige Mäzen Karl Ernst Osthaus (1874-1921) mit seinem später so genannten „Hagener Impuls“, der 1902 zum seinerzeit weltweit ersten Museum der Gegenwartskunst führte. Die Blüte zeigte sich auch im Stadtbild: Damals entstanden in Hagen ein neues Rathaus (1903) und ein neuer, repräsentativer Bahnhof (1910), beide in historisierenden Stilformen, dazu das schmucke Stadttheater (1911). Auch eine machtvolle Stadthalle war beinahe fertiggestellt, als im August 1914 der Erste Weltkrieg begann. Damit endete auch Hagens … Weiterlesen

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„Die Spiegel-Affäre“: Starker Politthriller um Augstein und Strauß

Das war ziemlich großes Kino, was uns die ARD (und ein paar Tage zuvor arte) heute geboten hat: „Die Spiegel-Affäre“ war eines jener raren Fernseh-Ereignisse, für die man denn doch gern seine Gebühren zahlt.

Die Älteren erinnern sich – und hoffentlich wissen auch einige Jüngere ein wenig Bescheid: Im Oktober 1962 berichtete das Hamburger Magazin „Der Spiegel“ unter der Schlagzeile „Bedingt abwehrbereit“ über die mangelnde Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr.

Kampf um die Pressefreiheit

Franz Josef Strauß, CSU-Verteidigungsminister im Kabinett Adenauer, witterte Landesverrat und erwirkte (durch mehr oder weniger direkte Weisungen) die Verhaftung des „Spiegel“-Chefs Rudolf Augstein, des Artikel-Autors Conrad Ahlers und weiterer Redaktionsmitglieder. Strauß belog den Bundestag über seinen aktiven Anteil an den Verhaftungen und musste zurücktreten. Die „Spiegel“-Leute kamen nach … Weiterlesen

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„Mittelalter“ als Mummenschanz für Millionen

Am Sonntag hat Familie B. ein paar Stunden auf einem so genannten „Mittelalterfest“ verbracht. Nun könnte man das unter dem bewährten Blutdrucksenkungs-Motto „Hingehen – gucken – weggehen“ abhandeln. Doch dann stünden hier nur wenige Zeilen.

Das Festival hat in Dortmund volle fünf Tage gedauert. Täglich strömten viele Tausend zum Fredenbaum, dem weitläufigen Grün in der Nordstadt. Man wüsste gern, was die Kommune den Veranstaltern abknöpft und wie dann die Umsätze und Gewinne so aussehen. Wahrscheinlich kann man beim Schätzen ziemlich hoch greifen, denn die ganze Chose ist – allem beschaulichen Retro-Anstrich zum Trotz – auf sehr heutige Weise kommerzialisiert. Nur, dass die meisten Verkaufsstände wie notdürftig gezimmert und beschriftet wirken. Aber das gehört zum Konzept.

Ritter auf dem Turnierplatz (Foto: Bernd Berke)

Ritter auf dem Turnierplatz (Foto:

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Ai Weiwei und die Kunst des Konflikts

Er hätte in New York bleiben können, frei, unbehelligt. Immerhin lebte der chinesische Künstler und Architekt Ai Weiwei von 1981 bis 1993 seinen amerikanischen Traum. Aber wer kannte ihn schon? Erst als aufrührerischer Heimkehrer entwickelte Ai ein von der westlichen Welt bewundertes Werk voller Zorn und Schönheit. Der Konflikt mit dem kommunistisch-kapitalistisch agierenden Regime inspiriert ihn zu immer wieder neuen Installationen, die er jetzt in einer grandiosen Schau im Berliner Gropius-Bau zeigt: „Evidence“ – Beweis.

Dass er selbst nicht zur Eröffnung kommen durfte, passt Ai Weiwei durchaus ins Konzept. Das Verbot sei, ließ er vorab verlauten, „ein Kunstwerk an sich“ und spiegele die menschliche Verfassung wider.

Der Künstler Ai Weiwei im Jahr 2012. (Foto: © Gao Yuan)

Der Künstler Ai Weiwei im Jahr 2012. (Foto: © Gao Yuan)

Die chinesischen Behörden … Weiterlesen

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„Menschenschlachthaus“: Wie die Kunst den Ersten Weltkrieg nicht fassen konnte

Gert Heinrich Wollheim: "Der Verwundete" (1919), Öl auf Holz (Privatbesitz Berlin / © Nachlass Gert Wollheim)

Gert Heinrich Wollheim: „Der Verwundete“ (1919), Öl auf Holz (Privatbesitz Berlin / © Nachlass Gert Wollheim)

Als auch die Künstler in den Ersten Weltkrieg geraten, ist ihre anfängliche Kampfes-Euphorie sehr bald vorüber. Die Bilder vom Kriege, zwischen 1914 und 1918 entstanden, enthalten hin und wieder patriotische Appelle, doch kaum noch triumphale Gesten.

Ja, die Kunst macht sich geradezu klein vor der schrecklich übermächtigen Wirklichkeit, wie man jetzt in einer bemerkenswerten Wuppertaler Ausstellung sehen kann. So manche Skizze ist im Schützengraben oder an der Frontlinie entstanden. Dorthin konnte man keine Staffeleien und Leinwände mitnehmen. Doch auch die im Atelier gemalten Ölbilder haben meist bescheidene Ausmaße.

„Menschenschlachthaus“ heißt die Ausstellung mit drastischer Deutlichkeit, der Untertitel lautet „Der Erste Weltkrieg in der französischen … Weiterlesen

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In einer Welt ohne Halt und Gewissheit: Joseph Conrads „Lord Jim“ neu übersetzt

Welch ein machtvoller Roman! Man spürt schon beim Einstieg den schweren Ernst, die Größe und Tiefe. Wahrlich kein Wunder, dass es „Lord Jim“ von Joseph Conrad zu einiger Berühmtheit gebracht hat. Jetzt liegt der monumentale Titel in neuer Übersetzung vor. Eine lohnende Anstrengung, die uns den Klassiker wieder näher bringen kann.

Jener Jim heuert auf dem Pilgerschiff „Patna“ an, das Hunderte von armseligen Passagieren an Bord hat. Das Schiff, auf dem ein wahrhaft hässlicher Deutscher das Kommando führt, ist ein durch und durch maroder Seelenverkäufer.

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Durch eine fluchwürdige Reihe von Zufällen gerät Jim (Häufig wiederholter Ausruf oder auch Seufzer: „Er ist einer von uns“) in eine furchtbar schuldbehaftete Lage: Es sieht ganz danach aus, als hätte er mit dem üblen … Weiterlesen

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Russland gehört zu Kultur-Europa

Ich sehe die Geschehnisse in der Ukraine und denke, das kann doch nicht wahr sein. Jetzt ist Rußland wieder der Feind? Das Reich der finsteren und selbstverständlich unbelehrbaren Despoten? Die ideologische Konfrontation schien doch überwunden. Und die  Gegenüberstellung von „Europa“ und „Rußland“ ist doch geographischer Unsinn. Europa geht bis zum Ural, natürlich liegt Moskau in Europa.

Um nicht mißverstanden zu werden: Ich will hier kein politisches Urteil fällen. Nach meinem Eindruck haben beide Seiten des Konflikts gravierende Fehler gemacht, die aber alle nicht in den Untergang führen müssen. Mir geht es, ich bitte um Entschuldigung für den bombastischen Sound, um „Kultur-Europa“, in dem die russische Kultur größte Bedeutung hat. Landauf, landab spielen Theater und Konzertsäle in allen europäischen Ländern Tschechow … Weiterlesen

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Nichts blieb, wie es war: Herfried Münklers umfassendes Werk über den Ersten Weltkrieg

muenkler Es hätte ein deutsches Jahrhundert werden können – im positiven Sinn. Ob Wissenschaft, Technik, Medizin oder Industrie: Deutschland nahm 1914 in Europa durchaus eine Vorreiterrolle ein und erfuhr vielfältige Anerkennung.

Verheißungsvoll waren auch die Signale des südlichen Nachbarn, der k.u.k. Monarchie. Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand wollte den einzelnen Nationalitäten mehr Eigenständigkeit gewähren, um auf diese Weise den Vielvölkerstaat in eine sichere Zukunft zu führen. „Wo ist da also das Problem?“, drängt sich als Frage am Vorabend des 1. Weltkrieges auf. Wieso es dann doch zur „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ kam, um den amerikanischen Historiker George F. Kennan zu zitieren, analysiert der deutsche Politikwissenschaftler Herfried Münkler in seinem eindrucksvollen Werk „Der große Krieg“ und geht noch einige Schritte weiter.

Welche Folgen … Weiterlesen

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„Menschheitsdämmerung“ – die Bochumer Symphoniker erinnern vielfältig an 1914

Georg Heym gilt als Begründer der expressionistischen Lyrik.

Georg Heym gilt als Begründer der frühen expressionistischen Lyrik. 1911 verfasste er die wichtigen Gedichtsammlungen „Die Stadt“ und „Der Krieg“.

1914 – Das Gedenken an einen der markantesten Punkte der deutschen/europäischen Geschichte, von manchen als Ur-Katastrophe des Kontinents bezeichnet, ist vielfältig. Das Jahr, in dem der 1. Weltkrieg ausbrach, und heuer ein Zentenarium zurückliegt, haben Historiker und andere Geisteswissenschaftler zum Anlass genommen, um in Buchform erneut auf die Ereignisse zu blicken – sei es in Form einer Gesamtschau oder in der Fokussierung auf Einzelaspekte. Zahlreiche Museen, auch und besonders in Nordrhein-Westfalen, wollen das Interesse ebenfalls wecken – mit zahlreichen Dokumenten oder Zeugnissen der Kunst jener Zeit.

Vom Allgemeinen zum Besonderen: Die Bochumer Symphoniker haben einen Reigen namens „Endspiel“ aufgelegt – … Weiterlesen

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Das Volk bei Laune halten – Filme mit Rühmann

Die Kinofilme mit Heinz Rühmann (1902-1994) zählen auch zum eisernen Bestand des Fernsehens. Immer mal wieder werden die Klassiker wiederholt – vor allem mit Blick auf ein gereiftes Publikum.

Wie ich darauf komme? Nun, heute war beim Kulturkanal arte mal wieder Helmut Käutners „Der Hauptmann von Köpenick“ (1956) zu sehen. Bei solchen Anlässen schwelgen viele in nostalgischen Gefühlen.

An alte Erfolge angeknüpft

Damals hatte der Film rund 10 Millionen Kinozuschauer und war somit der meistgesehene Streifen der Saison. Spätestens damit knüpfte Rühmann an seine Erfolge aus Vorkriegs- und Kriegszeiten („Die drei von der Tankstelle“, „Die Feuerzangenbowle“ und viele, viele andere) an.

Alle stehen stramm vor ihm: Heinz Rühmann als "Hauptmann von Köpenick". (© ARD/Degeto)

Alle stehen stramm vor ihm: Heinz Rühmann als „Hauptmann von Köpenick“. (© ARD/Degeto)

Man kann es nicht verschweigen: Bis … Weiterlesen

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TV-Nostalgie (9): „Bonanza“ – eine Western-Serie für alle Zeiten

Es war höchstwahrscheinlich der berühmteste Serienvorspann aller TV-Zeiten: die brennende Landkarte, die Reiter vor den blauen Bergen, dazu diese unverwechselbare, gleichsam galoppierende Melodie. Wir reden natürlich von „Bonanza“!

Lorne Greene als Ben Cartwright (Screenshot aus: http://www.youtube.com/watch?v=8864qJJooLY)

Lorne Greene als Ben Cartwright (Screenshot aus: http://www.youtube.com/watch?v=8864qJJooLY)

Man muss eigentlich nur in Stichworten reden, damit alle Älteren (und auch noch viele Jüngere) hinreichend Bescheid wissen: Ponderosa. Die Cartwrights. Ben, Adam, Hoss, Little Joe… Oder auch Hop Sing. Das war der chinesische Koch auf der berühmten Ranch.

Anfangs wegen „Brutalität“ abgesetzt

Die im Herbst 1959 in den USA gestartete Western-Reihe lief ab 13. Oktober 1962 im Deutschen Fernsehen, selbstredend im ersten Programm, denn damals gab es ja noch kein ZDF. Doch bereits nach 13 Folgen wurde die Ausstrahlung wieder eingestellt – wegen … Weiterlesen

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Er war der Bariton des Wirtschaftswunders: Fred Bertelmann ist tot

Er spielte klassisches Theater (u.a. „Götz von Berlichingen“ oder „Der Widerspenstigen Zähmung“), er füllte Boulevard-Theater-Säle („Die Sonny-Boys“) oder Musical-Bühnen („Kiss me Kate“), er war jahrelang Star an der Oper in Chicago in „Showboat“, er spielte Cello, Violine und Trompete, er wollte mal Kinderarzt werden … und: Wie kaum ein anderer malte er mit seinem warmen Bariton das Lebensgefühl der 1950-er Jahre: Fred Bertelmann, der Junge aus Duisburg-Meiderich, ist am gestrigen Mittwoch mit 88 Jahren gestorben.

Screenshot aus: http://www.youtube.com/watch?v=k7uPpGXb2Po

Screenshot aus: http://www.youtube.com/watch?v=k7uPpGXb2Po

Als ich davon las, hatte ich sofort das Bild des „Lachenden Vagabunden“ vor Augen und dieses Lied im Ohr, hörte die fröhliche Melodie (eigentlich „Gambler’s Guitar“ von Jim Lowes) und Fred Bertelmanns schallenden Lachgesang, mit dem er 1957 die Hitlisten in Deutschland … Weiterlesen

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Ihre Karriere begann in Gelsenkirchen: Die Sängerin Marilyn Horne wird 80

„Die größte Sängerin der Welt“: Was wie eine maßlose Übertreibung klingt, hat der Gesangsexperte Jürgen Kesting in seinem Standardwerk über große Sänger als Überschrift für das Kapitel über Marilyn Horne gewählt. Stimmkenner sind sich einig: Die Amerikanerin, die am 16. Januar 2014 achtzig Jahre alt wird, bleibt auf dem Feld des Belcanto ungeschlagen. Begonnen hat die Karriere der warmherzigen Frau mit den strahlend blauen Augen vor 57 Jahren in Gelsenkirchen.

Im Juli 1957 reiste die 23-jährige, in Bradford, Pennsylvania, geborenen Marilyn Horne von Wien aus ins Ruhrgebiet. In eine Stadt, die geprägt war von Bergbau und Schwerindustrie, noch versehrt von Wunden des Krieges, doch schon beflügelt vom Wiederaufbau: Das neue Theater war in Planung. Noch spielte man in der Schauburg … Weiterlesen

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TV-Nostalgie (8): „Mit Schirm, Charme und Melone“ – ein Fall von Pop-Kunst

Was lief am 18. Oktober 1966, einem Dienstag, erstmals abends im ZDF-Programm? Nun, es war der Auftakt zu einer Serie, die schnell zum Überraschungserfolg geriet und bald legendären Status erlangte.

„Mit Schirm, Charme und Melone“ (Original „The Avengers = „Die Rächer“) hieß die britische Reihe, eine rasante Mixtur aus Agentenfilm, Krimi und Science Fiction; mit blühender Phantasie erdacht und anfangs in kräftigem Schwarzweiß ausgemalt, elegant und humorvoll gespielt, mit (ironisch abgefederter) Action gepfeffert. Übrigens brachte der deutsche Titel – viel besser als der englische – einige Essenzen der Reihe auf den Begriff.

Der Gentleman und die starke Frau

Die beiden Hauptpersonen, die da in schöner Regelmäßigkeit Großbritannien und die (westliche) Welt vor den apokalyptisch gefährlichen Hirn-Ausgeburten teuflisch böser Genies retteten, … Weiterlesen

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Kindheitsmuster der Nachkriegszeit – Volker Reiches Graphic Novel „Kiesgrubennacht“

Irgendwann muss sich jedes Genre auch mal nobilitieren. Und so reden wir nicht mehr durchweg vom Comic, sondern raunen seit einigen Jahren gern von „Graphic Novel“, als quasi von bildnerisch gestalteten Romanen. Auf dem Felde mischt auch der ehrwürdige Suhrkamp-Verlag mit. „Kiesgrubennacht“ heißt die umfängliche Schöpfung des Zeichners und Texters Volker Reiche. Tatsächlich gehört Reiche (der 2002 bis 2010 für die FAZ den Comicstrip „Strizz“ schuf) zu jenen, die diesen hehren Begriff adäquat füllen können. Mit diesem sehens- und lesenswerten Band beweist er es.

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Reiche schildert Szenen seiner eigenen Kindheit, die Geschichte setzt im Nachkriegssommer 1948 ein, als der kleine Volker vier Jahre alt ist und in einem knallgelben „Luftanzug“ herumtollt, der zum Fanal für die verheißungsvollen Seiten des Kindseins … Weiterlesen

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Als Dortmund einmal (fast) holländisch war…

Wenn man in der Adventszeit oder in den Tagen davor über den Dortmunder Weihnachtsmarkt mit dem wunderlichen Groß-Baum gebummelt ist, dann hat man nicht nur westfälische Mundart gehört, sondern auch englische Unterhaltungen und vor allem Holländisches. Im Königreich der Niederlande hat sich der heimelige Ruf der westfälischen Metropole eben herumgesprochen.

Blick vom Dortmunder Rathaus auf das alte und neue Stadthaus mit der Berswordt-Halle (Foto: Bernd Berke)

Blick vom Dortmunder Rathaus auf das alte und neue Stadthaus mit der Berswordt-Halle (Foto: Bernd Berke)

Dabei ist der Bezug zu Holland gar nicht so weit hergeholt – zumindest aus historischer Sicht: Als Napoleons Truppen zu Anfang des 19. Jahrhunderts halb Europa mit ihrem Eroberungs- und Befreiungskrieg überzogen, da war auch die Freie Reichsstadt Dortmund diesen Titel bald los.

Ab 1802 gehörte Dortmund als Exklave zum Fürstentum Oranien-Nassau, und das … Weiterlesen

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Die Schrecken des „Großen Krieges“

In wenigen Tagen beginnt das neue Jahr: 2014. Es wird uns mit großer Deutlichkeit an ein Ereignis erinnern, das einhundert Jahre zurückliegt und unendliches Leid in viele Familien brachte – der Erste Weltkrieg begann am 1. August 1914.

Ein Zug mit Sioldaten auf dem Weg an die Front im Bahnhof Milspe.<br /><br /><br /><br /><br /><br />
(Foto: Stadtarchiv Ennepetal)

Ein Zug mit Soldaten auf dem Weg an die Front 1914 im Bahnhof von Milspe. (Foto: Stadtarchiv Ennepetal)

Mit Begeisterung zogen nicht nur in Deutschland die meisten Männer in diese unsinnige Schlacht, doch schon nach wenigen Monaten begann das große, dreckige Sterben und sorgte für Ernüchterung allenthalben. Schon in den ersten Kriegswochen trafen die zuvor kaum bedachten Meldungen über Gefallene in der Heimat ein, denn man hatte sich meist nur einen kurzen Kampf vorgestellt. „Auf zur Visite beim Väterchen Franz“ stand zum … Weiterlesen

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Menschen kreisen nur um sich: Edith Wharton beschreibt den „Dämmerschlaf“ der 20er Jahre

Was ist das für ein Leben in der Upperclass der Vereinigten Staaten in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, auch Roaring Twenties genannt? Der Oberschicht fehlte es an nichts, materiell gesehen. Gute Jobs, gutes Geld, bester Lebensstandard. Je mehr man aber als Leser von Pauline Manford erfährt, die in Edith Whartons Roman „Dämmerschlaf“ die Schlüsselrolle einnimmt, desto klarer wird der Blick auf die gesellschaftlichen Verhältnisse. Der Alltag ist im Aktionismus erstarrt, ein Termin jagt den nächsten. Ob das Engagement hier und Einsatz dort überhaupt zueinander passen: Wer will das schon wissen?

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Da fällt es dann auch nicht ins Gewicht, wenn Pauline ihre Rede verwechselt. Was eigentlich diejenigen vernehmen sollten, die für Geburtenkontrolle ins Feld ziehen, hörten die Befürworterinnen der uneingeschränkten … Weiterlesen

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Denkmal der Deutschen, die Demokratie wagen: Willy Brandt wäre 100 Jahre alt geworden

Wir lauschten in einen Bildschirm, auf dem nur eine Person und deren markantes Gesicht zu sehen war, eine Person, die sich anschickte einer der historischen Bundeskanzler dieser Republik zu werden.

Wir, das waren Christine Markhoff, Malte Markhoff, Klaus Mendel und Rosel Linner und ich (das war so ziemlich der Kernbestand der damaligen Schwerter Ruhrnachrichten). Politisch waren wir aus unterschiedlichen Ecken, doch eines einte uns: Wir waren ziemlich gefesselt von dem, was dieser Willy Brandt 1969 als persönliche Botschaft ins Land schickte: „Mehr Demokratie wagen!“

Der damalige Bundeskanzler Willy Brandt beim Besuch der Dortmunder Zeche Minister Stein am 1. März 1974. (Bild: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung/Ulrich Wienke)

Der damalige Bundeskanzler Willy Brandt beim Besuch der Dortmunder Zeche Minister Stein am 1. März 1974. (Bild: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung/Ulrich Wienke)

Am 18. Dezember wäre Willy Brandt 100 Jahre alt geworden. Er ist bereits … Weiterlesen

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Was Willy Brandt und Erich Ollenhauer gemeinsam haben

Weil Willy Brandt an diesem 18. Dezember 100 Jahre alt geworden wäre, werden allerorten sein Wirken und seine Persönlichkeit gewürdigt – auch in diesem Blog natürlich. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands hat in diesen Tagen aber auch noch eines anderen großen Streiters zu gedenken: Erich Ollenhauer. Er starb am 14. Dezember vor 50 Jahren.

Die beiden sozialdemokratischen Politiker haben außer diesen beiden Daten im Dezember aber noch einiges mehr an Gemeinsamkeiten: Beide arbeiteten zeitweise als Journalisten und begannen ihre politische Arbeit für die SPD in der Weimarer Republik – Ollenhauer nach seiner Buchdruckerlehre in seiner Geburtsstadt Magdeburg seit 1919 als Redakteur der „Magdeburger Volksstimme“, Willy Brandt ab 1927 als Autor ebenfalls in seiner Geburtsstadt für den „Lübecker Volksboten“, allerdings unter dem … Weiterlesen

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Willy Brandt: Größer als ein übliches Porträt

Willy Brandts legendärer Kniefall in Warschau am 7. Dezember 1970. (© WDR/Interfoto)

Willy Brandts legendärer Kniefall in Warschau am 7. Dezember 1970. (© WDR/Interfoto)

Eigentlich waren auch 95 Minuten Sendezeit viel zu kurz, um einen Stoff wie „Willy Brandt: Erinnerungen an ein Politikerleben“ (arte) auch nur annähernd zu fassen. Einer wie er sprengt den Rahmen der üblichen Porträts.

Vor allem politische Freunde und journalistische Weggefährten äußerten sich über den großen Sozialdemokraten, der am 18. Dezember 100 Jahre alt werden würde. Es war eine Würdigung ohne Misstöne. Das fiel kein böses Wort über den Porträtierten. Und tatsächlich: Was hat dieser Mann nicht alles erreicht! Und wie sehr fehlen uns heute Politiker von solchem Charisma, von solchem Schrot und Korn. Vor allem die klugen Einschätzungen des langjährigen Brandt-Mitarbeiters Egon Bahr brachten einem die menschliche … Weiterlesen

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Herr K. in der Puppenkiste: „Amerika“ am Schauspiel Köln

Foto: Sandra Then

Foto: Sandra Then

„Bienvenue, willkommen, welcome“ ruft der Conférencier. Aber er begrüßt nicht die Zuschauer im Kabarett, sondern im „großen Theater von Oklahoma“. Und das steht in Amerika, genauer gesagt in Kafkas „Amerika“, dem unvollendeten Roman, den jetzt das Schauspiel Köln auf die Bühne brachte.

Das Werk wurde postum 1927 veröffentlicht. Kafka schrieb zwischen 1911 und 1914 an dem „road movie“ über Karl Roßmann, der in die USA auswandert, aber nicht sein Glück macht, sondern von Menschen, Umständen und dem Schicksal herumgeschubst wird und schließlich – heute würde man sagen – Praktikant im Theater von Oklahoma wird, das „jeden gebrauchen kann“.

Das Bezaubernde an Moritz Sostmanns Inszenierung ist nun, dass sein Karl von einer Puppe dargestellt wird: Fragil, mit traurigem … Weiterlesen

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Serena Frome statt James Bond – Ian McEwans Geheimdienstroman „Honig“

Ian McEwan ist jemand, der noch die wildesten oder auch trockensten Vorgänge im süffig fließenden Plauderton darzustellen vermag, ein Erzähler von hohen Graden der Unterhaltsamkeit. Die gehörige Substanz wird dabei quasi nebenher und subkutan verabreicht.

Diesmal heißt seine Hauptfigur Serena Frome. Die junge Frau stammt aus einem stocknüchternen, stocksteifen anglikanischen Bischfoshaus in der englischen Provinz. Selbst die gesellschaftlichen Bewegungen der 60er Jahre kommen dort nur äußerst gedämpft an. Aus eher unerfindlichen Beweggründen studiert Serena Mathematik, liest aber nebenher wahllos alle möglichen und unmöglichen Romane.

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Durch eine ziemlich bizarre Abfolge diverser Liebschaften rutscht sie unversehens in den britischen Geheimdienst MI 5 hinein, als bessere Hilfskraft und „Tippse“. Frauen können dort schon mal gar nichts werden, es herrscht eine undurchdringliche, noch kolonialistisch … Weiterlesen

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Heute vor 80 Jahren entstand der Ein-Parteien-Staat der Nazis auch offiziell

Jahrestage sind immer wieder ein Grund zum Nachdenken – zum Beispiel auch dieser 1. Dezember. Heute vor acht Jahrzehnten wurde der Ein-Parteien-Staat in Deutschland, also die absolute Herrschaft der NSDAP, durch ein scheinbar legal entstandenes Gesetz auch offiziell besiegelt.

Als die letzten noch einigermaßen freien Reichstagswahlen vom 5. März 1933 ausgezählt waren, da hatten die Nazionalsozialisten – entgegen ihren eigenen Erwartungen – mit ungefähr 44 Prozent der gültigen Stimmen die absolute Mehrheit verfehlt. Hitler und seine Partei ergriffen daraufhin illegale Mittel: Kommunustische Reichstags-Abgeordnete wurden unter Vorwänden (unter anderem der Reichstagsbrand) verhaftet, und als es im Parlament am 24. März 1933 zur Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz kam, da stimmten nur noch die Sozialdemokraten dagegen. Auch die bürgerlichen Abgeordneten, darunter auch der … Weiterlesen

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TV-Nostalgie (5): „Liebling Kreuzberg“ – Das Glück des Müßiggangs im Kiez

Vielleicht waren die 1980er Jahre die letzte wirklich fruchtbare Fernsehzeit. Damals liefen beispielsweise grandiose, ja unsterbliche Serien wie „Monaco Franze“, „Kir Royal“ – und „Liebling Kreuzberg“.

Manfred Krug als Anwalt Liebling war sozusagen die Berliner Antwort auf die genannten Münchner Edelserien. Die Autoren galten etwas in der literarischen Welt, sie erwiesen sich hier zudem als Schriftsteller, die ein Millionenpublikum auf hochbeachtlichem Niveau zu unterhalten vermögen: Die ersten drei Staffeln schrieb Jurek Becker, dann übernahm Ulrich Plenzdorf. Ach, das waren noch Zeiten, als solche Leute TV-Serien verfassten.

Ganz entspannt in der Kanzlei: Anwalt Robert Liebling (Manfred Krug). © ARD/Screenshot aus http://www.youtube.com/watch?v=3kHio8EwgBc

Ganz entspannt in der Kanzlei: Anwalt Robert Liebling (Manfred Krug). © ARD/Screenshot aus http://www.youtube.com/watch?v=3kHio8EwgBc

Dreitagebart und Schlapphut

Ich habe mir jetzt die allererste Folge vom 17. Februar 1986 noch einmal angesehen und mich dabei … Weiterlesen

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