Archiv der Kategorie: Allgemein

Kunstwerk für Millionen – HA Schults Auto-Denkmal im Dortmunder Hauptbahnhof

Von Bernd Berke

Dortmund. Da eilte selbst Oberbürgermeister Günter Samtlebe herbei und hielt eine launige Ansprache. Denn nicht alle Tage gibt sich ein so prominenter Aktionskünstler wie HA Schult in Dortmund die Ehre. Mitten in die Empfangshalle des Hauptbahnhofs hat Schult ein Marmor-Auto postiert.

An diesem Kunstwerk werden bis zum 4. August wohl einige Millionen Menschen vorübergehen, denn täglich sind’s im Schnitt rund 120 000, die durch den Bahnhof hasten. Das meiste Aufsehen erregte gestern Schults schrille Muse Elke Koska, die übrigens aus Dortmund stammt und hier das Mallinckrodt-Gymnasium besucht hat. Sinnierte Günter Samtlebe: „Da kann man mal sehen, was aus den Leuten so wird.“

Das gar nicht aus Marmor bestehende, sondern marmorierend bemalte Fahrzeug (besser: „Steh-Zeug“) prangte 1994 als … Weiterlesen

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Aus Lust und Liebe wird rohe Gewalt – Düsseldorf: Karin Beier inszeniert „Sommernachtstraum“ in neun Sprachen

Von Bernd Berke

Düsseldorf. In grauer Vorzeit wurden alle Wesen in eine männliche und eine weibliche Hälfte geteilt. Seitdem, so will es der griechische Mythos, gibt es die Sehnsucht nach Vereinigung. Und irgendwann fiel die Menschheit in babylonische Sprachverwirrung. Seither, so steht’s in der Bibel, ringen wir um Verständigung. Karin Beiers Düsseldorfer „Sommernachtstraum“-lnszenierung handelt von den Folgen beider Ur-Trennungen.

In neun bunt durcheinander gewirbelten Sprachen wird Shakespeares Stück vom internationalen Ensemble gespielt: Italienisch, Englisch, Französisch, Hebräisch, Ungarisch, Polnisch, Bulgarisch, Russisch und Deutsch.

Man muß sich erst an den schwindelerregenden Wechsel der Idiome gewöhnen. Doch die so verschiedenen Sprachmelodien verleihen dem Text musikalische Qualität, als spielten da diverse Instrumente eines Orchesters; schrille Mißklänge inbegriffen. Denn die Figuren und ihre Sprachen hetzen … Weiterlesen

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Die artige Avantgarde – Wuppertals Museum zeigt Ausstellung über Worpsweder Künstlerkolonie

Von Bernd Berke

Wuppertal. Idyllen, wohin man auch blickt: Die Bäuerin stillt am Ackersrande ihr Kind. Der Pfarrer hält eine Andacht im Freien – und alle lauschen demutsvoll. Die alte Märchenerzählerin spinnt Geschichten aus, die Kleinen bleiben ganz brav dabei. Es herrscht, so scheint es, tiefer Frieden im Land.

Der Eindruck von artigen, frommen und tugendsamen Zeiten läßt kaum den Gedanken aufkommen, daß die berühmte Künstlerkolonie Worpswede bei Bremen, in der solche Bilder entstanden sind, bei den Zeitgenossen als ein Posten der Moderne gegolten hat. Paßt das denn zusammen: heile Welt der Ackerkrume und avantgardistischer Anspruch?

Unverfälschte Natur gesucht

Otto Modersohn, Fritz Mackensen, Heinrich Vogeler, Fritz Overbeck und Hans am Ende wollten, nach dem Beispiel französischer Freiluftmaler, in möglichst unverfälschter … Weiterlesen

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Kunst aus dem Verborgenen – Erstaunliche Kostproben aus Dortmunder Privatsammlungen

Von Bernd Berke

Dortmund. Zugegeben: Einen Mäzen wie Peter Ludwig, der komplette Museen aus seinen Kunstkollektionen bestücken kann, gibt es in Dortmund nicht. Doch auch hier wachsen hochkarätige Sammlungen.

Sie werden freilich – typisch westfälisch? – nicht mit Pomp und Getöse, sondern in aller Stille zusammengetragen. Jetzt bekommt man erstmals Kostproben zu sehen. Und man reibt sich erstaunt die Augen: Solche museumsreifen Exponate stammen also aus Dortmunder Privathäusern!

Bestand reicht für eine Fortsetzung

Mit der Ausstellung „Dortmund sammelt“ gastiert die bundesweit renommierte, vor allem mit Expressionisten hervorgetretene Galerie Utermann im Harenberg City-Center. Wilfried Utermann verfügt natürlich über vielfältige Kontakte zu Kunstsammlern. Er hat Einblick in die Schätze, die – zumal durch seine eigene Präsenz am Kunstmarkt – in Dortmund vorhanden … Weiterlesen

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Hansgünther Heyme wird 60: Lektionen von der Bühne herab

Von Bernd Berke

Ein Theater, das sich bloß kulinarisch gibt oder psychologische Feinheiten ausspinnt, ist seine Sache nicht. Er will das Publikum belehren. Dabei hat der Regisseur Hansgünther Heyme, der heute 60 Jahre alt wird, den Zuschauern manchmal staubtrockene Lektionen unterbreitet.

In Zeiten der Beliebigkeit ist Heymes Festhalten am Theater als einer „moralischen Anstalt“ sympathisch zu nennen. Irgendwie muß man ihn mögen, diesen „Dickkopf“, der nicht davon abläßt, etwa antike Dramen und deutsche Klassiker auf ideologischen Gehalt zu überprüfen. Ästhetisch war es aber doch gelegentlich zum Verzweifeln, wenn er etwa Goethes/Fausts „Gretchen“ kurzerhand eine Rockgitarre umhängte oder Schillers „Räuber“ ohne große Umschweife mit Neonazis kurzschloß.

In der jüngsten Theatergeschichte des Reviers spielt Heyme eine bedeutende Rolle: Sein vehementes Eintreten für … Weiterlesen

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Acht Bilder und ein Name – „Weight and Measure Drawings“ von Richard Serra in Dortmund

Von Bernd Berke

Dortmund. Eine Ausstellung mit acht Zeichnungen? Ja, lohnt sich denn da überhaupt der Weg zum Dortmunder Ostwall-Museum? Nun ja. Es sind Riesenformate, und sie stammen von einem Heros der neueren Kunst: dem Amerikaner Richard Serra.

Dortmunds Kunstverein, der mit dieser Schau am Ostwall gastiert, kann sich auch mit dem bloßen geographischen Verlauf der Wanderausstellung brüsten. Die bisherigen Stationen hießen New York, Baltimore und Lissabon. Nun ist Dortmund als einzige deutsche Stadt an der Reihe, es folgen Miami und eventuell Tokio. Da werden weltstädtische Träume wach.

Im Februar war Richard Serra kurz hier und hat den Ort des Geschehens inspiziert, die Hängung übernahm nun – nach exakten Vorgaben des Meisters – einer seiner Assistenten. Serras große Stahlskulpturen (für … Weiterlesen

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Christos frohe Botschaft von der Verhüllung des Reichstags – Aachener Skizzen-Ausstellung im Vorfeld der Berliner Aktion

Von Bernd Berke

Aachen. Wenn der Künstler Christo ab 17. Juni den Berliner Reichstag verhüllt, werden restlos alle Deutschen glücklich sein. Warum? Christos Gefährtin Jeanne-Claude verriet es gestern in Aachen: 80 Prozent freuen sich, wenn die Hülle aufs Gebäude gelegt wird – und 20 Prozent frohlocken. wenn man sie wieder abzieht.

Christo Javacheff erschien im üblichen Räuberzivil und mit genialisch-wirrem Haarschopf. Der Bulgare, der seit Langem in New York lebt, erinnert ein wenig an „Stadtneurotiker“ Woody Allen.

Gefährtin ist um kein Wort verlegen

Er und seine um kein Wort verlegene Ehefrau (Christo: „Nun laß mich doch auch mal antworten“) kamen jedenfalls ins Aachener Suermondt-Ludwig-Museum, um eine Ausstellung mit Skizzen sowie Fotografien zu dieser und zu früheren Verhüllungen (Pariser Brücke Pont … Weiterlesen

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Im Schattenreich der Lüste – Ausstellungen über Toulouse-Lautrec und Hopper in Bremen

Von Bernd Berke

Bremen. Die Dame hat ihre Lippen ganz leicht gekräuselt und gestülpt. Zeichen einer bloßen Augenblickslaune? Nicht, wenn einer wie Henri de Toulouse-Lautrec hingeschaut hat. Sein Blatt „In den Vierzigern“ fängt den Zustand einer ranzig gewordenen Ehe in der unscheinbaren und doch vielsagenden Mimik eines Moments ein.

234 Lithographien umfaßt die großartige Ausstellung der Kunsthalle Bremen: Da sind sie alle beisammen – die verderbten Königinnen der Nacht, die etwas schäbigen Priesterinnen der Gier, dazu ihre Kunden und Kavaliere, zumeist fettwanstige Wüstlinge. Manche der Frauen wirken, als seien sie – nach vielerlei Ausschweifung – tief in ihrer Seele über alles Weltliche und Männliche erhaben.

Fasziniert und und angewidert

Das Panoptikum der „Pariser Nächte“ zwischen 1890 und 1901 zeigt keineswegs … Weiterlesen

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Shakespeare als Kind und als Karnevalist – Berliner Theatertreffen: Verdruss mit dem Klassiker, Glück mit Jelinek

Von Bernd Berke

Berlin. „Wow, sterben! Echt?“ So spricht sonst keine Julia von Shakespeare, so quatschen vielleicht Comic-Figuren oder „Szene“-Typen. Doch wenn eine Regisseurin wie Karin Beier sich das alte Liebesdrama in Frank Günthers Übersetzung vorknöpft, wächst Julia der Schnabel anders.

Es stand zu befürchten, daß das Berliner Theatertreffen nach seinem Senkrechtstart (die WR berichtete) ins Trudeln geraten würde. Tatsächlich legte die Düsseldorfer Version von „Romeo und Julia“ keine sonderliche Ehre ein. Der Beifall des kundig-kritischen Berliner Publikums im Schillertheater (als Staatsbühne bekanntlich weggespart) war Pflichtübung, mit Buhrufen für die Regie versetzt.

Karin Beier, die schon in der freien Szene mit Shakespeare umsprang und dann von Volker Canaris ans Düsseldorfer Schauspielhaus geholt wurde, setzt das berühmte Paar (Matthias Leja, Caroline … Weiterlesen

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Wuppertal: Museum muß vorerst keine Bilder verkaufen – Ratsbeschluß sorgt nur für vorläufige Entwarnung

Von Bernd Berke

Wuppertal. Vorläufige Entwarnung: Das Ansinnen der Stadt ans Von der Heydt-Museum, zwecks Aufbesserung der Finanzen einige Bilder zu veräußern, ist erst einmal vom Tisch. Dennoch hängt weiter ein Damoklesschwert über dem Museum.

Einstimmig beschloß der Wuppertaler Stadtrat am Montagabend eine Dreipunkte-Erklärung zum bundesweit beachteten Bilder-Streit. Darin heißt es u. a., einen regelmäßigen (!) Verkauf von Kunstwerken zur Etat-Steigerung dürfe es nicht geben. Damit bleibt die Möglichkeit offen, von Fall zu Fall eben doch solche Aktionen ins Auge zu fassen.

Weiter enthält der Ratsbeschluß einen Dank an die Stifter von Kunstwerken, denen man die Sorge nehmen will, die von ihnen zur Verfügung gestellten Werke könnten zur etwaigen Verkaufsmasse gehören. Schließlich wird festgelegt, daß nur die Museumsleitung selbst über … Weiterlesen

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Als Natur schon künstlich wurde – Deutsche Graphik der Goethezeit im Wuppertaler Museum

Von Bernd Berke

Wuppertal. „Zurück zur Natur!“ rief Jean-Jacques Rousseau. Um 1800, zur vielbeschworenen Goethezeit, folgten auch viele deutsche Künstler dem Appell. Es war fast zu spät, denn am historischen Horizont dämmerte schon die Industrialisierung herauf und drohte die Idyllen zu zerstören. Wie Graphiker des Klassizismus und der Romantik die Natur sahen, zeigt jetzt ein breiter Überblick Im Wuppertaler Von-der-Heydt-Museum. 260 Arbeiten aus Eigenbesitz sind zu sehen.

Das Verhältnis zur Natur muß schon damals oft recht künstlich gewesen sein. Zahllose Ideallandschaften mit all ihren pittoresk drapierten Zutaten hat es so niemals gegeben. Es waren geschönte Postkarten-Ansichten, aus lauter Versatzstücken gefügt. Hier eine antike Säule, dort ein edel, tugendsam oder heroisch aussehendes Menschlein, und im Hintergrund hatten sich derweil Wald und … Weiterlesen

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Joan Hoet und die „Oase von Schwerte“ – Diskussion mit dem documenta-Chef in der Ruhrstadt

Von Bernd Berke

Schwerte. Wenn das kein Lob aus berufenem Munde ist: Als „Oase in der Stadt“ hat Jan Hoet, Chef der vor einem Monat beendeten documenta, den rührigen Schwerter Kunstverein bezeichnet.

Hoet gab sich am Mittwoch abend in der Ruhrstadt die Ehre – und viele, viele kamen. Gleich zweimal mußte das Publikum in einen jeweils größeren Raum wechseln, bevor die Diskussion über Gegenwartskunst beginnen konnte.

Vom documenta-Dauerstreß ein wenig erholt, ging Hoet vor allem mit der Kunstkritik hart ins Gericht, die die Kasseler Schau überwiegend „verrissen“ hatte. Jawohl, er fühle sich „irritiert und verletzt“, bekannte Hoet. Nur wenige Rezensenten hätten die Schau als das genommen, was sie gewesen sei: als „offenes Feld“. Statt jedes Werk individuell zu betrachten, habe … Weiterlesen

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Ein Schwabe sorgt für Kunstgenuß in Dortmund – Secessions-Bilder aus Rolf Deyhles Sammlung

Von Bernd Berke

Dortmund. Großer Tusch zur Dreifach-Premiere in Dortmund: Das Museum für Kunst- und Kulturgeschichte ist gewachsen; der Unternehmer Rolf Deyhle präsentiert erstmals seine Sammlung in unseren Breiten; die neue Dortmunder „Kultur und Projekte GmbH“ debütiert.

Atem holen und der Reihe nach: Das Museum an der Hansastraße öffnet sich nun auch in Richtung Bahnhof. Bedeutsam auch der Flächenzuwachs um 1000 qm, verteilt auf drei Räume, die – ohne architektonische Mätzchen – sich ganz in den Dienst der Kunst stellen. Damit verglichen, darbt das Ostwall-Museum. An der Hansastraße leitet Wolfgang Weick nunmehr das (teu)erste Haus am Platze.

Klar, daß man diesen Anbau nicht mit einer x-beliebigen Schau eröffnen konnte. Glücksfälle häuften sich, so daß man nun die neuen Hallen mit … Weiterlesen

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Ein Schönling schmilzt dahin – Bodo Kirchhoffs filmreifer Roman „Infanta“

Von Bernd Berke

„Mindanao, Cebu City, Frankfurt und Rom – Januar 1985-Januar 1990″. Diese „Signatur“ von Bodo Kirchhoff am Schluß seines Romans läßt auf mehrerlei schließen. Der Autor ist reisefreudig, und er hat sich beim Schreiben Zeit gelassen. Er hat sich nicht dem Zwang unterworfen, jedes Jahr mit einem neuen Werk „auf dem Markt“ zu sein.

Ein häufiger Vorwurf an unsere Schriftsteller lautet ja, daß sie vor dem bis dato weitgehend behüteten, nicht eben zum rauschhaften Schaffen antreibenden Leben hierzulande in ferne Weiten flüchten – in Träume, erklügelte Künstlichkeiten oder fremde Länder.

Solchen Anwürfen entgeht Kirchhoff virtuos, indem er sie unterschwellig zum Thema macht. Da läßt er einen – sonst im römischen Luxus-Ambiente wohnenden – Deutschen namens Kurt Lukas, charakterlich … Weiterlesen

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Weltweit größtes Beuys-Museum entsteht am Niederrhein

Von Bernd Berke

Düsseldorf. Mit zunächst rund 40 Millionen DM kann am Niederrhein das weitaus größte Beuys-Museum der Welt entstehen. Die Eröffnung ist für 1994/95 geplant.

Mit dem Millionen-Betrag, berechnet nach heutigem Kostenstand, soll das zwischen Kleve und Kalkar gelegene Schloß Moyland zum Museum umgebaut werden. Der größte Teil der Summe kommt aus Landesmitteln für Stadterneuerung Das Land wird auch rund 80 Prozent der Betriebskosten (nach Eröffnung ca. 1,7 Mio. DM jährlich) finanzieren. NRW-Ministerpräsident Johannes Rau (SPD), der die entsprechenden Kabinettsbeschlüsse seiner Landesregiemng gestern in Düsseldorf erläuterte, sprach von einer Sternstunde fur die hiesige Kunstlandschaft.

In die „Stiftung Museum Schloß Moyland“ gehen zwei Besitztümer ein: Zum einen die umfangreichste BeuysSammlung überhaupt, zusammengetragen von den Brüdern Hans und Franz Joseph van … Weiterlesen

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Die Welt sieht aus wie ein krankes Organ – Ingomar von Kieseritzkys „Anatomie für Künstler“

Von Bernd Berke

Wer Ingomar von Kieseritzkys heimlichen Bestseller, die irrwitzige Katastrophen-Enzyklopädie „Das Buch der Desaster gelesen hat, wird – da gibt es wohl kaum einen Mittelweg – diesen Autor entweder herzhaft hassen oder begierig zu seinem nächsten Buch greifen: „Anatomie für Künstler“ heißt es und ist wiederum so schnoddrig-zynisch geschrieben wie der ; Vorläufer. Mitleidlos-medizinischen Blicks, sieht der Autor die Welt gleichsam an wie ein krankes Organ.

Es geht buchstäblich ums Irresein. Kieseritzkys „Held“ und Ich-Erzähler Marun sitzt in der Gummizelle einer Anstalt. Mit Medikamenten vollgepumpt, kaum noch denkfähig, aber noch nicht lendenlahm und also ständig in bitter-komischen Sexualnöten, macht der Ex-Antiquitätenhandler sich ans Schreiben von Briefen und Eingaben, ans Ausfüllen idiotischer Fragebogen der Psychiater usw. Aus solchen Schriftstücken … Weiterlesen

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Kraftakt mit Trabi – Wuppertal stemmt Heiner Müllers „Germania Tod in Berlin“ im Schnelldurchgang

Von Bernd Berke

Wuppertal. Rekordverdächtige Wuppertaler Bühnen: Nach nur zwei Wochen Probenzeit hat man einen „Brocken“ wie Heiner Müllers rabiat-genialische Geschichtscollage „Germania Tod in Berlin“ auf die Bretter gebracht. Und man dürfte zu den ersten Theatern gehören, die einen leibhaftigen „Trabi“ szenisch einbeziehen.

Man kann sich das in etwa vorstellen: Die Theaterleute waren – wie wir alle – fasziniert von den unglaublichen Vorgängen in der DDR, sie wollten aber nicht allzu lange sprachlos bleiben, weil sie (wie das Programmheft verrät) Angst hatten, daß Wiedervereinigungs-Schwätzer nationalistischer Prägung nun wichtige Positionen (verbal) besetzen. Her also mit einem deutsch-deutsch deutbaren Stück; hurtig also in den Kostüm- und Requisitenfundus und schnell das Passende hervorgeholt: ein Stoffbär mit Zinnenkrönchen aus Papier? Als Symbol für Berlin … Weiterlesen

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Politische Gründe: Land streicht Zuschüsse für chinesische Tournee – Gastspiele in Iserlohn und Lüdenscheid gefährdet

Von Bernd Berke

Düsseldorf/Lüdenscheid. Die große Gastspiel-Tournee der chinesischen Sezuan-Oper durch zehn NRW-Städte, darunter Lüdenscheid und Iserlohn, ist nunmehr ernsthaft gefährdet. Wie die WR gestern erfuhr, hat das Land Nordrhein-Westfalen seine Zuschüsse für die Gastspiele zurückgezogen.

Jürgen Weiss, in der Düsseldorfer Staatskanzlei zuständig für intemationale Fragen, zur WR: „Angesichts der politischen Ereignisse in China erschien uns die finanzielle Unterstützung derzeit als nicht opportun“. Damit fehlen insgesamt 100 000 DM für die Gastspielreise, also 10 000 DM pro beteiligter NRW-Stadt. Es ist fraglich, ob die Kommunen diesen Anteil aus eigenen Töpfen ersetzen können.

Lüdenscheids Kulturdezernent Klaus Crummenerl, der erst durch die WR vom Düsseldorfer Entscheid erfuhr, reagierte gestern tief enttäuscht: Er halte den Beschluß für nicht richtig Und „politisch doppelbödig“. Die … Weiterlesen

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Künstler werden für 320 Mark

Wer möchte nicht ein Künstler sein? Dieser Beruf kann unter Umständen viel Prestige einbringen. Wird nämlich ruchbar, daß man’s ist, steht man womöglich sofort im Mittelpunkt jeder Party.

Mancher, der es vielleicht noch nicht ist, kann es nun werden. Er/sie kann sogar ein entsprechendes Diplom erhalten, einen Künstler-Ausweis dazu und den Kunstpreis „La Musa dell’Arte“ gleich obendrein. Wie das?

Eine neue Organisation mit dem blumigen Namen „Albo professona!e degli artisti europei“ (nüchtern übersetzt: Berufs-Album europäischer Künstler), ansässig im italienischen Calvatone, verspricht Rat und Hilfe.

Per Rundbrief wird einem europaweiten Interessentenkreis der Beitritt schmackhaft gemacht. Nicht nur bildende Künstler könnten Mitglieder werden, nein, willkommen seien z. B. auch: Arzte, Architekten, Rechtsanwälte, Schauspieler, Tänzer, Journalisten, Musiker „sowie alle übrigen, die sich auf … Weiterlesen

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Das Gewicht von Lüdenscheid

Von Bernd Berke

Lüdenscheid. Der rührige Uwe Obier, Leiter der Städtischen Galerie Lüdenscheid, steht dafür ein: In der Kunstlandschaft hat die Stadt ihr Gewicht. Das nimmt der Künstler Peter Freese – mit Anhauch von Ironie – ganz wörtlich.

Aus Holzlatten hat Freese ein schematisches Autobahnnetz von NRW angefertigt; die Stadt-Punkte werden mit Eisengewichten, wie man sie vom Wochenmarkt her kennt, markiert. Was schon die Anschauung offenbart, wird auf der zugehörigen Skizze präzisiert: Lüdenscheid kommt ein sattes 10-Kilo-Gewicht zu. Daneben nehmen sich Dortmund (ein Kilogramm), ja selbst die Kunstmetropolen Köln und Düsseldorf als Leichtgewiçhte aus. Bochum ist sogar nur durch eine Leerstelle repräsentiert. Wo ein Gewicht stehen müßte, tut sich das blanke Nichts auf.

Klar: Das ist stark übertrieben, ist Chuzpe, … Weiterlesen

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„Waldheim hat mich in den Nacken geküßt“ – furioses Interview mit Claus Peymann in der „Zeit“

Wien/Hamburg. (bke) In die vollen gegangen ist Wiens Burgtheaterdirektor Claus Peymann in einem gestern veröffentlichten Interview mit der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“. Schon der Einstieg ist stark. Peymann über Wien: „Wenn Sie wüßten, was für eine Sch.. . ich hier erlebe! Man müßte dieses Theater… abreißen lassen. Vielleicht schmeiße ich morgen schon alles hin.“

Peymann, der sich selbst als einen „Vergewaltiger auf der Probe“ bezeichnet, der „brutalste Gewalt“ anwende, um Schauspieler auf seine Linie zu zwingen, schont auch seine Regie-Kollegen nicht. George Tabori danach „eine absolute Sau in der Arbeit“, „ein Tyrann erster Güte.“ Klaus Michael Grüber (Schaubühne Berlin) sei eh nur „dauernd besoffen“, Dieter Dorn (Kammerspiele München) sei jemand, der „eine Inszenierung nach der anderen hinwichst“. In diesem Stil … Weiterlesen

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Phantomkünstler und Autosalon im Museum – „Stellproben“ am Dortmunder Ostwall

Von Bernd Berke

Dortmund. Vorsicht! Wer zur Ausstellung „Stellproben“ (Eröffnung Sonntag, 11.30 Uhr; Dauer bis 12. Juni) ins Dortmunder Ostwall-Museum geht, könnte in einige Sinnfallen tappen.

Die Irritation beginnt gleich hinter dem Eingangsbereich. Vier nagelneue Exemplare einer bayerischen Marke lassen für einen Moment das Gefühl aufkommen, in einen Autosalon geraten zu sein. Doch die knallroten Fahrzeuge, noch dazu auf rotem Teppich, sind eine Installation und stammen aus der Ideenwerkstatt des Franzosen Ange Leccia, der schon bei der letzten „documenta“ die autombile Waren-Ästhetik in museale Umgebung verpflanzte; damals freilich bediente er sich der Stuttgarter Nobelmarke. Die vier Ostwall-„Schlitten“, die übrigens nur mit Mühe durch die schmalen Museumspforten paßten, wirken auf den ersten Blick wie ineinander verkeilt. Doch die vermeintliche Blockade täuscht. … Weiterlesen

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Sponsoren hoffen auf Kunst als Werbeträger – Tagung in Köln: „Marketing mit dem Museum“

Von Bernd Berke

Köln. Unsere Museen ächzen unter Finanznot, unsere Unternehmen sind auf der Suche nach einem gepflegten Image. Beiden soll geholfen werden, das Zauberwort heißt „Sponsorschaft“.

Eine Tagung unter dem dynamischen Titel „Marketing mit dem Museum“ brachte gestern in Köln Wirtschafts-Vertreter und Museumsleute zwecks „Abbau der Berührungsängste“ an einen Tisch. Besonders Manager aus der Auto- und Bank-Branche zeigten sich aufgeschlossen. Aber auch andere Zweige waren vertrçten. Als Dortmunder Teilnehmer hatte sich Heinrich Frommknecht, Vorstandschef der „Signal“-Versicherung, angesagt.

Wohin die Reise geht, brachte Prof. Hugo Borger, Generaldirektor der neun Städtischen Museen zu Köln, in aller Deutlichkeit auf den Punkt: „Ich würde sogar meinen Dienstwagen mit dem Namen einer Firma schmücken, wenn es der Sache des Museums dient“, sagte Borger in … Weiterlesen

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Kinder aus Nazi-Familien: Fluch der späten Geburt – Monolog-Folge „Schuldig geboren“ in Bochum

Von Bernd Berke

Bochum. Draußen in der kalten Nacht geht, nervös kettenrauchend, ein Mann auf und ab. Es ist der Schauspieler Sven-Eric Bechtolf. Wir Theaterzuschauer sehen ihn durch die Fensterscheiben des Kammerspiel-Foyers, hören ihn via Mikrophon und Lautsprecher.

Hinter Bechtolf: (echte) Taxifahrer und ihre Fahrgäste, über den „verrückten“ Nachtwandler lachend. Noch weiter hinten, auf der gegenüberliegenden Straßenseite: das fernsehabendliche Flimmerlicht in den Wohnzimmern. Drinnen, im Foyer, laufen auch zwei Monitore, das Alltäglichste vom Alltäglichen zeigend, vorüberhuschende Autos.

Eine gespenstische Verzahnung: Drinnen ist draußen, draußen drinnen – und gestern ist heute. Die Texte, die hier gesprochen werden, sind authentisch. Sie entstammen Peter Sichrovskys Buch „Schuldig geboren – Kinder aus Nazifamilien“.

Sichrovsky, Jahrgang 1947, dessen Eltern als jüdische Emigranten in England lebten, … Weiterlesen

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Solo für Bazon oder: Die ratlosen Ärzte am Krankenbett der Kunst

Von Bernd Berke

Witten. Vielversprechend war das Thema, grandios am Ende das Scheitern: Über „Krankheit und Gesundheit in der Kunst“ redeten sich im Wittener Saalbau einen Tag lang Experten für Kunst, Literatur und Psychologie die Köpfe heiß.

Nachmittags hielten sie hochfliegende Vorträge (Titelbeispiel: „Aus der Sintflut der Information zu gestalterischer Transformation?“), abends traktierten sie die schätzungsweise 100 zahlenden Zuschauer (Eintritt: 5 DM) mit einer Podiumsdiskussion, an deren Ende der Organisator, Dr. Ralph Driever, erschöpft bekennen mußte, man habe das Thema nicht annähernd ausloten können. „Arzte“ am Krankenbett der Kunst, ratlos.

Einen gewissen Genußwert konnte man der Hypothesen-Parade freilich abgewinnen, wenn man sich entschloß, das Ganze unter musikalisehen Gesichtspunkten anzuhören — sozusagen als „Diskussions-Serenade für fünf Stimmen und Publikumsbeteiligung“. Zwei angekündigte … Weiterlesen

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Wie Motive sich verwandeln – Graphik von Christian Rohlfs im Ostwall-Museum

Von Bernd Berke

Dortmund. Daß er in erster Linie Maler, konnte Christiaa Rohlfs (1849-1938) auch nicht verleugnen, wenn er sich druckgraphischen Techniken zuwandte. Während andere Künstler ihre graphischen Arbeiten in mehr oder weniger hohen Auflagen herstellten, wahrte Rohlfs fast immer die Aura des Originals und beließ es jeweils bei einem Druckabzug. Dann freilich variierte er die Motive durch Übermalungen und Uberzeichnungen vielfach.

Einen staunenswerten überblick zum gesamten (!) Motivumfang des graphischen Werks von Rohlfs, der lange Jahre in Hagen lebte, kann man sich nun im Dortmunder Ostwall-Museum verschaffen (Eröffnung: Sonntag, 17 Uhr; Dauer der Ausstellung: bis 7. Februar). Maßgeblich an der Auswahl beteiligt sind die Dortmunder Galerie Utermann, das Essener Folkwang-Museum (dorthin wandert die Ausstellung im April 1988) und nicht … Weiterlesen

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Bochums „fliegende Untertasse“

Von Bernd Berke

Das Theater, sinniert Bochums Schauspielchef Frank-Patrick Steckel, sei vielleicht einer „fliegenden Untertasse“ vergleichbar. Es komme nicht aus unserer Alltagswelt, sondern „von woanders her“. Ob die Insassen feindliche oder freundliche Absichten hätten, sei so schnell nicht auszumachen.

Mit diesem galaktischen Denkbild gab Steckel den Filmemachern Axel Bornkessel und Claus-Ferdinand Siegfried ein Stichwort, auf das diese offenbar nur gewartet hatten. Hartnäckig vertretene These ihres WDF-Beitrags „Schaupielhaus Bochum – eine Stadt und ihr Theater“: Die Bühne der Revierstadt sei weit entfernt von der täglichen Realität und besonders von den Problemen der arbeitenden Bevölkerung. Man kann so etwas behaupten, doch hier fehlte der schlüssige Nachweis.

Steckel bestätigte immerhin: Peter Zadek und Claus Peymann seien mit ihren Produktionen aufs Publikum zugegangen. Bei … Weiterlesen

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Die Bühne als Forum für sperrige Prosatexte – „Totenfloß“ und „Die Seidels“ bei „stücke ’87“

Von Bernd Berke

Mülheim. Die Jury der Mülheimer Theatertage „stücke ’87“ ist wahrlich nicht zu beneiden. Nach fünf von sechs Wettbewerbs-Beiträgen hat sich noch immer kein Text als „Stück des Jahres“ aufgedrängt.

Gewisse Aussichten auf den Dramatikerpreis hat Harald Mueller – allerdings eher wegen der hervorragenden Inszenierung seines Stücks „Totenfloß“ durch George Tabori, die einer wunderbaren Rettung des Textes gleichkommt. Das Mülheimer Publikum war in zwei Lager gespalten: Herzhafte „Buhs“ wurden mit lauten „Bravos“ vergolten.

Das Stück spielt im Jahr 2050, in einem chemisch und atomar verseuchten Endzeit-Deutschland. Mueller montierte eine auf brutale Kernbestände reduzierte „Zukunftssprache“: eine Mischung aus knappstem Techno-Idiom, Amerikanismen und Slang – etwas Orwell, etwas Anthony Burgess („Uhrwerk Orange“), etwas Arno Schmidt („Gelehrtenrepublik“).

Das entseelte „Neusprech“ und … Weiterlesen

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Rock-Revue „Linie 1″ Favorit beim Publikum – Halbzeit des Mülheimer Wettbewerbs „stücke ’87“

Von Bernd Berke

Mülheim. Man könnte es wagen, schon zur „Halbzeit“ den Hauptanwärter auf den Mülheimer Dramatikerpreis ’87 vorherzusagen, wenn es nur nach dem Willen des Publikums ginge: er hieße mit ziemlicher Sicherheit Volker Ludwig.

Seine Rock-Revue von der U-Bahn „Linie l“, eine Stationen-Geschichten aus dem Berliner Untergrund zwischen Bahnhof-Zoo und Kreuzberg, mobilisierte am Wochenende zahlreiche Fans des Grips-Theaters, und deren frenetischer Beifall ließ kaum einen Zweifel daran, daß die Stimmzettel in den Wahlurnen der Stadthalle vielfach auf „gut“ oder „sehr gut“ lauteten.

Doch das gesamte Publikum hat auch bei ..Stücke ’87“ wieder nur eine einzige Stimme, die Theaterexperten der Jury werfen hingegen acht Voten in die Waagschale. Es ist kaum anzunehmen, daß dieses Gremium sich dazu durchringen wird, ein … Weiterlesen

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Banalität und Alptraum der Folter – Roberto Ciulli inszeniert Sartres „Tote ohne Begräbnis“

Von Bernd Berke

Mülheim. Es ist eine Zumutung und zum Davonlaufen, was uns Roberto Ciulli in Mülheim als Sartres „Tote ohne Begräbnis“ vorsetzen läßt. Doch können nicht Zumutungen auf dem Theater eine andere Qualität bekommen? Können sie nicht dazu zwingen, sich mit Dingen auseinanderzusetzen, an die man andernfalls nicht im Traum geriete?

Ciulli läßt Sartres (kaum noch gespieltes) Stück über eine Gruppe von Résistance- Kämpfern, die sich in der blutrünstigen Gewalt französischer Nazi-Kollaborateure befinden, als schrecklichen „Folterabend“ vorführen. Der ohne Pause und also ohne Fluchtmöglichkeit gespielte Text ist rigoros gekürzt. Ciullis Fassung läßt wenig ahnen von Sartres Ansinnen, die existentielIe Entscheidungsfreiheit in einer Extremsituation zu zeigen – die Entscheidung zwischen Verlust der Würde durch Verrat und Verlust des Lebens durch … Weiterlesen

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Lachnummern aus der Menschheitsgeschichte – Roland Rebers „Merlin“ beim Theaterpathologischen Institut in Lünen

Von Bernd Berke

Lünen. Irgendwo zwischen Zeit und Ewigkeit steht ein Gitter. Davor lümmelt sich „Merlin“ (Joe Bausch), seines Zeichens keltischer Zauberer, in den Sessel. Ein Greis in Morgenrock und langen Unterhosen, verschmitztes Einstein-Gesicht.

In Roland Rebers „Merlin“-Projekt, das am Samstag vom „Theaterpathologischen Institut“ (TPI) im Lüner Hilpert-Theater erstaufgefiihrt wurde, ist diese Titelfigur der unsterbliche Geist, der (wenn er nicht gerade über sein intergalaktisches Radio die neuestenRock-Hits sendet) die Historie mit weltbewegenden Ideen infiziert, die allemal in Katastrophen enden.

Es erscheinen einige von Merlins früheren Opfern: Die vor lauter Lustverzicht mannstoll gewordene Lysistrata (Ute Meisenheimer); der sagenhafte König „Artus“ (Jochen Nickel), über die mißlungene Gralssuche zeternd; die schamhafte Jungfrau Jeanne d’Arc (Fee Sachse), die die Holzzweige ihres Scheiterhaufens wie ein … Weiterlesen

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„Ehrenrettung“ für den Graphiker Marc Chagall – Münster legt Schwerpunkt auf Frühwerk

Von Bernd Berke

Münster. Der im März 1985 verstorbene Marc Chagall hat sich in seinem graphischen Spätwerk oft nur noch spannungslos-süßlich selbst zitiert. Es fällt schwer, dies zu schreiben: Auf seine alten Tage hat Chagall manche Belanglosigkeit zu Papier gebracht. Zudem tauchen immer häufiger „wilde“, nicht autorisierte Nachdrucke auf.

Jetzt präsentiert das Westfälische Landesmuseum in Münster rund 300 graphische Arbeiten Chagalls, und just zu diesem Zeitpunkt steigt ein örtliches Kaufhaus massiv in den Kommerz mit Chagall-Drucken ein.

Chagalls graphisches Spätwerk rangiert im Urteil der Fachwelt niedrig. Gleichviel, ob den Experten vielleicht gerade die außerordentliche Popularität des Chagall’schen Figurenkosmos verdächtig ist – das Landesmuseum versucht sich nun sozusagen an einer „Ehrenrettung“, indem es den Schwerpunkt aufs graphische Frühwerk legt, das noch … Weiterlesen

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Neuer Atlas zeigt Westfalen in allen Einzelheiten – Erste Blätter sind erschienen

Von Bernd Berke

Münster. Wie hoch ist die Bettenkapazität für Touristen in Arnsberg? Wo herrscht im Sauerland „Reizklima“? An welchen Stellen in Westfalen kommen weiße Seerosen vor? l Diese und etliche andere Fragen soll der „Westfalenatlas“ beantworten, dessen erste Lieferung jetzt erschienen ist.

Mit dem „Jahrhundertwerk“, bundesweit als Kartenprojekt beispiellos, geht es langsam, aber stetig voran: Die ersten vier von 100 Blättern sind fertig. Pro Jahr sollen vier weitere hinzukommen. Bei diesem Tempo wird man das Jahr 2009 schreiben, wenn das Konvolut komplett vorliegt. Und aktualisieren will man zwischendurch auch noch.

Keine andere deutsche Gegend freilich wird dann dermaßen detailliert kartographiert sein wie Westfalen. Nahezu alle denkbaren Aspekte natürlicher, historischer und gesellschaftlicher Art sollen erfaßt werden. Das geht von der … Weiterlesen

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Spukhafte Schraffuren – Werkschau über Paul Flora in Münster

Von Bernd Berke

Münster. Als Karikaturist der Wochenzeitung „Die Zeit“, auf deren Titelseite er von 1957 bis 1971 präsent war, ist er weithin bekannt geworden. In welchen kunstgeschichtlichen Zusammenhhängen Paul Flora (63) und seine filigranen Federzeichnungen stehen, macht jetzt eine Retrospektive im Westfälischen Landesmuseum Münster mit über 200 Exponaten deutlich (ab Sonntag, bis 18. August, Katalog 18 DM).

Schon die skurrilen Erfindungen der frühen Jahre – gezeigt werden Arbeiten ab 1940 – verdanken sich jener johen Kunst des Weglassens und dem lakonisch-souveränen Spiel mit Form und Linie, über die Flora später fast nach Belieben verfügte. Manche Blätter führen auf die Spur eines gewichtigen künstlerischen Ahnherrn: Paul Klee. Den Blick fürs abseitig-groteske Detail und immerwährende Todedrohung schärfte der Österreicher Flora eingestandenermaßen … Weiterlesen

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Dortmunder Musikprofessor klagt über mangelnde Hilfe bei Europa-Projekt

Von Bernd Berke

Dortmund. Das „Europäische Jahr der Musik“ wird in Dortmund von Mißklängen begleitet: Bemüht, ein gemeinsames Konzert von Musikstudenten aus zehn Ländern finanziell abzusichern, hat die Dortmunder Uni gleich mehrfach Abfuhren bekommen.

Weder das Bonner Bundesbildungsministerium noch der Kommunalverband Ruhrgebiet (KVR) wollen das Vorhaben finanziell unterstützen, klagt Organisator Willi Gundlach, Dortmunder Professor für Musik und ihre Didaktik. Gundlach enttäuscht: „Zuwendungen hätten auch Anerkennung bedeutet“. Verdächtig, aber „nicht beweisbar“ (Gundlach): Das Bundesbildungsministerium scheint die Idee aus Dortmund auch noch kopiert zu haben, ließ doch Ministerin Dorothee Wilms (CDU) mitteilen, Bonn wolle ein international besetztes Studentenkonzert unter Schirmherrschaft des Bundespräsidenten aufziehen, und zwar ausgerechnet im Juni, wenn auch die Dortmunder Aufführung (26.6. in der Reinoldikirche) steigen soll. Prof. Gundlach: „Darüber … Weiterlesen

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Dortmunds neuer Intendant Horst Fechner: Publikum fordern, aber nicht überfordern

Von Bernd Berke

Dortmund. Mit einer entschiedenen Verjüngung des Schauspielensembles und behutsamen Korrekturen im Musiktheaterbereich will Dortmunds künftiger Generalintendant Horst Fechner in die Theaterspielzeit 1985/86 gehen.

Wie Fechner, derzeit noch Intendant in Kiel, gestem in Dortmund mitteilte, kann er die wohl spektakulärsten Neubesetzungen im Ballettbereich vorweisen. Mit Youri Vamos (als Leiter des Ballettensembles) und Joyce Cuoco (bisher: Staatsoper München) kämen Spitzenkräfte des Metiers. Fechner über das Engagement von Joyce Cuoco als Primaballerina: „Das ist ungefähr so, als wenn Borussia-Trainer Ribbeck Karl Heinz Rummenigge präsentieren könnte“.

In puncto Spielplan (dessen Entwurf vor öffentlicher Bekanntgabe dem Kulturausschuß vorgelegt werden muß) bekundet Fechner, das Publikum „zwar fordern, aber nicht überfordern“ zu wollen. Sowohl die gängige „Fledermaus“ als auch eine anspruchsvollere Produktion wie etwa … Weiterlesen

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Spaniens Klassische Moderne – Druckgraphik im Ostwall-Museum

Von Bernd Berke

Dortmund. Frauengestalten feiern frenetische Feste, eine Stierkampfszene wird zur grazilen Tanzfigur; Kröte, Hummer oder Ziegenschädel ergeben frappierend plastisch wirkende Stilleben-Kompositionen – kein Zweifel, das ist die Bildwelt Pablo Picassos. Sie steht jetzt im Mittelpunkt einer Ausstellung des Dortmunder Ostwall-Museums (bis l. August, kein Katalog), die sich der Druckgraphik aus Spaniens „Klassischer Moderne“ widmet und aus lang nicht mehr gezeigtem Eigenbesitz bestritten wird.

Die Blätter von Picasso, Dalí, Miró und Juan Gris wurden in den 50er und frühen 60er Jahren dem berühmten Kunsthandler Daniel Hanry Kahnweiler abgekauft. Seither ist ihr Marktwert schwindelerregend gestiegen.

In der Eingangshalle sieht man 23 Graphiken von Picasso – Demonstration der außerordeutlichen Vielfalt von Techniken, mit denen der Künstler in den 50er Jahren operierte. … Weiterlesen

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Das Material ist die Botschaft – Skulpturenausstellung „Bella Figura“ in Duisburg

Von Bernd Berke

Duisburg. Konservative Kunstbeflissene haben sie unablässig gefordert – die Rückkehr zum erkennbar Figürlichen, zum Menschenabbild in den Künsten. Es scheint, daß sie erhört worden sind.

Nach allen Minimal- und sonstigen Experimenten, die allemal auf Abstraktion hinausliefen, entstehen nun wieder körperhafte, allerdings fast immer in irgendeinem Grad deformierte Skulpturen. Die Zeit der flachen Bodenplastiken – schon die Duisburger Ausstellung „dreidimensional“ hat es gezeigt – ist vorerst vorüber.

„Bella Figura“, Präsentation von 12 Bildhauern im Duisburger Lehmbruck-Museum (1. Juli bis 2. September, Katalog 20 DM), verdeutlicht den Trend noch. Der Titel führt in die Irre: Kein einziger italienischer Bildhauer ist vertreten, sondern zehn aus der Bundesrepublik und je einer aus Österreich und den Niederlanden.

In zumeist expressiver Manier erheben … Weiterlesen

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Kleist in die Ferne des Klassikers gerückt – „Die Familie Schroffenstein“ in Wuppertal

Von Bernd Berke

Wuppertal. Die Bühne schwarz ausgeschlagen, darauf ein verwitterter Baum. Warten auf Godot? Nein, die Wuppertaler Bühnen haben sich den selten aufgeführten Kleist-Erstling „Die Familie Schroffenstein“ vorgenommen.

Ein aus heutiger Sicht teilweise monströses Stück, das aber auch Stärken hat. Es geht um eine blutige Familienfehde. Zwei Clan-Linien derer von Schroffenstein bekämpfen einander – und das auf bloße Gerüchte und Sinnes-Täuschungen hin. Allseitiges Mißtrauen, dem sich nur (wie in „Romeo und Julia“) ein Liebespaar (mit tödlichen Folgen) entzieht, setzt eine unaufhaltsame Mechanik der Rache in Gang.

Nun muß man ja nicht direkt auf Vorgänge zwischen den heutigen Supermächten anspielen. Was aber unter Regie von Dieter Reible geschieht, jenes textbrave Vom-Blatt-Spielen mit unfreiwillig komischen lauten Emotions-Ausbrüchen, das rückt Kleist in … Weiterlesen

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Anbetung und Ausbeutung – der Wald in der Kunst

Von Bernd Berke

Recklinghausen. Zwischen Anbetung und Ausbeutung – so haben Künstler in den letzten zwei Jahrhunderten Natur gesehen und dargestellt.

Reichliches und hochkarätiges Anschauungsmaterial zur historischen Entwicklung des Naturverständnisses bietet ab heute die Kunstausstellung der Ruhrfestspiele ’84, die als Titel eine ironisch abgekürzte Eichendorff-Zeile trägt: „Wer hat Dich Du schöner Wald…“ „…aufgebaut so hoch da droben“, heißt es bei Eichendorff weiter. Schon das Katalog-Titelblatt (der „Holzfäller“ des jüngst wieder enorm aufgewerteten Schweizers Ferdinand Hodler) läßt ahnen, daß aufbauende Kräfte sich dem Wald nur selten widmeten.

Wohl noch nie hat die Kunsthalle Recklinghausen mit so vielen großen Namen aus der Kunstgeschichte aufwarten können: Cézanne, Corinth. Corot, Courbet, Max Ernst, C.D. Friedrich, Heckel, Klee, Kirchner – und so weiter im Alphabet.… Weiterlesen

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